Von Klaus Schäfer

Eine Hauptverhandlung wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Beleidigung wurde am 6. Juli im Amtsgericht Freiburg geführt. Dem tunesischen Staatsbürger A. wurde vorgeworfen, mit bei einer Hausdurchsuchung vorgefundenem Rauschgift gehandelt sowie einen Mitarbeiter einer Freiburger Tankstelle beleidigt und bedroht zu haben. Der durch die Staatsanwältin vorgelesenen Anklageschrift entnahm man neben der Anklage, dass A. bei Gericht bekannt sei und in einem der erwähnten Fälle eine kurzzeitige Freiheitsstrafe auf Bewährung erhalten habe. 

Private und berufliche Situation des Angeklagten, Vorstrafenregister
Wie üblich befragte der Richter Peterson den Angeklagten nach seinem Werdegang. A. wurde 1970 in Tunesien geboren und wuchs dort auf. Er besuchte sechs Jahre lang die Schule und verließ diese im Alter von elf Jahren. Was in den Jahren bis zu seiner dreijährigen Ausbildung als Schweißer in Tunesien geschah, war akustisch nicht zu verstehen, er lebte wohl bei seiner Familie mit seinen neun Geschwistern. So sprach der Angeklagte die deutsche Sprache zwar gut und verstand das meiste von dem, was ihm gegenüber vorgetragen wurde, sprach jedoch mit einem harten Akzent und argumentierte so schnell, dass nicht nur die Öffentlichkeit häufig ganze Satzpassagen nicht verstehen konnte. Wiederholte Bitten der Prozessbeteiligten, doch bitte langsamer zu sprechen, waren nur von kurzer Wirkung. Folglich hat der Verfasser dieser Zeilen seinen Bericht im Wesentlichen aufgrund von Aussagen aller anderen Prozessbeteiligten verfasst.

A. arbeitete in Tunesien
In seiner Heimat arbeitete er acht Monate lang in seinem gelernten Beruf und wechselte danach zwischen verschiedenen Jobs, zum Beispiel als Animateur in einem lokalen Club und vier Jahre lang als Geschäftsführer in einem Café. 1997 reiste er nach Deutschland aus in den Freiburger Raum. Bei Müllheim lernte er seine Frau kennen, die er zwei Jahre später ehelichte. 2011 erfolgte die Scheidung. Nach wie vor hat er jedoch eine gute Verbindung zu seiner früheren Ehefrau. Er nahm verschiedene Tätigkeiten an, war zwischendurch auch arbeitslos und arbeitet nun bei einer Sicherheitsfirma. Dort arbeitet er je nach Auftragslage für unterschiedliche Auftraggeber, zur Zeit bewacht er u.a. ein Lörracher Schwimmbad. Er habe etwa 2000 Euro Schulden. Ferner sei er drogenabhängig und konsumiere diese regelmäßig. Der Angeklagte machte einen ordentlichen, gepflegten Eindruck und verhielt sich gegenüber allen Prozessbeteiligten absolut korrekt. Seine südländisch-feurige und erzählfreudige Art ließ nicht das Verschweigen essentieller Tatbestände vermuten. Manche Gestik und plastische Darstellung des Geschilderten wirkten indes erheiternd auf das Publikum.

Die Verhandlung
Wie oben unter erwähnt, waren es zwei Ereignisse, die ihm vorgeworfen wurden: Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Beleidigung und Bedrohung eines Tankstellenmitarbeiters. Was war vorgefallen? Wegen Ruhestörung wurde – wohl von Nachbarn – die Polizei gerufen. Diese entdeckte beim Betreten der Wohnung von A. eine Reihe kleinerer Päckchen mit Marihuana. Das zum Innenhof des Hauses gelegene Fenster stand offen. Die Polizei untersuchte den dort befindlichen Rasen erfolgreich nach weiterem Material. Dem verlesenen Polizeibericht konnte entnommen werden, dass die Lage der Päckchen auf dem Rasen darauf schließen ließ, dass diese aus dem Fenster des Angeklagten geworfen worden waren. Ebenso ließ sich ermitteln, dass diese nur kurz dort gelegen haben müssen, folglich also – wohl – beim Klingeln der Polizei in der Wohnung hinausgeworfen worden waren. Insgesamt wurden 53 Tütchen Marihuana gefunden sowie 0,01 Gramm Kokain. Weitere Päckchen wurden von der Polizei vor dem Fenster auf der Straßenseite gefunden.

