Von Dario Herzog
Wenn in deutschen Mainstreammedien die Rede von Belgien ist, wird entweder über den belgischen Hofstaat berichtet oder es gibt Neuigkeiten aus Brüssel – beispielsweise die Bauernproteste am Rande der EU-Ministerkonferenz in den vergangenen Tagen. Aber dann geht es nicht um Belgien selbst, sondern um Nachrichten aus dem Zentrum der EU-Bürokratie. Dabei ist Belgien doch ein Nachbarland der Bundesrepublik. Und wir leben doch im friedfertigsten Europa, das es jemals gegeben hat. Trotzdem ist es still, wenn es um Nachrichten aus dem unmittelbaren Nachbarland geht. Vermutlich will man niemanden beunruhigen, denn der Staat steht vielleicht vor einschneidenden Veränderungen. Warum?
Überfremdung bereits auf Höchstsstand
Belgien hat – im Gegensatz zu Deutschland – eine echte Kolonialgeschichte. Nicht, dass man die so aufarbeiten würde wie in der Bundesrepublik. Aber das Ergebnis sieht man auf den Straßen, die sind – um mit unseren Gutmenschen zu sprechen – einfach ziemlich vielfältig, wenn nicht sogar vielfarbig. Das Ergebnis ist hier wie da ernüchternd: Prolemviertel in den Großstädten, ähnlich wie in Paris, hohe Gewalt, extremistische Auswüchse einer muslimisch geprägten Parallelgesellschaft, und ein Prekariat, das vor allem Belgier mit Migrationshintergrund betrifft. Das fördert nicht gerade die Bereitschaft, sich mit dem belgischen Staat zu identifizieren. Da Belgien ein Kunststaat ist, geboren aus den Verwerfungen früherer Kriege, identifizieren sich die meisten Belgier zuallererst ethnisch. Was hier in der Bundesrepublik bereits ein Fall für den Verfassungsschutz ist, ist in Belgien völlig normal, man ist eben Flame oder Wallonier, oder noch was ganz anderes, und dann erst Belgier. Das ist eben nur die Staatsangehörigkeit.
Es gärt schon lange
Bereits seit Gründung des Staates Belgien ringen die flämischen und wallonischen Regierungs- und Bevölkerungskreise um einen entsprechenden Einfluß. Die fünf flämischen Regionen werfen den fünf wallonischen Regionen regelmäßig vor, dass die Wirtschaftsleistung im flämischen Teil erbracht wird und die Wallonier regelrecht gemästet werden. Dieser Streit, auch um die Dominanz im Staate, ist nicht neu. Während die französischsprechenden Wallonier sich tradtionell nach Frankreich orientieren, fühlen sich die Flamen den Niederländern näher, auch ein wenig den Deutschen, immerhin ist Deutsch die dritte offizielle Amtssprache, das vor allem in der Region Eupen-Malmedy verbreitet ist.
Es stehen Wahlen an
Die Europawahlen finden in Belgien wie auch bei uns im Juni diesen Jahres statt. Aber auch die Wahlen auf Bundes-, Landes- und Regionalebene finden zeitgleich am 9. Juni statt. Und später im Jahr, im Oktober dann Kommunal- und Provinzwahlen. Interessant sind die Wahlen vor allem auf Bundesebene. Denn der Vlaams Belang, die dezidiert rechte Partei, deren Vertreter bekanntermaßen im EU-Parlament auch in der ID-Fraktion sitzen, dürfte ein fulminantes Ergebnis einfahren. In aktuellen Wahlprognosen wird die deutschfreundliche Partei mit 24,6 bis 26 Prozent taxiert. Das ist jenseits dem, was die hiesige AfD jemals an Werten gehabt hat. Hinzu kommt allerdings, dass auch die flämische N-VA des Bart de Wever eine Chance auf Erfolg hat. Bislang traute sich die N-VA (noch) nicht, mit dem Vlaams Belang zu koalieren. Etwa der CSU gleich, beteiligte sie sich am sogenannten „Cordon sanitaire“. Was bei uns keinen Namen hat, aber ebenso praktiziert wird, hat in Belgien nämlich einen feststehenden Begriff. Gemeint ist damit die gesellschaftliche und politische Ausgrenzung des Vlaams Belang. Bislang galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass keine Partei eine Koalition mit dem Vlaams Belang eingeht. Die N-VA rüttelt jetzt aber an dieser undemokratischen Tradition. Hochrangige N-VAler wie der einflussreiche Theo Francken schließen nicht mehr aus, mit der ausgrenzten Partei zusammen zu regieren. Das könnte ein Fanal sein und wird im gesamten politisch-medialen Komplex Belgiens entschieden verurteilt, verdammt und bekämpft. Und in der Tat, die N-VA wird in Umfragen bei rund 20 Prozent gesehen – bei üblichen drei Prozent Messungenauigkeiten. Das heißt, man könnte mit dem Vlaams Belang durchaus auf 49 Prozent kommen. Das würde reichen, um sich unabhängig zu machen.
„Acte van Verlaetingeh“
Historisch könnte man dann an die Unabhängigeitserklärung von Verlaetingeh von 1581 anknüpfen und sich von Wallonien abtrennen. Ob das tatsächlich eintrifft, ist höchst fraglich, denn das Establishment wird alles Legale und vermutlich Illegale in Bewegung setzen, um zu verhindern, dass sich Flandern von Belgien abspaltet. Aber selbst wenn so etwas passieren würde, was wäre dann? Vertreter des Vlaams Belang stellen sich die Frage auch, meinen aber, dass Flandern unabhängig sein könnte, wobei man mit den Niederlanden eine Wirtschaftsunion eingehen könne. Mit solch wirtschaftlich starken Städten wie Antwerpen, der überaus erfolgreichen Hafenstadt, könnten sich die Niederlande erheblich verstärken, dazu würde sie kaum Nein sagen wollen.
Unabhängigkeit das Ziel
Daher ist es kein Wunder, dass der Vlaams Belang so intensiv Wahlkampf betreibt wie noch nie zuvor. Der „Cordon sanitaire“ könnte aufgebrochen werden. Dabei hat sich der Vlaams Belang über die Jahre nicht verbogen, ist standhaft geblieben und hat keine Position geräumt, nur weil das Establishment das wollte. Das könnten gewisse AfD-Granden als Erfolgsrezept verinnerlichen, wenn sie denn wollten. In Flandern heißt es jetzt: Es geht um jeden Prozentpunkt, also weiter so!
Beitragsbild / Symbolbild: hyotographics / Shutterstock.com; Logo in der Mitte: Vlaams Belang
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