Von Klaus Schäfer

Eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung wurde am 21. Juli im Amtsgericht Freiburg verhandelt. Angeklagt waren die drei bulgarischen Staatsbürger Y. A., I. I. sowie die Ehefrau des Ersteren, A. V. wegen gefährlicher Körperverletzung. Sie wurden vertreten durch die  Rechtsanwälte Lober, Berthold sowie Mandic. Der Verhandlung war eine Sitzung in derselben Sache vorausgegangen, bei welcher der Verfasser dieser Zeilen nicht anwesend war. In diesem Bericht liegt der Schwerpunkt folglich auf den Aussagen der zweiten Verhandlung, die durch das Gerichtsurteil abgeschlossen wurde. Das Verfahren wurde durch eine Dolmetscherin begleitet, die teilweise simultan übersetzen musste.

Was war geschehen?
Im Jahre 2021 traf sich eine Gruppe von Menschen zu einer abendlichen Feier in einer kleinen Freiburger Kneipe. Die Gruppe bestand wohl überwiegend aus bulgarischen Staatsangehörigen, mehrere von ihnen wohl im Baugewerbe in Freiburg tätig. Nachdem man friedlich bis in die tiefe Nacht hinein gefeiert hatte, kam es in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages auf dem Hof der Kneipe zu einer kurzen Schlägerei, in deren Verlauf einer der Beteiligten zu Boden ging. Angeblich wurde auf diesen, nun am Boden Liegenden, weiterhin eingeschlagen. Der vorgeblich Geschädigte erhob Strafanzeige gegen die angeblichen Täter. So kam es zu dem Prozess.

Die Anklage
In ihrer Anklageschrift verlas die Staatsanwältin Dr. Seith, die Geschehnisse, wie diese sich aus der ihr vorliegenden Aktenlage ergaben. Daraus ging hervor, dass die drei Angeklagten den Sturz des Geschädigten, N. A., verursacht hatten. Eine zufällig herbeigekommene, nicht zu der Gesellschaft gehörende Zeugin bestätigte, dass sie beobachtet hätte, wie die Beschuldigten auf den Geschädigten eingeschlagen hätten. Diese Zeugenaussage spielte bei der Urteilsbegründung durch den Richter Dr. Müller eine entscheidende Rolle.

Die Verhandlung
Die Beschuldigten waren der deutschen Sprache kaum beziehungsweise nicht mächtig. So mussten die Fragen des Gerichts übersetzt werden, was auch für die Antworten der Angeklagten galt. Trotz der ausgezeichneten Arbeit der Übersetzerin kam es so immer wieder zu Verzögerungen. Oftmals beantworteten die Angeklagten die Fragen nicht exakt, sondern schweiften ab, sodass häufig nachgefragt werden musste. Vernehmungen der Zeugin S., die nur zufällig in einem PKW am Hof der an  einer Straße gelegenen Kneipe vorbeigefahren war und angehalten hatte, sowie eines Kneipenbesuchers Su., aus Albanien stammend, waren bei der ersten Verhandlung vorgenommen worden. Den längsten Teil der Verhandlung nahm die Befragung des Angeklagten A. ein, der vom Gericht aufgefordert wurde, den Verlauf des Abends beziehungsweise der Nacht aus seiner Sicht zu schildern.

Aus Angeklagtensicht
Er berichtete über den zunächst feuchtfröhlichen und friedlichen Verlauf des Abends in besagter Kneipe. Er sowie die beiden anderen Angeklagten saßen mit einer Gruppe anderer Gäste an einem Tisch. Nach einer Weile sah er, dass der Geschädigte N. mit zwei weiteren Männern, dem aus Albanien stammenden Zeugen Su. sowie einem anderen Albaner, an der Bar Platz genommen hatte. Der Angeklagte A. lud diese Drei zu einem Getränk an der Bar ein. Er tat dies um einer freundlichen Geste willen. Die Rechnung für die Getränke beglich er später beim Wirt. Nach einer Weile versuchte N. immer wieder mit seinem Stuhl immer näher an den Tisch der friedlich Feiernden heranzurücken. Dabei habe N. ihn und andere wiederholt zu provozieren versucht. N., Bordellbetreiber, habe unter anderem Frauen angeboten. A. und die Gruppe am Tisch habe sich jedoch nicht provozieren lassen.

