Ein Debattenbeitrag von Roderich A.H. Blümel.

Die gestrige, allgemein erwartete Niederlage der AfD in Münster markiert einen weiteren Tiefpunkt einer unrühmlichen und bisher regelmäßig erfolglosen Strategie, die aber trotzdem nicht totzukriegen scheint: Die „Wir-sind-doch-eigentlich-ganz-nett-Strategie“ der Anbiederung. Vor einer Justiz, deren Feigheit und Obrigkeitshörigkeit zu Coronazeiten mehr als überdeutlich geworden ist, darauf zu verklagen, dass die Obrigkeit doch nun bitte nicht mehr so böse zu einem sein möge, war und ist ein vielleicht nicht grenzdebiles, aber doch sehr naives Unterfangen. Man kann noch so sehr beteuern, wie grundgesetzfest man ist, man kann noch soviele Alibi-Migranten vor Gericht antreten lassen und man kann Hunderte Anträge stellen, wenn der herrschende politische Wille das Gegenteil behauptet haben will, ist das lediglich eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen.

Hat Brodkorb recht – oder eher nicht?
Der juristische Nutzen dieser Angelegenheit ist Null, egal was Mathias Brodkorb im Cicero auch meint. Die Kosten für das Verfahren dürfte in die Hunderttausende Euro gehen. Der politische und mediale Schaden ist noch weitaus höher. Rein medial hat es der AfD-Bundesvorstand – oder besser die großen Fans dieser Klage in diesem Gremium – geschafft, drei Wochen vor einer Wahl das von außen hochgespielte Negativthema „Krah“ durch das Negativthema „VS“ zu ersetzen. Politisch hat man der wichtigsten prospektiven Wählergruppe zum wiederholten Male vor Augen geführt, wie wenig man in der Lage ist, deren Erwartungen – nicht so zu sein wie die anderen – zu erfüllen. Man gewinnt niemanden für seine Sache, wenn man sich mit teuren Anwälten vor ein Oberverwaltungsgericht – und das auch noch ausgerechnet in Münster – setzt und sich beklagt, wie ungerecht der Verfassungsschutz zu einem ist.

Andere Wege des Projekts weitaus erfolgversprechender
Man könnte Leute für seine Sache gewinnen, wenn rund um die Uhr 2.000 Parteimitglieder vor dem Haldenwangschen Büro dauerdemonstrieren und die Stadtreinigung des Abfalls und des Unrats nicht mehr Herr wird. Dann wird schon was passieren. Das nennt sich politischer Kampf und derlei funktioniert für die Linken in der Regel mittelfristig ganz gut. Die Proponenten der Klage im Bundesvorstand behaupten nun, man müsse aber unbedingt die diversen Einstufungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des angeschlossenen Schwarms der Landesämter bekämpfen, weil man ansonsten die angeblich so stattliche Zahl von Beamten, Soldaten und derjenigen, die ebenfalls berufliche Nachteile zu erwarten hätten, verlöre. Berufliche Nachteile? Letzte Hochstufungen vor der Pensionierung und dergleichen? Hat sich eigentlich jemand für diese weitaus  größere Zahl von kleinen Arbeitern, Pflegekräften, Fahrern, Service-Kräften etc., interessiert, die ihre Jobs verloren haben, als bekannt wurde, dass sie sich für die AfD engagieren, weil ihre Arbeitgeber sich nicht mit der Gewerkschaft oder dem öffentlichen Auftraggeber anlegen wollten? Kann irgendjemand erklären, warum zur Hege und Pflege der Beamten Hundertausende Euros sinnlos zum Fenster rausgeworfen werden und erheblicher politischer Schaden in Kauf genommen wird?

Mit besseren Urteilen ist nicht zu rechnen
Wollen diese AfD-affinen Beamten überhaupt, dass auf sie besondere Rücksicht genommen wird oder sehen sie sich selber lieber solidarisch mit den Parteikollegen, deren Arbeitsstellen und Unternehmen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen unter Druck oder bereits weg sind? Ist es ein Zufall, dass das federführende Bundesvorstandsmitglied und der Hauptbetreiber der Klage gegen den Verfassungsschutz ein ehemaliger Oberstaatsanwalt im Pensionsalter ist? Um der Angelegenheit noch die Krone aufzusetzen, erklärte Alice Weidel dann gestern auf der Pressekonferenz, man werde „sich in Leipzig wiedersehen“. In Leipzig sitzt das Bundesverwaltungsgericht; Frau Weidel will also wohl sagen, man werde eine höherinstanzliche Prüfung des Urteils anstreben. Revision ist nicht zugelassen, also wird nur die Rechtlichkeit des Verfahrens als solches überprüft werden, nichts Inhaltliches. Dies bei dem Gericht, welches auch schon die grundgesetzwidrige Länderrundfunksteuer für gesetzlich erklärt hat. Was wiederum weitere Hundertausende Euros an Parteimitteln verschlingen wird – und erwartungsgemäß so ausgehen wird wie gestern.

Beitragsbild / Symbolbild: DesignRage /Shutterstock.com

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