Von Dario Herzog

Es ist untergegangen, einfach so. Gut, in der Fachpresse wird das Urteil begrüßt, aber der politit-mediale Bereich hat es allenfalls kurz gewürdigt, lediglich auf hinteren Seiten im Blätterwald oder am Ende der vorgetragenen Nachrichten in den entsprechenden TV-Sendungen erwähnt. Dabei klärt es einiges, was der Politikerzunft nicht gefallen dürfte. Worum es geht? Eine Entscheidung, die deutlich macht, wo politische Entscheidungen aufhören und die Exekutive anfängt. Es ist eine Schlappe für Politiker, die hohe Beamte einfach versetzen oder sogar in den einstweiligen Ruhestand befördern.

Was wurde entschieden?
Das Bundesverfassungsgericht veröffentlichte vergangene Woche eine Pressemitteilung, die den behandelten Fall kurz skizziert. So hieß es darin: „Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 37 Abs. 1 Nr. 5 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) in den Fassungen vom 21. April 2009 und vom 14. Juni 2016 mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig ist. Die Vorschrift stuft die Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen als politische Beamte ein und ermöglicht damit ungeachtet ihres Status als Beamte auf Lebenszeit ihre jederzeitige Versetzung in den einstweiligen Ruhestand.“ Was damit gemeint war: In Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen Bundesländern, wurden Polizeipräsidenten als politische Beamte eingestuft, meist per Landesgesetz. Was wie eine verwaltungsjuristische Problematik aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als ziemliche Schlappe für unsere Landespolitiker, die in der Vergangenheit schnell mal Polizeipräsidenten ablösten, mitunter in den Ruihestand versetzten, wenn diese nicht so spurten, wie man das gerne hätte. Und so wundert es nicht, dass auch in diesem Fall ein Polizeipräsident geklagt hatte.

Silvesternacht 21015/16 auf der Domplatte in Köln
Wir erinnern uns: Es waren Horden von Asylforderern, die junge Frauen begrabschten, sexuell nötigten, sich Scharmützel mit der Polizei lieferten. Das ist nun bereits acht Jahre her. Nach den Sex-Attacken in der betreffenden Silvesternacht wurde der damalige Polizeipräsident Wolfgang Albers in den Ruhestand geschickt. Das war klar rechtswidrig, entschied nun das oberste deutsche Gericht, denn als Polizeipräsident sei er gar kein politischer Beamter. Die bisherige Regelung greife in das sogenannte Lebenszeitprinzip ein, erklärte das Bundesverfassungsgericht. Das Amt eines Polizeipräsidenten sei eben kein politisches Amt – und damit gilt, dass nicht einfach umbesetzt oder in den Ruhestand versetzt werden darf, wenn Regierungsvertreter mit anderen Parteibüchern an die Macht kommen.

Schlappe für Rot-Grün
Die damals rot-grüne nordrhein-westfälische Landesregierung hatte den Kölner Polizeipräsidenten – mit CDU-Parteibuch – nach den Vorfällen auf der Domplatte von seiner Aufgabe entbunden und einfach in den Ruhestand geschickt. Immerhin suchte man einen Schuldigen. Und den hatte man schnell gefunden, da die Polizei versagt hatte. Dagegen klagte Wolfgang Albers, der 1955 geboren wurde und sich nun ohnehin im Ruhestandsalter befindet. Für ihn ist die Entscheidung jedoch eine Genugtuung. Politiker können nun nicht mehr walten und schalten, wie sie wollen.

Weisungsgebundenheit auch abschaffen
Ähnlich kritisch verhält es sich mit der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften. Auch hier muss langsam einmal das Bundesverfassungsgericht einschreiten. So hat das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann jüngst einen Referentenentwurf zur Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften vorgelegt. Diese Weisungsgebundenheit abzuschaffen, wie es seit vielen Jahren etwa vom Richterbund und der AfD gefordert wird und was für einen funktionierenden Rechtsstaat selbstverständlich wäre, sieht der Entwurf jedoch nicht vor. Vielmehr sollen lediglich Weisungen schriftlich fixiert werden, wovon sich der Minister angeblich eine disziplinierende Wirkung verspricht. Das heißt mit anderen Worten, die Herrschenden wollen weiterhin den Staatsanwaltschaften vorgeben, wie und gegen wen ermittelt wird.

„Die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte ist eine Schande für den Rechtsstaat. Rechtsstaatliche Entscheidungen können so aufgrund einer politischen Entscheidung verhindert werden. Das Argument, dass von der Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht werde, kann nicht ziehen, solange überhaupt die Möglichkeit besteht. Nur die AfD kämpft entschlossen für eine freie Justiz und wird einen Gegenvorschlag vorlegen, der das Recht der Justizminister, politisch Einfluss zu nehmen, beendet. Der Bundestag muss entscheiden, wie ernst es ihm mit der Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland ist“,

befindet Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der Alternative für Deutschland, und stellt damit klar, dass die politische Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaften ein für alle Mal ein Ende haben muss. Man sieht: Die Entscheidung, dass Polizeipräsidenten keine politische Beamte sind, ist erst der Anfang, um die Macht der Herrschenden demokratisch zurechtzustutzen. Sie tragen das Wort „Demokratie“ gerne wie eine Monstranz vor sich her, bei genauem Hinsehen indes wird klar, wie politisiert unsere Exekutive ist. Die wahren Feinde der Demokratie sitzen eben bei den Altparteien, ob diese es wahrhaben wollen oder nicht.

Beitragsbild / Symbolbild: nitpicker; Bild oben: corgarashu / beide Shutterstock.com

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