Von Klaus Schäfer
Bei diesem Verfahren ging es um einen Mann, der sich durch einen Dritten einen elektronischen Datenträger mit kinderpornographischem Inhalt geben ließ, das Video anschaute und schließlich via Facebook an eine dritte Person weiterleitete. In ihrer Anklageschrift verlas die Staatsanwältin Novak die Geschehnisse. Dem Angeklagten, M., wurde der Besitz sowie die Weiterleitung eines Datenträgers mit pädophilem Inhalt vorgeworfen. Auf dem Video wurde gezeigt, wie ein Junge im Kindergartenalter einer Frau in die Geschlechtsteile fasst. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor.
Die Verhandlung
Der Angeklagte, in Deutschland aufgewachsen, fließend deutschsprachig, bosnien-herzegowinischer Staatsbürger, machte während der gesamten Verhandlung einen ruhigen, kooperativen Eindruck. Da der Tatvorwurf einfach und schnell zu schildern war, verblieb für den Richter Liepold ausreichend Zeit, den Angeklagten nach seiner persönlichen Situation zu befragen. Der Angeklagte, Ende 20, lebt in stabilen familiären Verhältnissen im Raum Freiburg. Gemeinsam mit seinen Eltern bewohnt er in einem Mehrfamilienhaus, in welchem auch sein Bruder nebst Ehefrau leben, eine Wohnung. Nach der Hauptschule besuchte er eine Realschule, an welcher er die Mittlere Reife erwarb. Eine Ausbildung im metallmechanischen Bereich mit Abschluss schloss sich an; über seine Zeitarbeitsfirma erhielt er verschiedene Arbeitsstellen im Freiburger Raum. Unterschiedliche Gründe, die nach seiner Darstellung nichts mit seiner Leistung am Arbeitsplatz zu tun hatten, hätten immer wieder zu einer Begrenzung der Aufenthaltszeiten in den Firmen geführt. Zurzeit sei er arbeitslos, habe aber eine Arbeitsstelle in Aussicht. Das Publikum erfuhr, dass er an sehr starkem Übergewicht leidet. Mehrere Versuche abzunehmen, seien fehlgeschlagen. Er habe sich entschlossen, eine Magenverkleinerung vornehmen zu lassen. Die neue Stelle werde er nur wenige Tage danach antreten. Dieses Gewichtsproblem, das M. schon seit seiner Kindheit habe, wiege in seinem Leben schwer. Sogar am Arbeitsplatz mache es ihm Probleme.
Das Video
Auf die Frage des Richters, warum er denn das Video mit pädophilem Inhalt angenommen und angeschaut habe, antwortete M., dass dies aus Neugier geschehen sei. Mit einer gewissen Zurückhaltung, jedoch in der Sache klar, fragte Richter Liepold den Angeklagten nach seinen sexuellen Neigungen. M. bestätigte, dass er sich weder für Männer noch für Kinder interessiere, sondern dass er nur an Frauen Interesse habe. Schließlich schauten sich Richter Liepold sowie seine beiden Schöffen Bilder aus dem fraglichen Video an. Die eingangs gemachten Aussagen über den Inhalt des Filmes, insbesondere die Tatsache, dass dabei ein drei- bis vierjähriges Kind beteiligt war, wurden durch das Gericht bestätigt.
Eine Zeugenaussage
In den Zeugenstand wurde eine Sachbearbeiterin, Mitarbeiterin der Kriminalpolizei Freiburg, gerufen. Hintergrund der Frage des Richters war, wie denn die Polizei auf den Angeklagten aufmerksam geworden sei und warum sie eine Hausdurchsuchung vorgenommen habe. Die Kripomitarbeiterin erläuterte, wie die Tat aufgedeckt wurde. Dabei wurde ein Überwachungssystem beschrieben, das dem Publikum bis dato nicht bekannt war: Es gäbe eine amerikanische Behörde, bei welcher man zweifelhafte Videos angeben könne. Dies war im Fall von M. Ende vorletzten Jahres geschehen. Diese US-Behörde habe dann die IP-Adresse des Senders ermittelt und die Sache an das deutsche Bundeskriminalamt weitergeleitet. Von diesem wurde M. als Anschlussinhaber identifiziert. Sodann wurden die Daten an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg weitergegeben, welches wiederum die Freiburger Kripo informierte. Diese stellte fest, dass der Angeklagte der Polizei nicht bekannt war. Die Kripo Freiburg überprüfte das Video. Daraufhin entschied sich die Kripo, den Fall an die Staatsanwaltschaft Freiburg weiterzugeben.
Die Durchsuchung
Unabhängig von diesem Fall wurde von der Polizei ein Aktionstag festgelegt, an welchem viele Fälle „vollstreckt“ werden sollten. Damit waren unter anderem Hausdurchsuchungen gemeint. Davon war auch M. betroffen. Dieser wurde in seiner Wohnung zusammen mit seinen Eltern angetroffen. M. verhielt sich kooperativ. Ferner wurde an seinem Arbeitsplatz sein Mobiltelefon sichergestellt. Aus keinem der sichergestellten Medienträger ergab sich irgendein Verdacht auf den Handel, die Verbreitung oder nur die Beschäftigung mit kinderpornographischen Inhalten.
