Ich hasse einkaufen. Wenn ich mal nach lästigem Anprobieren endlich eine Hose gefunden habe, kaufe ich gleich 4 Stück. Dann ist da mal wieder Ruhe. Es gibt aber noch mehr Gründe Einkaufen zu hassen, und sei es nur der Gewichtigste: das Portemonnaie wird erleichtert.

Man kauft Dinge, die man nicht braucht, um Leute zu beeindrucken, die man nicht mag, mit Geld, das man gar nicht hat.
Uralt – aber deswegen nicht weniger wahr.

Aber da gibt es für den Handel zum Glück auch andere Zeitgenossen. Die, die das Einkaufen genießen. Schon daran zu erkennen, wie schick sie sich für das Shopping-Event machen. Für den sonntäglichen Gottesdienst oder zur Kaffee-Tafel bei der Schwiegermutter müssen es jedenfalls die abgetrageneren Sachen tun.

Shopping als Event – für mich völlig befremdlich. Wer einen auch zeitlich ausfüllenden Beruf ausübt, kennt andere Entspannungstechniken als Einkaufen – und sei es das Verfassen von Artikeln für den Freiburger Standard;-). Dabei bin ich dem Konsum nicht abhold – wer mich kennt, weiß: Ich genieße gern und viel.

Alles wird zum Event

Christian Streich vom Freiburger SC beklagt diese Tendenzen auch in seinem Business. Nachzuvollziehen durch seine Äußerungen auf einer jüngst gegebenen Pressekonferenz (link). So wie er vom Fußball wieder das Wesentliche im Vordergrund sehen will, geht es mir beim Einkaufen auch um das Wesentliche: die Versorgung mit den benötigten Gütern.

Nun habe ich aber auch aus persönlichen Gründen ein gespaltenes Verhältnis zum Einzelhandel. Selbst dort 17 Jahre beschäftigt gewesen, habe ich die Gesamtlage natürlich genauestens von innen beobachtet und rechtzeitig den Absprung geschafft – und zwar deutlich vor der Virus-Krise.

Die Klage ist der Gruß des Kaufmanns

Der Einzelhandel beklagt sich unermüdlich über den Online-Handel. Anfangs auch zu Recht. Nur um Marktanteile zu gewinnen, half jener dem Kunden mit unwiderstehlichen Preisen auf die Sprünge. Das läuft ja in allen Wirtschaftsbereichen so: Marktanteile, Marktanteile, Marktanteile. Daraufhin hat sich der Einzelhandel bockig gestellt und weiter den in seinen Augen hochwertigeren Service preislich durchzusetzen versucht, obwohl die Margen eine gewisse Flexibilität durchaus erlauben.

Mittlerweile ist der Service bei Spezialversendern (ich will hier keine Werbung machen – aber Musiker wissen, welches Beispiel ich hier gerne nennen würde) wesentlich hochwertiger als bei vielen Einzelhandelsgeschäften. Sei es der kostenlose Versand direkt ins heimische Wohnzimmer, das grundsätzliche zweiwöchige Rückgaberecht oder Produktschulungsvideos von echten Könnern. Diese hochspezialisierten Experten – um dem Wort mal wieder eine positive Konnotation zu verschaffen – sind in Scharen aus dem Einzelhandel abgewandert, an genau diese Stellen. Oder, wenn sich die Chance ergab, eine Handelsstufe weiter nach vorne, zu den Vertrieben. Dort sitzen die Spezialisten ihres Fachs – die für die ganz schwierigen und schier unlösbaren Fälle.

Man verstehe mich nicht falsch: die kleinen Geschäfte, bei denen der Inhaber noch eigenhändig auf- und zuschließt, bleiben bei meiner Betrachtung draußen. Die machen ihr Ding mit Liebe und Können.

Die großen Onliner, wie beispielsweise Amazon, sind für den cleveren Kunden mittlerweile uninteressant. Es gibt dort schon seit Längerem absolut nichts, was Sie nicht mit maximal 2 Klicks von einem in Deutschland ansässigen und von Deutschland aus versendenden Spezialonliner billiger, schneller und in gleicher oder sogar auffallend höherer Qualität bekommen. Weshalb? Die Marktanteile sind erarbeitet, der Kunde ist bequem, für einen Verdrängungskampf vor allem auf der Preisschiene sieht Amazon keinen Grund mehr.

Wir haben uns jetzt – völlig frei von Coronaeinflüssen – drei Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit erarbeitet:

  • Entstehung des Onlinehandels über den Preis
  • Etablierung desselben über die Qualität
  • Erhöhung des Preisniveaus auf oder über Einzelhandelsniveau – ermöglicht durch die Erziehung des Kunden zur Bequemlichkeit

Alle diese Entwicklungen hat der Einzelhandel mit großer Anstrengung verschlafen.

Preis:

Nach dem Auslaufen des Rabattgesetzes 2001 (link) war es jedem Händler möglich, den Preis völlig frei zu gestalten. Dies war früher nur für zeitlich begrenzte Verkaufsaktionen möglich. Ja das gab es wirklich – die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an Sommer- und Winterschlussverkäufe oder Jubiläumsrabatte. Mit einer Flexibilisierung in der Preisfindung konnte sich der Einzelhandel dann aber nicht anfreunden und öffnete neuen Handelsformen damit Tür und Tor. Der zeitliche Zusammenhang ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen.

