Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz, wer mit 40 nicht rechts ist keinen Verstand.

Ich war auch mal 20, aber nie links. Ich bin also ein herzloser Mensch. Damit muss ich leben. Da ich aber nie links war, ist mir die Szene völlig fremd. Hier und dort gibt es Berührungspunkte. Wenn das Gegenüber ausnahmsweise respektvoll ist, kommt es auch mal zu einem netten Gespräch – aber zugegeben: ohne thematische Annäherung meinerseits.

In der jüngeren Zeit habe ich zwei Beobachtungen gemacht, die ich hier kurz schildern möchte.

Weiße Haut und Dreadlocks

Einer der Ursprünge für diese (in meinen Augen ästhetisch widerliche) Haartracht ist die Religion der Rastafaris, die in Haile Selassie I. (link) den wiedergekehrten Messias sehen. Bob Marley fungierte mit seiner zugegeben wirklich coolen Musik als großer Botschafter dieser Weltanschauung. Die Angelegenheit hat also von vorn herein eine übergeordnete Wichtigkeit – weit ab von Geschmacksfragen.

In der allgmeinen Fremd-Scham für traditionelle Werte „pflegen“ viele Jugendliche, denen diese Werte eben fremd sind, diese Haartracht als Ausdruck des Widerstands. Da dies aber im Grunde eine imperialistische Vereinnahmung einer anderen Kultur ist, kommen die Dreadlocks auf weißer Haut getragen in der linken Szene in die Kritik. So wurde für eine Veranstaltung der FFF (Fridays for Future) in Hannover die zunächst gebuchte Musikerin Ronja Maltzahn wieder ausgeladen.

Hier ein Screenshot der Meldung:

Auf Instagram erklärt sie kleinlaut:

Ich möchte dieses Thema in keinster Weise ausarten lassen in eine Art Shitstorm oder in irgendeine Art von Schlechtmachung dieser Organisation, in irgendeine Form von Streit. […] Ich freue mich auch darüber, nächste Woche noch einmal ausführlicher ins Gespräch zu kommen, strukturierter, mit dieser Organisation. Denn eigentlich ist Fridays for Future eine Organisation, von der ich eine Menge halte.

Die Rheinische Post Online stellt in Ihrer Ausgabe vom 24.03.2022 die Position von FFF dar (link):

Die Klimaschützer hatten einen für Freitag geplanten Auftritt der Musikerin in Hannover abgesagt, weil sie sich als weiße Frau mit Dreadlocks, ein Widerstandssymbol schwarzer Menschen, angeeignet habe, ohne sich mit der Geschichte oder dem kollektiven Trauma der Unterdrückung auseinandersetzen zu müssen. Wenn sie sich die Dreadlocks abschneide, sei ein Auftritt aber möglich.

FFF hat den „eher unsensiblen Tonfall“ bemerkt und sich dafür entschuldigt. Aber nur für den Tonfall – in der Sache blieb man hart.

Ich bin amüsiert.

Die Firma WALL betreibt in Freiburg einige Werbetafeln. In der Kaiser-Joseph-Straße, Höhe Modehaus Kaiser, rollt seit Tagen eine Anzeige auf und ab. Darauf zu sehen, eine eigentlich hübsche junge, weiße Dame geschmückt mit der problematisierten Haartracht.

Die Werbung selbst stammt von der Euro-FH (Europäische Fernhochschule Hamburg) und bewirbt den dortigen Studiengang “Fernstudium Soziale Arbeit” (link). Kann da mal jemand  anrufen und denen den Zusammenhang klar machen? Geht ja gar nich…

Schwurbler-Demo und die Antifa

Ich bin gerne Schwurbler. Ich finde das Wort toll. Das nimmt mir die Verantwortung, in jedem Moment etwas Hochintelligentes sagen zu müssen.

Bei den samstäglichen Schwurbler-Demos in Freiburg wurden wir mehrfach unterwegs von Andersdenkenden mal mehr mal weniger freundlich gegrüßt. Allerdings nahm deren Zahl wirklich dramatisch ab. Am letzten Aufzug durch die Stadt am 12.03. waren es noch maximal 50 Jugendliche, die ihre scheinbar große Präsenz durch ständigen Ortswechsel anzuzeigen versuchten.

Nach dem 19.03. bekamen diese es aber wohl mit der Angst zu tun, beeindruckt davon, dass viele der Schwurbler unbeeindruckt von drohender Staatsgewalt im Kessel geblieben sind. So hatte die Antifa für den 26.03. dringend von einer flankierenden Teilnahme an der Schwurbler-Demo abgeraten. Siehe Screenshot:

Stattdesen machte man es sich im Dietenbachpark bei hässlichem Lärm gemütlich und ging den Bewohnern Weingartens und des Rieselfeldes bis spät in die Nacht damit auf die Nerven.

Meldung auf deren Blog vom 24.03. (link)

Ich mache mir wirklich ernsthafte Sorgen um die linke Jugend.

Oder fließt womöglich die Staatsknete nur noch dann, wenn kulturelle Veranstaltungen abgehalten werden – vulgo Techno-Party?

mb

Beitragsbild von Luis Villasmil via unsplash

Artikelbilder und Screenshots: mb

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