Von Achim Baumann

Polen wird zunehmend mächtiger. Es erhält zwar immer noch mehr aus der EU als es einzahlt, aber der Lebensstandard ist in den vergangenen Jahren merklich gestiegen, in der Bundesrepublik ist er dagegen im freien Fall. “Polen schneidet im Vergleich mit anderen Ländern des Better-Life-Index nach einigen Messgrößen der Lebensqualität gut ab. Seine Werte liegen über dem Durchschnitt in den Bereichen soziale Bindungen und Bildung”, heißt es beispielsweise bei der OECD. Der Focus versteigt sich sogar zur Feststellung: “Polen ist das Land mit der positivsten Einstellung zum Kapitalismus. Radikale Wirtschaftsreformen holten das Land aus der Armut.” Ja, der Wirtschaftsaufschwung ist in Polen deutlich spürbar. Das dürfte auch mit einer rigiden Migrationspolitik zu tun haben. Und wer wirtschaftlich erfolgreicher ist, wird auch zunehmend selbstbewußter. Das gilt auch für Staaten und aktuell ganz besonders für Polen.

Polen fordert Reparationen
Und so wundert es nicht, dass Polen gerade erneut von Deutschland Wiedergutmachung für die NS-Besatzungszeit fordert. Das passt ins Bild, denn derzeit wird schon lauthals gefordert, Russland müsse nach dem Krieg mit der Ukraine finanzielle Gutmachung leisten. Polen hängt sich an die Forderung gegenüber Russland ran und wittert Morgenluft für eigene Forderungen gegenüber der Bundesrepublik. Und die Deutschen sind eben nicht gerade dafür bekannt, selbstbewusst und souverän aufzutreten. Dabei hat man eine große Chance verpasst.

Bundesregierung unter Merkel verpasste Chance
Denn es ist gar nicht mal so lange her, dass Polen Mitglied der EU wurde. Im Jahr 2004 war es soweit. Gemeinsam mit Tschechien wurde Polen am 1. Mai des Jahres vollwertiges EU-Mitglied. Die völkerrechtswidrigen bekannten Ben-Dekrete in der Tschechei und die weniger bekannten, aber ebenso völkerrechtswidrigen Bierut-Dekrete in Polen hätten ein Hindernis für die Aufnahme in die EU sein können, ja sogar müssen. Denn beide Dekrete legitimierten und legitimieren nach wie vor die völkerrechtswidrige Vertreibung von 12 Millionen Deutschen aus Böhmen, Mähren, Schlesien, Pommern etc., aber auch die Beschlagnahmung deutschen Besitzes und natürlich die Besetzung deutschen Gebiets, letzteres ging erst durch den 2+4-Vertrag endgültig an Polen. Ja, da hätte die Merkel-geführte Bundesregierung kräftig auf den Tisch hauen und die Aufhebung der Dekrete fordern müssen. Genau so, wie es die zahlreichen Unionsvertreter bei unzähligen Treffen der Vertriebenen immer wieder angekündigt und versprochen hatten. Aber dass die Union die Vertriebenen jahrzehntelang lediglich als Stimmvieh missbrauchte, knallharten Reden niemals etwas folgte, sollte mittlerweile nicht zu bestreiten sein. Und so ließ man Polen und Tschechien gewähren, so verriet man erneut 12 Millionen Deutsche, die mit Gewalt vertrieben und von ihrem Hab und Gut befreit wurden. Ein Skandal ersten Ranges, hätte man das nicht einfach unter den Tisch gekehrt. Die Einheit der EU sei wichtiger, hieß es kurz und knapp von Angela Merkel – und damit beendete der politisch-mediale Komplex die Debatte.

Die Büchse der Pandora
Nun will Polen also daran festhalten, Reparationen zu erhalten. Astronomische Summen werden seitens der polnischen Regierung in den Raum gestellt. Man taxiert die Entschädigungsleistungen auf insgesamt 1,3 Billionen Euro. Die Summe ist das Ergebnis, das eine polnische Expertengruppe fünf Jahre lang evaluiert hat. “Die Deutschen haben ihre Schulden nicht beglichen und wir lassen nicht locker”, behauptet der mächtigste Mann in Polen Jaroslaw Kaczynski. Kein Wunder, das Thema eignet sich gut für den Wahlkampf – und im Herbst ist Parlamentswahl. Wie reagiert nun die Bundesregierung? Recht vehalten, es antwortet den mittlerweile schriftlich eingegangenen Forderungen nicht etwa der Bundeskanzler oder ein Minister, sondern ein in der Hierarchie untenstehender “Beauftragter”. Der Koordinator der Bundesregierung für die grenznahe Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik, der SPD-Abgeordnete Dietmar Nietan, antwortete Polens Vizeaussenminister und teilte lapidar mit, dass die Reparationsfrage juristisch abgeschlossen sei.

Der Trick mit der Besetzung
Die Bundesrepublik bezieht sich dabei auf eine Äußerung des polnischen Ministerpräsidenten Boleslaw Bierut aus dem Jahr 1953, der damals gesagt haben soll, dass Polen ab dem 1. Januar 1954 auf Reparationsforderungen gegenüber Deutschland verzichten werde. Polen behauptet aber, dass das Land damals von der Sowjetunion besetzt war und nicht souverän entscheiden konnte, weshalb die Erklärung von Bierut null und nichtig sei. Wenn das als stichhaltiges Argument zieht, könnte man aber auch auf deutscher Seite argumentieren, dass auch die Bundesrepublik nie souverän gewesen ist und niemals freiwillig auf die deutschen Ostgebiete verzichtet habe. Denn was für Polen gelten soll, müsste auch für uns gelten. Eine souveräne Bundesrepublik würde so argumentieren, anschließend eine Gegenrechnung aufmachen und selbstverständlich auf eine weitaus höhere Gegenforderung kommen. Selbst die Rückgabe der Ostgebiete könnte sie in den Raum stellen. Aber was möchte man von Politikern wie Olaf Scholz oder Annalenba Baerbock erwarten? Die sind nicht anders zu bewerten als die Verzichtspolitiker um Merkel, Seehofer, Waigl etc. Selbstbewußte Politiker hingegen würden sagen: Reparationen nur gegen Rückgabe der okkupierten Gebiete oder Ausgleichszahlungen und Wiedergutmachung!

Beitragsbild / Symbolbild: RODWORKS / Shutterstock.com.

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