Auch das LKA war beteiligt
Richter Peterson verlas fernerhin einen Untersuchungsbericht des Landeskriminalamtes. Aus diesem ergab sich, dass A. zumindest eines der Päckchen angefasst haben müsse. Interessant erschien dabei dem Publikum die Detailliertheit, mit welcher mittlerweile DNA-Spuren nachgewiesen werden können. Dabei war die eine Theorie 10 hoch 13 mal wahrscheinlicher als die andere, was mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließ, dass A. zumindest eines der Päckchen angefasst haben müsse. Insgesamt handelte es sich um 947 Konsumeinheiten im Wert von 800  Euro. Damit sei der Wert einer „geringfügigen Menge“ um das 1,89 fache überschritten worden. Bei der Hausdurchsuchung hielten sich neben A. vier weitere Männer mit arabisch klingenden Namen in der Wohnung auf, gegen die die Verfahren eingestellt worden waren. Ferner fand die Polizei 190 Euro in der Wohnung. Der Angeklagte bestätigte den Besitz der Tütchen sowie des Geldes. Ferner gab er zu, die Tütchen aus den Fenstern geworfen zu haben. Jedoch habe er noch nie mit Rauschgift gehandelt.

Der zweite Vorwurf
Der zweite Anklagepunkt war ein Vorfall, der sich im April 2022 in einer Freiburger Tankstelle zugetragen hatte: Einer der Tankstellenangestellten bat wegen Überfüllung des Verkaufsraumes  einen Kunden draußen zu warten, bis mehr Platz sei. Daraufhin soll A. den Mitarbeiter beleidigt haben mit den Worten „Du Hurensohn, mach` Deine Arbeit“, „Wann hast Du Feierabend, ich warte auf Dich draußen“. Bei der Zeugenvernehmung bestätigte der Mitarbeiter diese Sätze. Der Angeklagte bestritt dies, gab jedoch zu, den Mitarbeiter mit anderen Schimpfwörtern beleidigt zu haben. Auch die Ereignisfolge bestätigte A. Nach Abschluss der Verhandlung gab Richter Peterson der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger Schmidt sowie dem Angeklagten Gelegenheit zum abschließenden Vortrag. Die Ansichten der Juristen lagen in vielen Punkten nicht sehr weit auseinander. Daher verzichtet der Verfasser dieser Zeilen auf die Wiedergabe der Plädoyers und beschreibt im Folgenden die Argumentation für das Urteil.

Das Urteil
Das Gericht, neben dem Richter aus zwei Schöffen bestehend, verhängte eine Bewährungsstrafe mit Auflagen. Der Angeklagte übernimmt die Verfahrenskosten. Zunächst begründete das Gericht sein Strafmaß in Sachen Rauschgift. Die entscheidende Frage war hierbei, ob Handel oder Besitz vorliege. Außer den erwähnten 190 Euro wurde kein Bargeld gefunden. Dem während der Razzia in Polizeigewahrsam genommenen Handy des Angeklagten konnte nicht entnommen werden, dass dieser Handel treibt oder Schulden hat. Üblicherweise deckt ein Rauschgiftabhängiger seinen Tagesbedarf durch den Kauf kleinerer Rationen ab. In diesem Fall wurde jedoch der Bedarf einer Person für etwa ein halbes Jahr gefunden. Dies könnte auf einen Handel schließen lassen. Das Gericht folgte jedoch der Argumentation von Verteidiger RA Schmidt, welcher in seinem Plädoyer betonte, dass sich der Vorfall während der Zeit von Covid-19 ereignet hatte. Er legte ausführlich dar, dass aufgrund von Ausgehverboten und stärkeren Kontrollen als gewöhnlich ein fast tägliches Treffen an einem der bekannten Umschlagplätze für Drogen nicht ratsam gewesen sei. Somit sei es erklärlich, dass A. für sich selbst einen größeren Vorrat gekauft habe. Ein Handel sei ihm nicht nachzuweisen. Folglich sei nur der Besitz der Droge strafbar. Ferner handele es sich um einen minderschweren Fall, zumal die Mindeststrafmenge nur um das 1,89 fache überschritten worden sei. Richter Peterson bemerkte, dass man da ganz andere Fälle habe mit einer vielhundertfachen Überschreitung der nicht strafbaren Höchstmenge. Ferner habe A. den Besitz der vorgefundenen Drogen eingeräumt. Des Weiteren lag die letzte Verurteilung im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz 17 Jahre zurück. Andererseits sei die Droge aber nicht ungefährlich; sie liege im unteren Spektrum der Gefährlichkeit.

Die Strafe
Das Gericht verhängte hierfür fünf Monate Freiheitsentzug auf Bewährung. Ferner habe A. 1000 Euro an die „Drogenhilfe“ zu entrichten, zahlbar in zehn Raten zu je 100 Euro. Sodann kam die Sprache auf den Beleidigungsvorfall. Auch hier folgte das Gericht der Argumentation der Verteidigung: A. sei bekannt dafür, im Falle von Gereiztheit starke Worte zu verwenden. So seien die Beleidigungen gegenüber dem Angestellten der Tankstelle für seine Verhältnisse nicht unüblich gewesen. Nichtsdestoweniger erhielt der Angeklagte hierfür 60 Tagessätze. Beide Strafen gemeinsam wurden auf sechs Monate Haftstrafe auf Bewährung aufgerundet. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. In dieser Zeit hat sich A. einmal im Monat beim Gericht zu melden und diesem einen möglichen Umzug auch mitzuteilen.

Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com, oben: Salivanchuk-Semen / Shutterstock.com

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