Von Klaus Schäfer

Dem Angeklagten K. wurde vorgeworfen, im Frühjahr dieses Jahres auf einer Landstraße in der Gegend von Hartheim die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 41 km/h überschritten zu haben. 

Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren
Der Richter Thiele, ein junger Mann mit offensichtlich reichlich Erfahrung bei Verkehrsdelikten, las den Sachverhalt kurz vor. Der Angeklagte und sein Verteidiger, Herr Rechtsanwalt Dr. G. Olt, stimmten mit Richter Thiele im Sachverhalt überein. Anders als bei Strafprozessen vom Verfasser beobachtet, wurde die Befragung zur Person von Richter Thiele sehr kurz gehalten. Eine Art Diskussion entwickelte sich vielmehr um die Genauigkeit der Laseranlage, die statt der erlaubten 60 km/h 101 km/h gemessen hatte. Hierzu lag auch ein Gutachten vor. Hierbei ging es um eine Messungenauigkeit von nur 1 km/h, da das Strafmaß ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h einen Führerscheinentzug vorschreibt. Richter Thiele, der sich mit dem Thema der Genauigkeit von Laseranlagen offensichtlich ausführlich beschäftigt hatte, machte klar, dass für ihn kein Zweifel an der Messung bestünde. Unabhängig davon gäben die Rechtsvorschriften wenig Spielraum für eine Strafmilderung; Ausnahmefälle seien nur schwer zu begründen. Der Angeklagte habe vielmehr auch die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots selbst zu bestimmen.

Eine Bitte, der gefolgt wurde
Verteidiger Dr. Olt bat nun doch um eine Aufnahme der persönlichen Daten des Angeklagten. So erfuhr man, dass dieser, deutscher Staatsbürger, aus Gambia stamme, im Kaiserstühler Raum wohne, ein Kind mit seiner deutschen Partnerin habe und diese demnächst ihr zweites Kind erwarte. Die Partnerin folgte der Verhandlung auf einem der Zuschauerplätze. Der Angeklagte K. arbeitet bei einer Firma im Markgräfler Land im IT-Bereich und verdient dort etwa 3500 Euro monatlich netto. Er geht seiner Arbeit regelmäßig nach und hat keine Eintragungen im Strafregister. Entsprechend argumentierte Rechtsanwalt Olt: es sei ein erheblicher Einschnitt, wenn der Angeklagte während des Fahrverbotes statt wie üblich 45 Minuten für den Weg zur Arbeitsstätte dann über zwei Stunden brauche. Den Fahrplan der öffentlichen Verkehrsmittel  legte er dem Richter vor. Richter Thiele hielt dies nichtsdestoweniger für zumutbar. Er sah ausschließlich in der Tatsache der in Kürze anstehenden Niederkunft von K.s Lebensgefährtin eine Möglichkeit, eventuell auf ein Fahrverbot zu verzichten.

Das Plädoyer
Wie üblich wurde der Verteidigung sowie dem Angeklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. In seinem Plädoyer trug Dr. Olt nichts Neues vor, die Argumente waren zuvor ausgetauscht worden. Er plädierte für ein Ausnahmeverfahren aufgrund der Schwangerschaft der Partnerin des Angeklagten. Das Urteil wurde mit Spannung erwartet. K. wurde zu einem Bußgeld in Höhe von 960 Euro verurteilt. Richter Thiele teilte mit, dass nicht auszuschließen sei, dass die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlege. Hierauf habe er keinerlei Einfluss. Ferner wurde festgestellt, dass die Verteidigung auf Rechtsmittel gegen das vorgelegte Urteil verzichtet.

Ein interessantes Gespräch danach
Die Öffentlichkeit hatte das Glück, nach der Urteilsverkündung mit den beiden beteiligten Juristen ein Gespräch führen zu können. Dabei ging es nicht um das Urteil, sondern um das Messverfahren der Laseranlagen. Von diesen werden innerhalb einer halben Sekunde knapp 500 Impulse auf das „geblitzte“ Fahrzeug gerichtet und gemessen, wann der ausgesandte Strahl nach Reflexion am Fahrzeug in der Anlage wieder eintrifft. Dabei werden die Strahlen mit unterschiedlichen Wellenlängen ausgesandt, sodass die Anlage erkennen kann, um welchen der ausgesandten Impulse es sich bei dessen Antwort handelt. Diese Anlagen sind geeicht, vom zuständigen TÜV geprüft und von einer übergeordneten, juristischen Behörde als für Gerichtsverfahren zugelassen erklärt. Natürlicherweise treffen die Strahlen auf unterschiedliche Fahrzeugteile, sodass die Rücklaufzeit dadurch minimalst beeinflusst werden kann. Dem Autor dieser Zeilen, studierter Ingenieur, scheint dieses Verfahren hochpräzise zu sein und sich die Messungenauigkeit unterhalb einer Toleranz von 1km/h zu befinden.

Aber…
Hierzu werden immer wieder Gutachten geschrieben, die die Messgenauigkeit anzweifeln. Es habe sich in der letzten Zeit eine Art „Industrie“, also Anwaltsbüros, entwickelt, die bei entsprechenden Rechtsverfahren die Messgenauigkeit anzweifeln, sollte der Angeklagte eine Rechtsschutzversicherung haben. Die Rechtsstreitigkeiten bewegten sich manchmal im Bereich bis nicht mehr als ein km/h. Der Autor meint: ein teures Unterfangen für die Rechtsschutzversicherungen und deren Beitragszahlungen, ein wohl einträchtiges, aber sinnloses Geschäftsfeld für die betroffenen Rechtsanwaltsbüros.

Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com, oben: Salivanchuk-Semen / Shutterstock.com

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