Von Jan Ackermeier

Am 16. Oktober 1793 fährt die französische Königin Marie Antoinette als erniedrigendes Schauspiel im offenen Karren zum „Place de la Révolution“ – vormals „Place Louis XV“. Die Königin ist 37 Jahre alt. Sie wirkt schmal, fast durchsichtig. Ihr Haar ist grau geworden. Die als Erzherzogin Maria Antonia von Österreich geborene Tochter von Kaiserin Maria Theresia heiratete am 16. Mai 1770 den Dauphin Ludwig-August, der vier Jahre später den französischen Thron bestieg. Das Revolutionstribunal hat sie in wenigen Prozeßtagen verurteilt. Die Anklage ist abenteuerlich und oft haarsträubend: Hochverrat, Verschwendung, sittliche Verderbnis. Die Verteidigung erhält kaum Zeit zum Aktenstudium und zur Vorbereitung einer Verteidigungsstrategie, Zeugen werden bedrängt, bedroht und beeinflusst.

Widersprüche in der Argumentation der Anklage stören niemanden
Es zählt nur das eine Ziel: ein königlicher Kopf für die Menge. Die Revolution versprach Recht und Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Verantwortlichkeit. Sie liefert Haß und Rache. Der Prozeß zeigt es offen: Kein faires Gehör. Kein Raum für Zweifel an der Anklage. Die Schuld steht vor dem Urteil fest. Gerechtigkeit wird zum Werkzeug der Macht. Die Monarchie in Frankreich endet nicht nur in Symbolen, sie endet in einem Meer von Blut. Die neue Ordnung zeigt ihr Gesicht: Es ist hart, leer und unmenschlich.

Europa wendet sich ab
Die Hinrichtung von Ludwig XVI. und Marie Antoinette hatte in der deutschen Aufklärung ein derartiges Echo, dass man sich mit der vorher stürmisch begrüßten Revolution in Frankreich gegenüber den sich dort abzeichnenden Vorgängen rund um den Königsmord zunehmend kritisch auseinandersetzte. Königin Marie Antoinette war sicher keine Heilige. Sie machte Fehler, wie viele Menschen in hohen Ämtern. Sie wirkte auf ihre Untertanen oft distanziert und äußerte sich politisch ungeschickt. Doch Fehler sind kein Grund für Schafott und Schande. Der Königsmord an Ludwig XVI. und seiner Gemahlin führt auch nicht zur Ruhe in der neuen Ordnung. Im Gegenteil: Die „Revolutionsmaschine“ muss weiter gefüttert werden. Bald frisst die Revolution die eigenen Kinder. Der Lärm der Menge und der Blutdurst wird Routine. Der Mensch wird zur Sache. Auch das Ausland ist schockiert über die Vorgänge und Europa führt jahrelang Krieg gegen Frankreich.

Beitragsbild / Symbolbild: Jacques-Louis David: Marie Antoinette auf dem Weg zum Schafott, 1793. Urheber unbekannt.

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