Aus der Sicht der Staatsanwältin
Die Verhandlung ergab keine neuen Tatsachen. Folglich konnte die Staatsanwaltschaft ihre Rede kurz fassen. Staatsanwältin Novak forderte 13 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung; das Strafgesetzbuch erlaube in diesem Fall keine Strafe unter einem Jahr. Sie plädierte für einen Bewährungshelfer, da sie sich nicht vorstellen könne, dass der Angeklagte die Tat ohne jede pädophile Neigung begangen habe. Ein Bewährungshelfer könne M. dabei helfen, hiervon abzukommen. Eine relativ lange Bewährungsfrist von drei Jahren solle dem Angeklagten helfen, seine vermutlich pädophilen Neigungen abzulegen. Ferner forderte sie eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro. Sie würdigte das kooperative Verhalten von M.
Die andere Sicht
Die Strafe solle auf Bewährung ausgesetzt werden, da der Angeklagte die Tat zugegeben und sich auch bei der Hausdurchsuchung ruhig und kooperativ gezeigt habe. Ferner lägen keine Eintragungen im Führungszeugnis vor. Auch lebe der Angeklagte in geordneten, stabilen Verhältnissen, Drogen- oder Alkoholkonsum seien nicht bekannt. Auch arbeite er mehr oder weniger regelmäßig. Darüber hinaus bemühe er sich aktiv, sein Gewichtsproblem anzugehen. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Hammerstein, unterstrich, dass der Lebenslauf seines Mandanten völlig unauffällig sei. Er habe eine Ausbildung absolviert, habe aufgrund seines Gewichts Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, weise eine stabile Lebensführung nach. Eine angeblich pädophile Neigung sei durch nichts bewiesen. Es sei reine Neugier gewesen, aus der er den elektronischen Datenträger angenommen, angeschaut und an eine einzige Person weitergeleitet habe. Ferner handele es sich um einen einmaligen Vorgang. Die Hausdurchsuchung sowie die Prüfung der durch die Polizei beschlagnahmten Elektronik habe keinerlei Hinweise auf weitere Vorfälle gegeben.
Das Urteil
Das Urteil, beschlossen durch Richter Liepold sowie seine beiden Schöffen, lautete auf eine Freiheitsstrafe von 13 Monaten auf Bewährung. Es handele sich um eine Straftat, für welche nicht weniger als ein Jahr Freiheitsstrafe ausgesprochen werden könne. Ferner wurde dem Angeklagten eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro auferlegt, zu zahlen in zehn Raten zu je 100 Euro an eine gemeinnützige Kinderhilfseinrichtung. Dies sei M. finanziell zuzumuten; darüber hinaus würden ihn die Raten immer wieder daran erinnern, so etwas nicht noch einmal zu tun. Das Gericht würdigte alle strafmildernden, während der Verhandlung von der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger erwähnten Fakten.
Ein paar Gedanken zum Urteil
Selbstverständlich muss ein solcher Vorgang verurteilt werden. Außer Diskussion ist auch, dass es sich hierbei um eine Straftat handelt und ferner, dass sich das Gericht an das durch das Strafgesetzbuch vorgegebene Strafmaß halten muss. Nichtsdestoweniger stellt sich jedoch die Frage, ob die Mindeststrafe, hier ein Jahr Freiheitsentzug, nicht zu hoch angesetzt ist. Wie kann man denn zwischen einem solchen einmaligen Vorfall und einer gewerblichen Verbreitung von Kinderpornographie unterscheiden? Natürlich werden die Strafen bei gewerblichem Vorgehen erhöht. Nehmen wir einmal folgendes Gedankenspiel: eine regelmäßige, gewerbliche Verbreitung von Kinderpornographie würde mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet. Häufig wird der Straftäter nach 15 Jahren entlassen. Die von ihm verbreiteten Filme hatten über die Jahre hinweg Zehntausende, ja vielleicht noch mehr Kunden erreicht. Ist dann ein Verhältnis von 15 Jahren zu einem Jahr Freiheitsentzug auf Bewährung, wie im hier beschriebenen Fall, noch nachvollziehbar? Und was, wenn das Kind nicht nur – wie im hier verhandelten Fall – zwar missbraucht wurde, um eine sexuelle Handlung an einer anderen Person auszuführen, sondern auch sexuell gequält, sprich vergewaltigt wurde?
Strafe muss wirken
Andererseits dürfte eine hohe Mindeststrafe ihre Wirkung nicht verfehlen. Nur: dann sollte diese Mindeststrafe auch publikumswirksam verbreitet werden, um jeden potentiellen „Zufallstäter“ von vorneherein abzuschrecken. Schlimmer noch: wie oft werden Vergewaltiger von Kindern oder Jugendlichen mit nicht mehr nachvollziehbar geringen Strafen durch die Gerichte belegt! Häufig wird selbst bei Gruppenvergewaltigungen vom Gericht ein überdehntes Verständnis für die Täter gewährt, ja sogar ausgesprochene Freiheitsstrafen ausgesetzt. Eine Relation, die für das Publikum nicht mehr nachvollziehbar ist. Es ist die Aufgabe der Legislative, die Mindeststrafen für Pädophilie klarer von der Schwere des Falles abhängig zu machen! An oberster Stelle ist es die Politik, die hier endlich handeln sollte!
Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com, oben: Salivanchuk-Semen / Shutterstock.com
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