Andrij Melnyk ist seit dem 12. Januar 2015 der Botschafter der Ukraine in Deutschland. Zuvor war er bereits zwischen 2007 und 2010 in Deutschland als Generalkonsul der Ukraine in Hamburg tätig.

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia definiert: Ein Diplomat ist ein Regierungsbeauftragter, der seinen Staat auf Regierungsebene gegenüber ausländischen Staaten oder internationalen Organisationen völkerrechtlich vertritt. Er kann dabei als Chef einer diplomatischen Mission fungieren oder dieser untergeordnet sein.

Spätestens seit dem Kriegsausbruch ist er dem politisch interessierten Beobachter hierzulande ein Begriff. Irgendwie mag ich diesen Melnyk. Zuerst war Melnyk nur eine Klangfarbe in den Talkshows, jetzt ist er zum Zeugen der Anklage geworden. Der 46-Jährige attackiert mit schärfsten Worten die Bundesregierung, einzelne Politiker und überhaupt jeden, der sich seiner Meinung nach nicht bedingungslos hinter die Ukraine stellt.

Ein paar Beispiele:

Melnyk zur Absage des ursprünglich geplanten Ukrainebesuches Scholz‘ nach der Ausladung Steinmeiers (wir berichteten):

Eine beleidigte Leberwurst zu spielen, klingt nicht sehr staatsmännisch.

Nach einer Talkshow, an der auch der SPD-Außenpolitiker Michael Roth teilgenommen hatte, läuft Melnyk verärgert aus dem Raum, schimpft wild herum und ruft Roth noch an der Drehtür nach:

Arschloch

Als der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi sich auf Twitter in eine Debatte über das rechtsradikale Asow-Bataillon einklinkte, reagierte der Botschafter umgehend und sichtlich gereizt:

Halten Sie lieber ihre linke Klappe @FabioDeMasi & all Ihre Kumpels. Es war und bleibt @dieLinke, die Kriegsverbrecher Putin und dieses grässliche aggressive Russland Jahrzehnte hofiert hat. Bis heute. Daher halten Sie lieber die Klappe.

Anfang März schlug der Politikwissenschaftler Johannes Varwick als Lösung des russischen Kriegs eine ukrainische Exilregierung auf deutschem Boden vor. Auch dieser bekommt, wenn auch nicht ausgeschrieben sein Fett weg:

Sie sind ein echtes Ar… @JohannesVarwick

Zur allgemeinen Handlungsunfähigkeit der deutschen Politik:

Ich glaube es ist auch die verdammte Pflicht auch der deutschen Freunde hier, endlich was zu tun und nicht nur zu reden.

Melnyk sagt selbst, seine Appelle an die Bundesregierung seien kein politisches Kalkül:

Ich reagiere meist intuitiv und emotional. Oft schreibe ich etwas aus Verzweiflung, weil ich mich frage: Verstehen die mich nicht? Es ist sehr schwierig mit der Bundesregierung, weil es immer wieder keine direkte Kommunikation gibt, und dann erfahre ich die Dinge aus der Presse. Ich weiß nicht, ob meine Tweets etwas bewegen können. Aber was soll ich sonst machen? Ich könnte auch meine Klappe halten, aber das geht nicht im Krieg.

Greift man ihn an, ist er aber gleich empört. So hatte sich Altkanzler Schröder erlaubt ihn als Zwerg zu bezeichnen.

Herr Schröder wird in die Weltgeschichte als ein zynischer Kreml-Lobbyist in Deutschland eingehen, der Putins aggressive Politik verharmlost sowie die Kriegsverbrechen Russlands in der Ostukraine und auf der Krim schamlos schönredet. Er versucht, einen coolen Elder Statesman zu spielen, verliert aber immer mehr den Boden unter den Füßen.

