Von Klaus Schäfer

Im Amtsgericht Freiburg fand am Donnerstag, 15. Dezember, eine Verhandlung wegen „gefährlicher Körperverletzung“ statt. Der Fall hatte sich vor einigen Monaten bei beziehungsweise in der Schloßberggarage ereignet. Von der Staatsanwaltschaft angeklagt war die in Freiburg beziehungsweise im Freiburger Umland wohnhafte A.B. (Name sowie Wohnort von der Redaktion geändert). A.B. ist im Besitz eines iranischen sowie eines deutschen Passes. Ihr wurde vorgeworfen, nach einer Taxifahrt vom Hauptbahnhof zur Schloßberggarage den Taxifahrer geschlagen zu haben. Die Angeklagte wurde von Rechtsanwalt K. Bohmann vertreten, die Verhandlung führte die Richterin Bachmann und die Staatsanwaltschaft wurde von einer Referendarin vertreten.

Was war passiert?
Dieser Frage ging Richterin Bachmann nach; nicht einfach, da die Aussagen von A.B. sowie die des als Zeugen geladenen Taxifahrers teilweise auseinandergingen. Der aus Algerien stammende Fahrer (auch hier verzichtet die Redaktion auf weitere Angaben zur Person, da er nur zufällig in diesen Fall verwickelt wurde und keine Vorstrafen vorliegen). Nach Schilderung der Angeklagten ereignete sich der Vorfall an einem Sonntag gegen 6 oder 7 Uhr morgens. A.B., am Bahnhof zu Fuß angelangt, wollte – wie so oft – ein Taxi für die Heimfahrt in die Innenstadt nehmen. Schnellstens vom Bahnhof wegzukommen war ihr wichtig, da sich sonntags morgens nur wenige Menschen dort befänden. Hierzu ergänzte Rechtsanwalt Bohmann, dass sich die Dealerszene nur unweit von dort befände und es aus diesem Umfeld heraus immer wieder zu Gewalt komme. A.B. wandte sich also an den Fahrer des ersten in der Reihe stehenden Taxis, entschied sich jedoch dieses nicht zu besteigen, da der dunkelhäutige Taxifahrer behauptet habe, mit ihr schlafen zu wollen. Hierdurch also bereits verstört, bestieg sie das dahinter stehende Taxi. Nach ihrer Aussage frug sie den Fahrer nach dem voraussichtlichen Fahrpreis. Ob der Fahrer hierauf geantwortet hat beziehungsweise ob diese Frage überhaupt gestellt wurde, blieb aufgrund der unterschiedlichen Aussagen auf die wiederholten Fragen der Richterin unklar. Üblicherweise wird hierfür wohl ein Preis von zehn Euro taxiert. Nach Aussage von A.B. war das Taxometer ausgeschaltet, der Fahrer behauptete jedoch das Gegenteil. Auch gingen die Aussagen auseinander, inwieweit es im Taxi zu einem kurzen mündlichen Austausch zwischen Fahrer und Angeklagter gekommen sei.

Symbolbild: Salivanchuk Semen / Shutterstock.com

Verständnisschwierigkeiten
Erschwert wurde die Befragung durch Richterin Bachmann auch dadurch, dass  der Fahrer die an ihn gestellten Fragen oft nicht eindeutig verstand, sodass häufiges Nachfragen erforderlich war. Hinzu kam auch, dass sich der Fahrer nicht genau an jedes Detail der Geschehnisse erinnern konnte. Beide bestätigten jedoch, dass das ursprüngliche Ziel von der Angeklagten während der Fahrt leicht geändert wurde. A.B. hatte nämlich Angst bekommen und wollte deshalb an einem videoüberwachten Ort, konkret bei der Schloßberggarage, aussteigen. Was sich dort abgespielt hat, konnte aufgrund der teilweise unterschiedlichen Aussagen nicht wirklich geklärt werden. Die Angeklagte schilderte, dass sie den Taxifahrer so verstanden habe, dass der Fahrpreis zwanzig Euro betrage. Da sie nur zehn Euro bei sich gehabt habe, habe sie ihm gesagt, dass sie nur schnell nach Hause gehe, um nach wenigen Minuten mit den fehlenden zehn Euro zurückzukehren. Der Fahrer hingegen hatte dies nicht so verstanden – allerdings kann hier ein Missverständnis aufgrund der nicht sehr guten Deutschkenntnisse des Fahrers nicht ausgeschlossen werden. Der Fahrer indes ging offensichtlich davon aus, dass A.B. ohne Bezahlung die Flucht ergreifen wolle. Als Pfand wollte er sodann ihr Mobiltelefon in Gewahrsam nehmen. Beide zogen nun an dem Mobiltelefon. Dabei kam es zum Geschrei durch die Angeklagte, die ihm auch zurief, doch die Polizei zu rufen. Nach Aussage des Fahrers hatte die Angeklagte viel Kraft, schlug ihn zu Boden und mehrfach ins Gesicht. Ferner habe sie ihm den Reißverschluß seiner Jacke zerrissen. Er sei nach dem Vorfall nicht mehr arbeitsfähig gewesen, sei nach Hause gefahren und habe neben dem Schaden auch den Verdienstausfall des Tages hinnehmen müssen.

