Von John Duke of Lancaster
Seit einigen Wochen gibt es dank des Verlages Junge Freiheit wieder eine deutschsprachige Variante der Schrift ‚Kritik an den Menschenrechten‘ des Franzosen Alain de Benoist (*1943). De Benoist gilt trotz mancherlei Kritik, die man aufgrund seiner Standpunkte zum Multikulturalismus haben kann, als Vordenker der Neuen Rechten (Nouveau Droite). Aber was hat er zu den Menschenrechten zu sagen?
Alte Ausgaben zu astronomischen Preisen
Wenn jemand vor einigen Monaten ein altes Exemplar der deutschen Übersetzung dieses Werkes bei eBay oder im Antiquariat erwerben wollte, musste er hierfür nicht selten 100 Euro oder mehr in die Hand nehmen. Dass eine Neuauflage so lange auf sich warten ließ, liegt nicht zuletzt an dem heiklen Thema, denn ein solches Buch wirkt auf den ersten Blick nahezu skandalös: De Benoist schlachtet hier nichts weniger als die ‚Heilige Kuh‘ der Globalisten, nämlich die Menschenrechtslehre.
Subjektivismus und Objektivismus
Der Philosoph stellt an den Anfang die These, dass die große Errungenschaft der Europäer und des Abendlandes die Entstehung des Gedankens der Objektivität sei. Diese Objektivität sei das Fundament von allem, auch der persönlichen Freiheit durch die Wahrheitsliebe, Wissenschaft und Philosophie. Den Gegenpart bilde der Subjektivismus, der den Menschen als ein von allem (Nation, Kultur, Familie usw.) losgelöstes Individuum definiert.
Ausdruck eines Menschenbildes?
Die Menschenrechte sind Ausdruck dieses Menschenbildes, denn subjektive Eindrücke werden hier zu allgemeingültigen Postulaten erhoben. Subjekt-Bezogenheit als Ausgangspunkt zu einem religionsähnlichen Postulat Die Menschenrechte werden aus einem Individualrecht hergeleitet. Dieses Individualrecht wird als ‚von Natur aus gegeben‘ angenommen. Der Philosoph Imnanuel Kant (1724-1804) begründet das Menschenrecht nicht aus der Natur, sondern aus der Willensfreiheit des Menschen. Pragmatischere Verfechter der Menschenrechtslehre berufen sich hingegen darauf, dass es praktisch ist, die Existenz dieser Individualrechte einfach vorauszusetzen. Die Zusicherung dieser Rechte ist vor allem im Westen ein Stück weit ‚moralischer Halt‘ in einer immer weniger werdenden religiösen Welt. Sich dem entgegenzustellen, wird als eine Freveltat angesehen, und somit werden diese Rechte zum Postulat. Der Schriftsteller Ernst Jünger (1895-1998) hat zu diesem Thema einmal den Satz formuliert:
„Wenn die Tempel verlassen werden, ziehen die Dämonen ein.“
Durch zunehmenden gesellschaftlichen Druck, diese Menschenrechte allgemein und uneingeschränkt anzuerkennen, ist ihre Wirkung dem Druck, der von einer Religion ausgeht, gleichzusetzen. Ihre Wirkung geht vielleicht noch darüber hinaus; denn in der Religion des Mittelalters und selbst der frühen Neuzeit gab es vielleicht Sanktionen gegen sogenannte Ketzer, aber es gab keine Pflicht, im Inneren an etwas zu glauben. Dabei will de Benoist keinesfalls für den Despotismus eine Lanze brechen, sondern ganz im Gegenteil aufzeigen, wie diese Menschenrechte der Selbstbestimmung der Völker und somit auch der Demokratie entgegenlaufen.
Menschenrechte als Teil des Rechts?
Die Problematik ergibt sich aus einer einfachen Überlegung: Ein auf einer Insel gestrandeter Mensch kann sein Recht nicht einklagen. Das Menschenrecht existiert für ihn in der Praxis nicht. Denkt man das weiter, wird schnell klar, dass diese Rechte immer an etwas gekoppelt sein müssen. Ein Recht kann nur darauf basieren, ein Teil einer bestimmten Gemeinschaft zu sein. Formuliert eine nationalstaatliche Verfassung Rechte, dann gelten diese für Bürger des Nationalstaates oder gegebenenfalls auch für Leute, die sich dort aufhalten.
