Von RA Dubravko Mandic (Fachanwalt für Strafrecht)

Am 27. Januar diesen Jahres feierte die Badische Zeitung (BZ) die Verurteilung meines Mandanten wegen einer Fotocollage, die er in seinem Küchenstudio aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen angebracht hatte und philosophierte über „Mechanismen des Protests gegen Corona-Regeln“. Das System hatte mal wieder einen Kritiker zur Strecke gebracht! „Juristisch gesehen ist dieser Fall in vielen Dingen eindeutig: Der 59-jährige Inhaber eines Lörracher Küchenstudios protestiert mit Fotos und Texten in seinem Geschäft gegen Corona-Auflagen. Darunter ist im Dezember 2020 auch ein Foto, das erkennbar einen Polizisten aus Norddeutschland zeigt und Werner Ostendorf, Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS. Die Gesichtshälften der beiden Männer sind aneinandergelegt, sie bilden in der Fotomontage zusammen ein neues Gesicht. Auf dem Plakat steht: ´Ich führe nur Befehle aus.´ Richter Dietrich Bezzel sieht darin am Ende des Verfahrens eindeutig eine Beleidigung, einen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Runen der SS und das Totenkopfabzeichen sind auf dem Foto eindeutig zu erkennen.“

Eindeutig mehrdeutig
Eindeutig ist an diesem Fall gar nichts, außer dem Umstand, dass man sich als Bürger sicher sein kann, in der ersten Instanz verurteilt und von den Medien vorverurteilt zu werden. Das Bundesverfassungsgericht und die Oberlandesgerichte haben hohe Hürden für die Einschränkung der Meinungsfreiheit gesetzt und entscheiden im Zweifel eher pro Meinungsfreiheit. Bei den Amtsgerichten hört man oft das Gegenteil von oft mäßig begabten Juristen. Oft wird klug der Zeigefinger gehoben und etwa ausgeführt: „Natürlich haben wir Meinungsfreiheit in diesem Land, aber die Meinungsfreiheit gilt nicht uneingeschränkt!“ Diese Schmalspurjuristen haben das Schrankensystem oft nicht richtig verstanden und denken, jedes Strafgesetz sei eine Norm, die die Meinungsfreiheit notwendigerweise einschränkt und hören dann mit dem Denken auf. Aber gerade dann, wenn der Tatbestand, etwa der Beleidigung nach § 185 StGB, formal erfüllt wurde, beginnt erst die eigentliche Arbeit der abwägenden Juristerei.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit
Der elementare Stellenwert der Meinungsfreiheit als ein die freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierendes Grundrecht (BVerfGE 7, 198 (208); NJW 2020, 2622 (2623)) ist bereits bei der Auslegung von Äußerungen zu berücksichtigen (BVerfGE 93, 266). Erweist sich demnach die fragliche Äußerung als mehrdeutig und lässt sie verschiedene Interpretationen zu, von denen nicht jede strafrechtliche Relevanz erfährt, darf der Tatrichter nur dann von einer zur Verurteilung führenden Deutung ausgehen, wenn er alle anderen, nicht strafbaren Auslegungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen hat (BVerfGE 93, 266 (295 f.). Zwar kann eine Äußerung als Schmähkritik aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit hinausfallen, jedoch ist der Begriff der Schmähkritik eng definiert (BVerfG 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10).

Vor Gericht
In der Praxis läuft es meistens so ab, dass die Amtsrichter vordergründig eine Abwägung vornehmen. Sie zitieren ein paar Zeilen aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und beeilen sich dann zu behaupten, dass der Angeklagte vorliegend nicht den Schutz der Meinungsfreiheit genieße, weil es ihm ja vor allem um die Schmähung der Person gegangen sei. So hieß es folglich bei der BZ:  „Das Verfahren zeigt zudem, wie heterogen das Milieu der Menschen ist, die gegen die Corona-Maßnahmen protestieren, und wie ihr Protest funktioniert – und, dass auch der Meinungsfreiheit Grenzen gesetzt sind: Der Angeklagte schildert, dass er davor nicht politisch gewesen sei oder sich für Politik interessiert habe. Das habe erst mit der Pandemie angefangen, da habe er begonnen im Internet zu recherchieren. Und auch zu Demos sei er zum ersten Mal in seinem Leben gegangen.“ An dieser Stelle könnte die Badische Zeitung ja erörtern, wie es kommt, dass bislang unbescholtene Bürger, sich plötzlich vor dem Strafrichter verantworten und rechtfertigen müssen.

Der Rundumschlag
Stattdessen folgt ein Rundumschlag, mit dem der Angeklagte einfach in die Schublade der Verschwörungstheoretiker gesteckt wird: „Die Gegner der Corona-Auflagen nutzen Provokationen für ihren Protest und missachten Gesetze: Vergangene Woche hat das Amtsgericht Freiburg einen Mann verurteilt, der bei Demos ein Schild mit an die NS-Zeit angelehnten Phrasen herumtrug. Und auch das Bild, das der Angeklagte in diesem Verfahren nutzte, ist Ermittlern bekannt: Ein Beamter der Kriminalpolizei schildert im Zeugenstand, dass er in einem weiteren Fall im Landkreis Lörrach ermittelt habe, bei dem dieses Plakat verwendet wurde. Man findet es auch in einer Telegramgruppe von “Querdenken Lörrach”, es wurde dort am 3. Januar 2021 gepostet.Ebenfalls typisch für die Protestszene ist die Nutzung von angeblich seriösen Quellen. Deutlich wird dies beim Angeklagten, als er sagt, dass viele Texte in seinem Schaufenster Fußnoten hätten. In einer Pause zeigt er seinem Verteidiger, der ehemalige AfD-Politiker Dubravko Mandic, einen Text, in dem es offensichtlich um Daniele Ganser geht. Dieser bezeichnet sich selbst als Friedensforscher, fällt aber immer wieder mit Verschwörungserzählungen auf. Mehrere Forscher aus unterschiedlichen Fachrichtungen kritisieren seine Aussagen.“

Sich wehren ist wichtig
Leider wehren sich die meisten Bürger nicht gegen die ehrabschneidenden Strafprozesse der Justiz wegen Meinungsdelikten. Die meisten Bürger schrecken auf, wenn sie Post von der Polizei oder dem Gericht bekommen und ziehen den Kopf ein. Und die, die sich wehren, bekommen gerade vor den Amtsgerichten nicht Recht. Mit jeder Instanz steigt zudem auch das Prozesskostenrisiko und auch darauf kann die Staatsanwaltschaft spekulieren. Ein guter Anwalt muss den Mandanten im Zweifel auch motivieren, wenn es sich zu kämpfen lohnt. Hier war der Kampf – vorerst – erfolgreich. Auf meine Sprungrevision hin wurde das Verfahren an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lörrach zurückverwiesen.

Hier der Link zum Artikel der Badischen Zeitung!

Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com, oben: icedmocha / Shutterstock.com

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