Von Jan Ackermeier

Am 5. Mai 1981 stirbt der irisch-republikanische Aktivist Bobby Sands im Gefängnis Maze bei Lisburn in Nordirland nach 66 Tagen Hungerstreik. Er war Mitglied der Provisional-IRA und wurde während des Hungerstreiks für Nordirland als Abgeordneter ins Unterhaus gewählt. Sands, gelernter Karosseriebauer, wurde 1972 nach traumatischen Erfahrungen mit protestantischen Gewalttätern Mitglied der IRA. Er verbüßte wegen seiner Aktivitäten Anfang der 1970er-Jahre bereits eine Haftstrafe und wurde im September 1977 erneut zu 14 Jahren Haft verurteilt. Sands verbüßte seine Strafe im berüchtigten Gefängnis Maze (auch als „Long Kesh“, oder „H-Blocks“ bekannt).

„Unsere Rache wird das Lachen unserer Kinder sein.“ Bobby Sands
Immer wieder Proteste
Bereits seit 1976 war es immer wieder zu Protesten gefangener IRA-Mitglieder gekommen, die ihre Einstufung als politische Gefangene durchsetzen wollten. Diesen Status, der im Wesentlichen dem Status von Kriegsgefangenen entsprach, hatte die britische Regierung abgeschafft und die Häftlinge zum Tragen von Gefängniskleidung und Arbeit gezwungen. Da sie sich weigerten, die Gefängniskleidung zu tragen, verbrachten sie ihre Zeit nur mit Wolldecken umhüllt nackt in der Zelle, was in den „Blanket Protest“ führte. Da die Häftlinge Gefängnisarbeit verweigerten, wurden sie bis zu 24 Stunden am Tag in eine Zelle eingesperrt, die sie mit Urin und Exkrementen verschmutzten („Dirty Protest“), um gegen die Haftbedingungen zu protestieren. 350 Häftlinge hielten diesen Protest fast drei Jahre durch. Nachdem die Regierung unter Margaret Thatcher nicht zu Verhandlungen bereit war, kam es als weitere Steigerung der Proteste zu Hungerstreiks. Im Hungerstreik vom 1. März 1981 begann jede Woche ein weiterer Häftling mit dem Hungern, um maximalen politischen Druck auf die britische Regierung zu erzeugen.

In das Unterhaus gewählt
Kurze Zeit nach Beginn des Hungerstreiks wurde Sands zum Kandidaten für die Unterhaus-Nachwahl im Bezirk Fermanagh & South Tyrone nominiert und gewann die Wahl am 9. April. Er war damit offiziell Unterhaus-Abgeordneter, konnte jedoch sein Mandat aufgrund seiner Haftstrafe nicht antreten. Damit steigerte sich aber sein Bekanntheitsgrad und der propagandistische Wert seines Hungerstreiks. Bobby Sands starb am 5. Mai 1981 nach 66 Tagen hungern im Gefängniskrankenhaus. Nach ihm starben neun weitere Hungerstreiker, bevor die Aktion am 3. Oktober 1981 von der IRA offiziell abgebrochen wurde, weil die Briten letztlich wieder dazu bereit waren, die Häftlinge als politische Gefangene anzuerkennen.

Widerstand und Ausschreitungen
Unmittelbar nach Sands’ Tod kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten, Polizei und britischem Militär. An seinem Leichenzug in Belfast nahmen rund 100.000 Menschen teil, fast ein Fünftel der katholischen Bevölkerung Nordirlands zu dieser Zeit. Bobby Sands ist bis heute einer der bekanntesten Akteure der irisch-republikanischen Bewegung und eine Figur von hoher Symbolkraft. Zu seiner außerordentlichen Bekanntheit trug bei, dass Sands Gedichte und Lieder verfaßte, auf Zigarettenpapier schrieb, sie in Plastikfolie einwickelte, die von Mithäftlingen per Kuß von Mund zu Mund über deren Besucher herausbefördert wurden. Nach dem Ende des Hungerstreiks dokumentierte die IRA den Kampf im Gefängnis mit zwei Säcken solcher Mitteilungen. Im Jahr 2008 wurde der damalige IRA-Hungerstreik im Film „Hunger“ mit Michael Fassbender in der Hauptrolle als Bobby Sands in drastischen Bildern verfilmt (nichts für schwache Nerven!).

Beitragsbild: Wandbild in Belfast, das an den Irischen Hungerstreik erinnert (mit Sands unten links in der Reihe). Urheber unbekannt.

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