Von den Menschenrechten zum Weltstaat
Verfechter der Menschenrechtslehre sehen Existenz der Co-Existenz vorausgehend. Die Menschenrechte definieren sich aus dem ‚a priori‘ und können nicht weiter hinterfragt werden. Die auf der westlichen Hegemonie aufbauende Menschenrechtslehre basiert zum Teil auf christlichen und abendländischen Traditionen. De Benoist bezeichnet die Menschenrechte allerdings als von der Moral verseuchtes Recht. Die Idee dahinter sei eine vereinigte Menschheit, und diese Idee gründe auf einen missionarischen Gedanken, der viel Ähnlichkeit mit den Weltreligionen aufweist. Darüber hinaus sei auch die Herleitung quasi religiös, da die Verfechter der Menschenrechtslehre keine Diskussion darüber akzeptieren, ob diese tatsächlich existieren und quasi jedem Menschen von Geburt zustehen.
Welche Rechte stehen den Menschen zu?
Die Herleitung der Menschenrechte beruht auf einem bestimmten Menschenbild, das so fast nur in Westeuropa und Nordamerika geteilt wird und darüber hinaus ständigem Wandel unterworfen ist. Der Konflikt zwischen Individualrechten und kulturellen Eigenarten ist hier nur ein Aspekt. Natürlich sind Beschneidungsriten von Frauen zum Beispiel in Teilen Afrikas zu kritisieren, aber in der Praxis stellt sich die Frage, wie die Weigerung, eine Beschneidung nicht hinzunehmen, in archaischen Gesellschaften durchzusetzen ist. Die Folge kann nur gesellschaftliche Isolation oder Migration der Betroffenen sein. Stattdessen sollte ein Aufbrechen solcher Strukturen aus dem Inneren erfolgen. Im Westen gelten die Menschenrechte, auch das bloße Recht auf Leben, nicht für Ungeborene. In den Gesetzen mancher Staaten dürfen sogar fast vollständig ausgebildete Babys noch getötet werden. Auf der anderen Seite möchten einige Verfechter der Menschenrechtslehre diese Rechte auch auf Tiere ausdehnen: „Mein Hund steht mir näher als mancher Mensch.“ Ohne diese Diskussion hier zu vertiefen, zeigt sich hier doch gleich das dünne Eis des Begriffs und der Lehre.
Kritik an dem Liberalismus
De Benoist äußert die generelle Kritik, dass die Menschenrechtslehre darüber hinaus aus Bedürfnissen – Konsum, hedonistischem Streben – Individualrechte macht. Er verweist auf die Politikwissenschaftlerin Hannah Arendt (1906-1975), welche die Meinung vertrat, dass jede Ideologie, so auch der Liberalismus, totalitär werden kann. Dieses Phänomen erleben wir gerade in zahllosen Äußerungen und auch Taten des linksliberalen Establishments. Auch das Interventionsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der NATO leitet sich aus einer moralisch überhöhten Sicht der Vertreter der Menschenrechtslehre ab. Diese bringt oft auch die Entmenschlichung des Gegners mit sich. De Benoist räumt zudem mit der These auf, dass Demokratie und Menschenrechtslehre einher gehen. Während sich in der Demokratie die Volkssouveränität zum Beispiel in Form von Wahlen oder Volksabstimmungen ausdrückt, wird die Menschenrechtslehre als ‚Wahrheit‘ gesetzt. Sie kann nur abgenickt werden, darf aber auf keinen Fall diskutiert, angezweifelt oder gar abgewählt werden.
Was bleibt als Fazit?
De Benoist kritisiert an der Menschenrechtslehre, dass allein das juridische – auf das Naturrecht bezogene – Element berücksichtigt würde. Soziokulturelle und vor allem politische Elemente aber werden nicht berücksichtigt. Somit steht die Menschenrechtslehre in direktem Gegensatz zur Lehre einer Hannah Arendt oder auch eines Carl Schmitt (1888-1985), der den Begriff des Politischen als fundamental für das Staatsrecht ansah. De Benoist führt aus, dass man den Despotismus bekämpfen und die Freiheit verteidigen sollte, begründet das aber vollkommen anders. Dies ergibt sich nicht aus dem Naturrecht, sondern aus dem Politischen und Soziokulturellen. Wenn ein Volk in Freiheit leben möchte, strebt es nach Souveränität und es ist ein politischer Akt. Dieser Ansatz führt auch zu der hohen Bedeutung der Verfassungen von Staaten oder auch der Eigenständigkeit von Regionen. Die Menschenrechtslehre ist hingegen ein Ausdruck der Globalisten, und aus diesem Grunde sind auch gut gemeinte Begriffe wie ‚Menschheitsfamilie‘ nicht unproblematisch. Der Autor dieses Artikels beendet deshalb seine Ausführungen mit einem Satz des schon erwähnten Carl Schmitt: ‚Wer vorgibt im Namen der Menschheit zu handeln, will betrügen.‘
Beitragsbild / Symbolbild und hier oben: Studio Romantic; Bildmitte: Sichon / beide Shutterstock.com; Bild darunter: Buchcover
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