Der erste Schlag?
Noch in der Bar habe N. auf einen der Anwesenden plötzlich eingeschlagen. Nach Auffassung des Angeklagten A. sind die beiden jedoch alte Freunde. So stand A. auf und fragte N., warum er denn auf D. eingeschlagen habe. Die Beteiligten gingen zum Ausgang der Bar. In diesem Moment sei A. von dem weiteren Anwesenden Su. gestoßen und am Finger verletzt worden. Danach, nun schon vor der Eingangstüre, sei A. von jemandem von hinten gepackt und zu Boden gebracht worden. A. sei dann wiederaufgestanden und habe in Panik auf denjenigen zurückgeschlagen. Dabei wusste A. zunächst nicht, wer ihn von hinten angegriffen hatte. So habe er auch nicht gewusst, auf wen er dann zurückschlug. Für ihn habe sich erst danach herausgestellt, dass dies der Geschädigte N. war. Schließlich bildete sich eine Menschentraube um beide herum. A. sei dann zu seinem Auto gegangen, um mit seiner Frau und anderen den Ort zu verlassen.

Alles sehr unklar
Richter Müller lag eine Zeugenaussage vor, nach welcher auf den nun am Boden liegenden Geschädigten N. von oben herab geschlagen worden sei. A. bestritt dies jedoch. Ferner war unklar, wie denn N. zu Boden gebracht worden war. Wegen des verletzten Fingers, bedingt durch den Angriff von Su., wurde A. dann für eine Woche krankgeschrieben. I. betonte, dass er zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sei und hier erst zum zweiten Mal eine Bar besucht habe. Auf kurze Befragung bestätigte der Angeklagte I. die Aussagen von A. I. habe jedoch von der Schlägerei auf dem Hof erst von der Frau von D. erfahren. Die Ehefrau von A., die Angeklagte V., sagte aus, dass sie die Sache schlichten wollte. Unabhängig davon unterstrich sie, dass der Geschädigte N. behauptet habe, am nächsten Tag, einem Sonntag, zu arbeiten, dieser jedoch tatsächlich nicht arbeite. Fernerhin habe N. damit geprahlt, etwa 15.000 Euro an Schmerzensgeld über eine Anklage herausholen zu wollen. Richter Müller gab noch bekannt, dass die durch die herbeigerufene Polizei gemachten Blutproben der Angeklagten A. und I. um die zwei Promille, beim Geschädigten N. gut ein Promille sowie beim Zeugen Su. 0,5 Promille an Alkohol im Blut ergeben hatten.

Die Plädoyers
Staatsanwältin Seith erwähnte insbesondere die Aussage des Zeugen Su., welcher beobachtet habe, wie die drei Angeklagten auf den am Boden liegenden N. eingeschlagen hätten. Sie ging davon aus, dass Su. und der Geschädigte N. nicht, wie vom Angeklagten A. behauptet, gute Freunde seien. Dies ergebe sich allein schon aus der Tatsache, dass beide verschiedene Sprachen sprächen. Ferner führte sie die Aussage der Zeugin S. auf , die nur zufällig mit ihrem PKW am Ort des Geschehens vorbeigekommen sei und beobachtet habe, dass eine am Boden liegende Person, von einer Menschentraube umgeben, von drei Personen geschlagen worden sei. Eine besondere Gefährlichkeit sei wegen des gemeinschaftlichen Vorgehens gegeben. Strafmildernd sei, dass die Angeklagten keine Vorstrafen haben, es sich also um eine einmalige Angelegenheit handelt. Ferner seien die Provokationen des Geschädigten N. Ursache des Geschehens gewesen. Und schließlich haben die hohen Promillewerte der Angeklagten zu einer Herabsetzung der Hemmschwelle geführt. Folglich handele es sich um einen minderschweren Fall, für welchen Tagessätze, jedoch kein Freiheitsentzug angebracht seien.

