Von Jan Ackermeier

Am 11. April 1959 erscheint nach dem sogenannten „Wiener Zeitungskrieg“ die Erstausgabe der vom Journalisten Hans Dichand mit Finanzhilfe des ÖGB gegründeten „Neuen Kronen Zeitung“. Der sogenannte „Wiener Zeitungskrieg“ war eine publizistische, gerichtliche und persönliche Auseinandersetzung mehrerer österreichischer Zeitungsverleger, die im März 1958 unter großer Aufmerksamkeit internationaler Medien ihren absurden Höhepunkt fand. Hauptakteure des Zeitungskriegs waren die Zeitungsherausgeber Fritz Molden und Ludwig Polsterer sowie die Journalisten Hans Dichand und Gerd Bacher. Die beteiligten Wiener Zeitungen waren „Die Presse“ von Fritz Molden, der „Kurier“ von Ludwig Polsterer und Hans Dichand sowie die Boulevardzeitungen „Bild-Telegraf“ und „Bildtelegramm“.

Regelrechte Schlammschlacht
Im Laufe der einmonatigen Schlammschlacht an den Zeitungsständen stellte sich heraus, dass die Auseinandersetzung ein durch Strohmänner ausgetragener Machtkampf zwischen den beiden Großparteien ÖVP und SPÖ war. Die ersten Neugründungen von Zeitungen in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg wurden von den alliierten Besatzungsmächten herausgegeben, die auch Radiosender betrieben. Die drei Gründungsparteien der Zweiten Republik durften Tageszeitungen (Parteizeitungen) herausgeben: die „Arbeiter-Zeitung“ (SPÖ), das „Volksblatt“ (ÖVP) und die „Volksstimme“ (KPÖ). Gemeinsam gaben die drei Parteien die Tageszeitung „Neues Österreich“ heraus. Nur sehr langsam konnten sich angesichts der Papierknappheit und der schwierigen Wirtschaftslage unabhängige Zeitungen etablieren, an deren Bestehen die Parteien auch kein echtes Interesse hatten.Unabhängige Zeitungen gab es nicht
Besonders spät setzte die Entwicklung einer unabhängigen Tagespresse in Wien ein. Erst 1948 schaffte es der Verleger Ernst Molden, die erste unabhängige Tageszeitung in Wien herauszugeben: „Die Presse“, an die traditionsreiche „Neue Freie Presse“ angelehnt. Nach Ernst Moldens Tod 1953 führte sein Sohn Fritz Molden die Zeitung weiter. Anfang der 1950er Jahre setzte österreichweit ein starker Bedeutungsverlust von Parteizeitungen und Besatzungsmedien ein, worauf in Wien zwei Boulevardzeitungen gegründet wurden.Ein harter Kampf folgte
In diesem Spannungsfeld gab es dann die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Verlegern mit gegenseitigen Strafanzeigen, Verleumdungen, Zeitungsbeschlagnahmungen usw. Auf dem Höhepunkt der Absurditäten schlägt SPÖ-Vizekanzler Bruno Pittermann dem ÖVP-Bundeskanzler Julius Raab endlich vor, was die Zeitungen allseits herbeisehnen – eine Prüfung der finanziellen Verwicklungen durch den österreichischen Rechnungshof. Die SPÖ gibt zu, Molden und das „Bildtelegramm“ finanziell zu unterstützen. Die ÖVP gesteht Beteiligungen am „Bild-Telegraf“ ein.

Endlich: Ende des Zeitungskriegs
Die Ausgaben der streitenden Zeitungen von den letzten Tagen werden vom Strafgericht beschlagnahmt. Dem „Bildtelegramm“ wird untersagt, unter diesem Namen weiterhin zu erscheinen. So wird die Zeitung von nun an namenlos fortgesetzt: Wo früher das Logo zu sehen war, prangt nun der Spruch „Unser Titel wurde beschlagnahmt.“ Am 25. März 1958 endet der Wiener Zeitungskrieg. Das ehemalige „Bildtelegramm“ stellt sein Erscheinen ein. Stattdessen erscheint die Zeitung „Express“ mit der gleichen Redaktion. Am 23. Juli 1958 stellt der „Bild-Telegraf“, der bis dahin immer noch von Hans Dichand und der Redaktion des „Neuen Kurier“ produziert wird, sein Erscheinen ersatzlos ein.

Bild: Eine Ausgabe des „Bild-Telegraf“ während des Volksaufstandes in Ungarn 1956. Urheber: unbekannt.

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