Der Rechtsanwalt: eine kluge Recherche
In Abwesenheit des Fahrers schauten sich die Teilnehmer der Verhandlung ein Video der Schloßberggarage an, das jedoch keine neuen Erkenntnisse brachte. Offensichtlich konnte man zumindest Teile des Handgemenges zwischen den Beiden erkennen. Rechtsanwalt Bohmann hatte gut recherchiert und hatte wohl Typ und Kennzeichen des betroffenen Taxis herausgefunden. Er war der Frage nachgegangen, ob das Taxometer überhaupt während der Fahrt eingeschaltet war. Nach seiner Recherche werden die Aufzeichnungen der Taxometer, auch die Frage nach dem Einschalten eines jeden, für ein Jahr gespeichert. Unter Umständen war das Taxometer also ausgeschaltet geblieben und so wurde eventuell ein Fantasiepreis – hier  zwanzig statt wie üblich zehn Euro – durch den Fahrer genannt. Zu einer Beweisaufnahme in Form des Nachfragens bei dem Taxiunternehmen war er gerne bereit. Unabhängig davon bot Bohmann dem Fahrer während der Verhandlung an, ihm die fehlenden zehn Euro direkt zu bezahlen. Er hielt ihm den Zehn-Euro-Schein entgegen. Der Fahrer lehnte allerdings ab.

Eine versuchte Vergewaltigung der Angeklagten durch einen Straftäter Monate zuvor
Während der Verhandlung auffallig war von Anfang an, dass A.B. nur mit Mühe das Geschehen verfolgen konnte. Sie saß zunächst zur Seite hin abgewandt, auch abgewandt vom Publikum, still auf ihrem Platz neben ihrem Anwalt, weinte immer wieder und war in der ersten halben Stunde des Prozesses nicht in der Lage, die Fragen der Richterin zu beantworten. Sehr einfühlsam versuchte dann Rechtsanwalt Bohmann die gestellten Fragen zu beantworten beziehungsweise liess sie, völlig korrekt im Rahmen der Verhandlung, unbeantwortet. Er trug nun vor, dass die Angeklagte vor einigen Monaten Opfer einer versuchten Vergewaltigung geworden sei. Wohl auf einem Autobahnparkplatz sei es zu dem Vorfall gekommen. Der Täter sei inzwischen zu eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt worden, habe zunächst auch eine Zahlung an das Opfer geleistet und sei schließlich unauffindbar verschwunden. Die Angeklagte sei von diesem Vorfall noch erheblich traumatisiert und wolle eine Therapie absolvieren. A.B. bestätigte dies.

Offene Fragen
Das Publikum fragte sich nach dieser Stellungnahme: warum wurde dieser Sachverhalt zuvor gar nicht erwähnt? Zwar hatte diese Tat nicht unmittelbat etwas mit diesem Fall zu tun, aber die versuchte Vergewaltigung dürfte das Verhalten der Angeklagten sicherlich massgebend beeinflusst haben. So war die Angst sicherlich vorhanden, als sie am Bahnhof ankam, vom dunkelhäutigen Taxifahrer im vorderen Taxi nach einem möglichen Beischlaf gefragt wurde. Schließlich war sie im Taxi mit dem algerischen Fahrer unterwegs, fühlte sich unsicher. Daher ist es nachvollziehba, dass sie an einem videoüberwachten Platz aussteigen wollte. Natürlich hatte der Vergewaltigungsversuch nichts mit der aktuellen Verhandlung zu tun. Von der Richterin hätte man sich jedoch mehr Einfühlungsvermögen gegenüber der Angeklagten gewünscht.

Das Urteil
In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft – die Referendarin frug entsprechend beim zuständigen Staatsanwalt nach, ob sie darauf eingehen könne – wurde das Verfahren nach § 153, 2 (Absehen von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit) ohne Auflagen mit Zustimmung der Verteidigung und der Angeklagten eingestellt. Die Verfahrenskosten übernimmt die Staatsanwaltschaft, die Angeklagte muss jedoch die Kosten für ihren Verteidiger selbst zahlen. Beobachter empfinden den Verlauf des Verfahrens als korrekt, aber die Tatsache, dass A.B. einen Teil der Kosten selbst tragen muss, kann man auch als ungerecht werten. Denn diese beruhen auf den Geschehnissen während der Autofahrt und dem traumatischen Erlebnis sowie dem Alleingelassenwerden. Hier kann man sich zurecht fragen, wann sich die Politik endlich ernsthaft um unsere zahllosen Vergewaltigungsopfer kümmert?

Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com

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