Qualität:

Mit den gezahlten Löhnen kann der Einzelhandel echte Fachleute nicht halten. Diese nehmen so schnell wie möglich Reißaus. Wann haben Sie zum letzten Mal in einem größeren Einzelhandelsgeschäft eine fundierte Antwort auf eine etwas komplexere Frage bekommen? Und zwar sofort, von Ihrem direkten Gegenüber, nicht auf Nachfrage. Wahrscheinlich noch nie. Nochmals: ich rede nicht von den rührigen kleinen Geschäften, beispielsweise in der Salzstraße.

Bequemlichkeit:

Hier kommt jetzt ein etwas größerer Spannungsbogen. Vor einigen Jahren startete die Kaufhauskette Karstadt eine Kampagne im verzweifelten Kampf beim Onlinebusiness endlich (nach 15 Jahren Dauerschlaf) mitmischen zu können, die an Lächerlichkeit nicht zu überbieten ist:

Online bestellen und in der Filiale abholen

Dümmer geht es nicht – um auf so etwas zu kommen, muss man studiert haben. Dies ist ja der einzig übriggebliebene Vorteil des stationären Handels: ich kann die Ware vor Ort anfassen, fühlen, schmecken, ausprobieren, mir vorführen lassen, vor Ort Fragen stellen. Wenn schon, hätte die Kampagne umgekehrt lauten müssen:

Vor Ort testen – wir liefern umgehend zu Ihnen nach Hause

Muss ja nicht kostenlos sein – die Preisdebatte spielt bei den echten Shoppingeventlern bekanntlich nicht die erste Geige.

Dass das Management von Karstadt und Kaufhof (neuerdings Galeria)  schon seit vielen Jahren – im Grunde Jahrzehnten – versagt, ist ja nichts Neues. Hierzu nur zwei Belegstellen in aller Kürze:

Meldung in der Tagesschau vom 26.01.2022 (link):

Die nächste Rettung für Galeria
Der Warenhauskonzern Galeria bekommt erneut staatliche Hilfe. 250 Millionen Euro sollen aus dem Stabilisierungsfonds fließen.

Hierzu der Einzelhandelsexperte Hendrik Schröder von der Universität Duisburg-Essen:

Wenn Galeria argumentiert, dass ein Kredit notwendig sei, weil man systemrelevant in den Innenstädten sei, dann muss man sich fragen, warum es nicht gelungen ist, außerhalb der Corona-Zeit diese Systemrelevanz nachhaltig unter Beweis zu stellen.

Der Tagesschau-Bericht weiter:

Andere Experten gehen sprachlich weiter und nennen es laut Handelsblatt einen Skandal. Diese sehen in den Millionenhilfen verbrannte Steuergelder. […] Die Warenhauskette hatte bereits im Jahr 2021 einen Staatskredit in Höhe von 460 Millionen Euro erhalten und zuvor noch weitere Zuwendungen.

Hinter all dem steht ein 44jähriger Österreicher, René Benko, der es als Unternehmer und Investor im Immobilien-, Medien- und Handelsbereich glänzend versteht, die Misere des Konzerns zu pflegen. Mit seiner Unternehmenspolitik häuft er mittlerweile ein ansehnliches Vermögen von 5,4 Mrd. US-Dollar (Forbes-Schätzung 2022) an.

Die Wirtschaftswoche vom 27. Januar 2022 schreibt (link):

Es sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar, dass der Kredit nicht zurückgezahlt werden kann“. Nur wird es lange dauern, bis das auffällt.

Da die Staatskasse dieses Geld unter Garantie nie wieder sieht – ganz zu schweigen von den noch größeren Zuschüssen früherer Jahre – dürfen Sie bei jedem Einkauf noch ein paar Euro auf den ausgezeichneten Preis obendrauf rechnen. Diese gibt nicht der ominöse, ferne, durch die Begriffswahl schon ungreifbare Steuerzahler dazu – nein SIE sind es – ganz persönlich.

Nun bringt die sogenannte Pandemie an ihrem vielleicht baldigen Ausklang neue Stilblüten mit sich.

Keine einzige Stimme der Kammern war bei den Lockdowns zu hören. Und auch später nicht, als ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung aus den Geschäften verbannt wurde. Dies ist keine Einschätzung mit späterem Wissen. Dass der Einzelhandel kein Infektionstreiber ist, war allen Beteiligten zu jedem Zeitpunkt klar. Wer hat hier Schweigen verordnet?

Mich überrascht im Übrigen nicht, dass die meisten kleinen Geschäfte die Pandemie ganz gut durchstanden haben – das sind findige Leute.

Und heute nun das

Die heutige Anti-Corona-Maßnahmen-Demo in Freiburg (26.03.2022) verlief etwas anders als gewohnt. Ich hatte mit Freunden und Bekannten seit vielen Monaten die Gelegenheit, an einem Samstag durch die Innenstadt zu flanieren. Seit 25 Jahren hier ansässig, hat mir meine Erfahrung gelehrt, dies nach Möglichkeit zu vermeiden. Während wir nach den Erlebnissen vom 19.03.2022 (wir berichteten) versuchen, irgendeine neue Form von Protest gegen alle Auswüchse dieses Staatsterrors zu finden, beobachte ich gleichzeitig die Massen an gut betuchten Shoppingeventlern (eingangs erwähnt), die eine Woche nach dem Freedom-Day nichts anderes zu tun wissen, als weiterhin brav und im vollkommen unreflektierten Trott mit FFP2-Maske von Geschäft zu Geschäft zu stolzieren. Mit absichtlich leicht unscharf gestellten Augen sah es für mich aus wie Kauf-Vieh, das zum Melken geführt wird.

Ich muss zugeben, dass mich dieses Schauspiel anwidert.

Darum

mb

Titelbild von Arturo Rey via unsplash
Artikelbild von mb

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