Ein Meinungsbeitrag von Brutus Crombie

Die AfD nennt sich Rechtsstaatspartei. Das will sie unbedingt sein, ihre Funktionäre betonen das regelmäßig. Gerade die besonders staatstreuen – oder staatsnahen – Amtsträger aus den westlichen Verbänden betonen besonders gerne ihre Rechtsstaatlichkeit – gehen aber rechtsstaatlich fragwürdig mit ihnen nicht genehmen Parteifreunden um, nur um sich bei den Altparteien, beim Verfassungsschutz und den Monopolmedien anzubiedern. So grenzen sie sich gerne nach rechts ab, fordern lauthals „Konsequenzen“, wenn ein Parteifreund einen tatsächlichen oder vermeintlichen Tabubruch begangen hat. Aber kurz vor der EU-Wahl öffentlichkeitswirksam Maximilian Krah oder Matthias Helferich zu demontieren, hat schon etwas von ausgeprägtem Sado-Masochismus. Wahlergebnisse scheinen völlig egal zu sein.

Der Fall Matthias Helferich
In Sachen Aktivismus und Engagement kann man ihm nichts vorwerfen. Matthias Helferich redet regelmäßig im Bundestag, täglich kann man neue Stellungnahmen oder „Posts“ bei ihm auf Telegram, Twitter und Co. lesen, seine vielfältigen Aktivitäten auf nahezu allen Kanälen verfolgen. Die Zahl seiner Vorträge ist vorbildlich. Und seine Auftritte vor dem Bundestag sind eben nicht dröge und langweilig, sondern angriffslustig und verfolgen das Ziel, die Politik der Herrschenden zu kritisieren, mitunter auch lächerlich zu machen. So stellt man sich einen ständig aktiven Politiker idealerweise vor. Und Berührungsängste gegenüber dem Vorfeld kennt der Rechtsanwalt ebenfalls nicht, hat er doch verstanden, wie wichtig ein funktionierendes Vorfeld von parteifreien Gruppen, Initiativen und Vereinen ist, wie wichtig vor allem alternative Medien sind.

Der Stadtverordnete Neuhoff, der faul sein soll
Da ist Prof. Dr. Hans Neuhoff das genaue Gegenteil. Ihm wird Faulheit vorgeworfen (wir berichteten). Sein eigener Kreisverband hat ihn aufgefordert, das Stadtratsmandat in Bonn zurückzugeben – wegen ständigen Fehlens. Offenbar verfolgt er das Ziel, nicht angreifbar zu sein, in dem er nicht viel macht. Denn dann kann man wohl nichts falsch machen. Eine Strategie, die mancher AfD-Glücksritter vertritt. So hat es Neuhoff zum EU-Kandidaten (Platz 8) geschafft, seinerzeit noch mithilfe Thüringer AfD-Größen, die mittlerweile deutlich von ihm abgerückt sind. Und auch in den Landesvorstand Nordrhein-Westfalen hat sich Hans Neuhoff wählen lassen. Dabei ist Neuhoff wirklich nicht von der schnellsten Sorte, macht er nun – Ende Mai – Matthias Helferich eine Äußerung aus dem vergangenen Dezember (!) zum Vorwurf. Und das keine drei Wochen vor der EU-Wahl. Den Begriff „Timing“ kennt der Professor, der in Köln an der Hochschule für Musik und Tanz lehrt, offensichtlich nicht. Nun hat er ein Parteiausschlußverfahren gegen Matthias Helferich initiiert, der sofortige Entzug der Mitgliedsrechte ist ebenfalls bereits beschlossene Sache. Das wirkt mehr als konstruiert, dürfte rechtsstaatlich fragwürdig sein und ist vom Zeitpunkt her mehr als dämlich gewählt. Offenbar möchte Neuhoff und die restliche Clique um Landeschef Martin Vincentz verhindern, dass Matthias Helferich beim Bundesparteitag Ende Juni in Essen für den Parteivorstand kandidiert oder überhaupt eine Bühne für seine Art der Politik erhält. Das Parteiausschlußverfahren ist folglich ein mehr als durchsichtiger Versuch, mittels Parteiordnungsmaßnahmen innerparteiliche Rivalen mundtot zu machen – und das auch noch ausgerechnet vor den Wahlen.

Neuhoffs Begründung arg hergeleitet
Hans Neuhoff hatte ein Gutachten regelrecht fabriziert, mit dem er aus untenstehendem Tweet von Helferich eine ganze Seite lang Schlüsse zieht. Tarotkarten-Legen und das Lesen aus Kaffeesatz sind dagegen überaus sicherere Methoden, Schlüsse zu ziehen. Was der Professor mit Frau aus Burkina Faso alles aus dem Tweet herausdestiliert, ist sagenhaft. So schreibt Neuhoff beispielsweise: „MH bringt mit dieser Äußerung zum Ausdruck, dass für ihn Personen jesidischer (oder sonstiger nicht-deutscher Herkunft) Herkunft per se nicht und niemals Deutsche sein oder werden können.“ Dass der Abgeordnete Helferich lediglich zwei Mitarbeiter zitiert, sich die Aussagen gar nicht zu eigen macht, scheint Neuhoff nicht zu interessieren. Weiter meint Neuhoff: „MH vertrit mit seinem Post insoweit einen ethnischen Essentialismus, welcher die Zugehörigkeit zu einer Ethnie als unveränderliche, quasi anlagebedingte „Substanz“ betrachtet. Die staatsbürgerliche Identität einer Person und ihre Zugehörigkeit zu einem Volk oder Staatsvolk unterliegt einem biologischen Determinismus.“ Alle Achtung, was man aus fünf kurzen Zeilen so alles herauslesen kann. Aber im Ernst: Das Parteiausschlußverfahren steht auf mehr als wackligen Beinen, keine Frage.

Tiefgreifende Konsequenzen nötig
So muss die andauernde missbräuchliche Instrumentalisierung des Parteiordnungsrechtes endlich aufhören. Wer im ohnehin erschwerten Wahlkampf so etwas macht, hat nicht das Wohl der Partei im Auge. Der stellt seine vereinsmeiernde Haltung über das Wohl der Partei und offenbart sein egoistisches Partikularinteresse – und schädigt die Partei selbst. Auch die Unvereinbarkeitsliste ist abzuschaffen (wir berichteten), denn Matthias Helferich ist ein Gegner der UV-Liste. So erwähnt sein Post, der ihm nun zum Vorwurf gemacht wird, auch die identitäre Gruppe Revolte Rheinland, die auf die Unvereinbarkeitsliste gesetzt wurde. Der AfD-Landesvorstand Nordrhein-Westfalen, der das Verfahren gegen Helferich eingeleitet hat, wird künftig noch kritischer beäugt werden müssen. Ihr Vorsitzender Vincentz, die Parteivizen Klaus Esser und Kay Gottschalk werden sich künftig fragen lassen müssen, wie sie es mit Rechtsstaatlichkeit wirklich halten. So könnte das Parteiausschlußverfahren gegen den Dortmunder Helferich zum Bumerang werden, denn denjenigen, die in Nordrhein-Westfalen an der Basis Wahlkampf betreiben, dürfte so ein Dolchstoß von faulen Parteioberen nicht wirklich gefallen. Und dass Hans Neuhoff keinen Wahlkampf betreibt, fällt mittlerweile sogar der Antifa auf. Fühlt er sich dazu etwa zu gut?

Beitragsbild / Symbolbild: nitpicker; Bild oben: Privat / beide Shutterstock.com

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