Die Kommentarspalten sind voll mit Melnyk. So schreibt der Freitag:

Keine Gefangenen

Dabei hat dieser Mann längst jedes Maß verloren. Wegen des Verstoßes gegen diplomatische Regeln, wozu Zurückhaltung und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes zählen, gehört er ermahnt, wenn nicht ausgewiesen. Stattdessen darf sich Melnyk eine Entgleisung nach der anderen leisten und dem Credo folgen: In meiner Rhetorik mache ich keine Gefangenen. Ich treibe vor mir her, wen ich will, und bleibe Euch nichts schuldig.

Wie reagiert die deutsche Politik?

Natürlich falsch. Damit könnten wir auch schließen, aber erlauben Sie mir ein paar Gedanken.

So, wie es aussieht, waren die Meldungen, dass die Ukraine im Krieg die Oberhand zurückgewonnen hat, etwas voreilig. Es kommen erste Zwistigkeiten zwischen den Amerikanern und der Ukraine auf (link). Von den Alliierten (darf man die mittlerweile so nennen?) ging es ja sehr bald nach Kriegsausbruch um einen Regimechange in Moskau. Man glaube aber nicht, das danach sofort und ohne Probleme blütenweiße (auf den lupenreinen folgend) Demokraten in den Kreml einziehen. Am Ende ziehen dort noch revisionistischere, noch nationalistischere und revanchistischere Kräfte ein.

So richtig weiß man bis heute nicht, was der Westen erreichen will – außer Baerbock – die wusste es als erste.

Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.

Ihr gebührt diesbezüglich dereinst in den Geschichtsbüchern der Ehrenplatz. Scholz wusste nur zu genau, warum er sich zunächst auf dieses Spiel nicht einlassen wollte. Aber wie es nun mal in einer infantilisierten Regierung so ist, gewinnt die Naivität früher oder später die Oberhand.

Aber was heißt ein Sieg der Ukraine?

So wie es sich die Ukraine und die Nato vorstellen, muss das die Wiederherstellung der Kontrolle über das gesamte Territorium bedeuten. Gleichzeitig muss Russland soweit geschwächt sein, dass es auf absehbare Zeit nicht mehr im Stande sein wird, ein Nachbarland anzugreifen. Danach kann dann auf dieser Basis eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa geschaffen werden.

Wer aber glaubt, dass Russland das akzeptiert und nicht wenigstens mit Zähnen und Klauen die Krim verteidigen wird?

Diese Parolen zum Politikstil zu machen, ist also nicht nur undurchdacht und haarsträubend, sondern vor allem gemeingefährlich.

Und ausgerechnet Deutschland lässt sich, wenn es um das Agitieren geht, unter anderem von Melnyk, in die erste Reihe schieben. Wie naiv und ahnungslos kann man sein? Denn dies alles – und nun komme ich zum eigentlichen Punkt, auf den ich hinaus will – spielt der russischen Propaganda in die Hände. Im dortigen kollektiven Bewusstsein ist der Überfall Hitlers auf die Sowjetunion noch gut gespeichert.

Und das ausgerechnet von einer (oliv)grün geführten Regierung (ich dulde keine Widerrede), die sich im Wahlkampf noch händchenhaltend in der Blumenwiese fotografieren lassen hat. Mit einer deutschen Außenministerin die meint, wir müssen Russland ruinieren. Nur zur Erinnerung: Russland ist Atommacht.

Wird hier zu Ende gedacht? Ich gestehe offen, ich kann mit meinen bescheidenen Mitteln (ohne eigenen Regierungsapparat) auch keinen Ausweg skizzieren – aber der von Deutschland beschrittene Weg ist falsch.

Aber zurück zur Überschrift:

Was will Melnyk eigentlich? Ohne ein großes Fass aufmachen zu wollen, bin ich mir da gar nicht so sicher. Betreibt er mit dem Vor-sich-Hertreiben der deutschen Politik und deren „Unmöglichmachung“ nicht viel mehr das Geschäft Putins?

mb

 

Beitragsbild: von Stephan Röhl / Heinrich-Böll-Stiftung unter der Lizenz CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de) via wikimedia commons

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