Zum Angeklagten A.
Weil der Angeklagte A. sehr lange befragt worden war, übernahm dessen Verteidiger, Rechtsanwalt Lober, den längsten Teil des Plädoyers der Verteidigung. Er unterstrich, dass sein Mandant A., um jeden Streit zu vermeiden, dem Geschädigten N. nebst zwei weiteren Anwesenden ein Getränk an der Bar ausgegeben habe, sobald er N. erblickt habe. Auch reagierte A. nicht auf wiederholte Provokationen und versuchte immer wieder auf freundliche Art und Weise, N. davon abzuhalten, sich an den Tisch der Feiernden zu setzen. Ferner habe der Zeuge Su. während der Schlägerei das WC aufgesucht und folglich das Geschehen nicht selbst gesehen. Von der Polizei seien ihm später nur Bilder von denjenigen Personen gezeigt worden, welche die Polizei für die möglichen Täter gehalten habe. Die Zeugin S. habe bei der Aussage im Zeugenstand teilweise andere Angaben gemacht als zwei Jahre zuvor bei der Polizei. Zunächst sprach sie von Tritten, später dann von Schlägen nach unten. Rechtsanwalt Lober stellte bildhaft dar, dass man, wenn man einer am Boden liegenden Person Schläge versetzen will, sich hinknien müsse. Dies habe die Zeugin jedoch nicht so geschildert. Der Zeuge D. habe zu den Vorgängen draußen keine genauen Angaben machen können. Er bestätigte  lediglich, von N. in der Kneipe niedergeschlagen worden zu sein. Den Plädoyers der Rechtsanwälte Berthold und Mandic konnte man entnehmen, dass der Barbesitzer dem Geschädigten Hausverbot ausgesprochen habe. Ferner hätten sich die Beteiligten nach der Schlägerei unterhalten und der Geschädigte verwies nach der Schlägerei nochmal darauf Schmerzensgeld von mehr als 10.000 Euro anzustreben.

Das Urteil
Die Angeklagten wurden von Richter Müller wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, da sie gemeinschaftlich auf den am Boden Liegenden eingeschlagen und getreten hätten. Der Angeklagte A. erhielt 160 Tagessätze zu je 40 Euro, der Angeklagte I. 140 Tagessätze zu je 40 Euro und die Angeklagte V. 90 Tagessätze zu 40 Euro. 

Bewertung: Eine eindeutige Beweislage?
Beim Publikum, das nur diese Folgeverhandlung beobachtet hatte, aus dem ersten Prozesstag also nur die Zeugenaussagen kannte, verblieb ein gewisser Zweifel an der Nachweisbarkeit der Tat. Laut Aussage der Zeugin S., die nur zufällig mit ihrem PKW an dem Vorplatz der Kneipe vorbeigekommen war, schlugen drei Personen auf einen am Boden Liegenden ein. Um diesen herum stand eine Menschentraube. Letzteres war von allen Beteiligten bestätigt worden, wodurch hieran also kein Zweifel besteht. Wie jedoch hatte jemand durch die Menschenmenge hindurch beobachten können, dass drei konkrete Personen auf den Geschädigten eingeschlagen hatten? Eigentlich verdeckt doch eine Menschentraube zumindest den unteren Teil des Sichtfeldes. Und ferner: wie ist es möglich, nachts, also nur bei Hofbeleuchtung, die Gesichter der drei Schlagenden zu erkennen? Unabhängig davon hatte der Angeklagte A. von Beginn an versucht, den Geschädigten N. durch seine Einladung an der Theke bei guter Laune zu halten. Und weiterhin war die Schlägerei die Folge davon, dass der Geschädigte N. in der Kneipe den Zeugen S. zu Boden geschlagen hatte. Und schließlich wurde der Angeklagte A., nachdem er sich bei N. nach dem Grund erkundigt hatte, warum er denn S. geschlagen habe, vom Geschädigten vor der Türe der Kneipe zu Boden gebracht. Er reagierte also nur. Ein für den Verfasser dieser Zeilen nicht nachvollziehbares Urteil, zumal die Vorgeschichte doch selbst dann, wenn die Angeklagten tatsächlich auf den am Boden Liegenden eingeschlagen haben, deutlich strafmildernd hätte wirken sollen. Ferner verzichtete A. darauf, Strafanzeige gegen den Geschädigten N. zu stellen, obwohl zunächst N. ihn gepackt und zu Boden gebracht hatte. Auf die Frage des Gerichts, warum er sich denn so entschieden habe, antwortete er, dass er nach Deutschland gekommen sei, um hier zu arbeiten.

Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com, oben: Salivanchuk-Semen / Shutterstock.com

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