Von Achim Baumann

Der zurückliegende Landesparteitag der AfD in Baden-Württemberg Ende Februar war ein Fiasko. Die selbsternannte Rechtsstaatspartei hat sich in der Öffentlichkeit nicht besonders positiv verkaufen können. Zwei Flügel und ihre zum Teil heftigen Attacken gegeneinander lähmen dauerhaft konstruktive Arbeit. Dabei geht es zumeist gar nicht um inhaltliche Positionierungen. Und der Verfassungsschutz schaut weg, denn er könnte solche undemokratischen, rechtlich angreifbaren Parteitage, aber auch den erheblichen Missbrauch von Parteiordnungsverfahren als Beweis für eine undemokratische innere Haltung der AfD anführen. Seltsamerweise macht er das nicht. Warum nur?

Parteitag wird angefochten
Dirk Schmitz ist Rechtsanwalt aus Iserlohn, gut vernetzt, und derjenige, der nun im Auftrag dreier betroffener Parteimitglieder gegen den vergangenen Parteitag vorgeht. Was war geschehen? Der Landesverband der AfD Baden-Württemberg wollte in der Stadthalle Rottweil einen Landesparteitag abhalten. Der Parteitag wurde einberufen, da mehrere Vorstandsmitglieder auf der einen Seite und der Landesvorsitzende Emil Sänze und sein Stellvertreter Markus Frohnmaier (MdB) auf der anderen Seite, sagen wir es einmal milde, ein gestörtes Arbeitsverhältnis miteinander pflegten. Da es in Baden-Württemberg Mitgliederparteitage gibt, waren alle Mitglieder eingeladen, am Parteitag teilzunehmen. Am Samstag, 24. Februar, frühmorgens in Rottweil angekommen, kamen aber nicht alle Mitglieder in die Halle, weshalb der Versammlungsleiter in der Person des Vorstandsmitglieds Reimund Hoffmann den Parteitag eröffnete und unverzüglich wieder schloss – immerhin konnte eine ordnungsgemäße Veranstaltung nicht stattfinden. Die Ordnungsbehörden ließen nicht alle vor der Halle Wartenden hinein. Soweit so gut. Unmittelbar danach wurde aber ein weiterer Parteitag eröffnet, zu dem naturgemäß vorab nicht geladen war. Ein Dilemma – und eigentlich hätte bereits zu dem Zeitpunkt feststehen müssen, dass alles Folgende rechtlich angreifbar sein wird. Trotzdem wurde der Parteitag von Sänze und Frohmeier sowie der ihnen nahestehenden Ko-Parteivorsitzenden Alice Weidel förmlich “durchgepeitscht”. Dabei stellten weniger bekannte, aber auch bekannte Parteipolitiker wie beispielsweise Thomas Seitz (MdB) immer wieder und klipp und klar bereits vor Ort in Redebeiträgen fest, dass hier nichts rechtmäßig sein konnte.

Schriftsatz liegt unserer Redaktion vor
Für den Landesverband ist es peinlich, dass Rechtsanwalt Schmitz in seinem Schriftsatz, der dem Freiburger Standard vorliegt, erst einmal die zustellfähige Anschrift der Landesgeschäftsstelle erraten muss. Denn auf der Internetseite ist lediglich ein Postfach im Impressum genannt, aber Postfächer sind keine ladungsfähige Anschriften. Ein typischer Fehler von Internetanfängern, aber bei einer Partei, die es bereits seit knapp zwölf Jahren gibt und die über ausreichend Mittel für Internetaktivitäten verfügt, ist das eher als hochnotpeinlich zu bezeichnen. Wer macht da seine Hausaufgaben nicht?

Detailierte Darstellung der Vorgänge
Im weiteren Schreiben des RA Schmitz legt dieser glaubhaft dar, was sich an jenem Tag Ende Februar in Rottweil genau abspielte; zum Glück sind sogar Videos vorhanden, deren Wortlaut eingereicht werden kann. Unterfüttert werden die Schilderungen mit Eidesstattlichen Versicherungen von Amtsträgern, aber auch einfachen Mitgliedern, die darlegen, dass sie entweder gar nicht erst in die Halle kamen, keine Plätze erhielten oder ihnen – da sie augenscheinlich zur “falschen” Beutegemeinschaft zählten – einfach Sitzmöglichkeiten verwehrt wurden. Kein Wunder, dass sich die Gemüter erhitzten, die Stimmung eskalierte. Auch dies wird glaubhaft geschildert, ist aber aufgrund von unzähligen Presseberichten, Schilderungen von Teilnehmern etc. ohnehin kaum abzustreiten. Auch der Akkreditierungsprozess war mehr als mangelhaft. Zudem soll sogar der Versammlungsleiter des zweiten Pareteitages, Torben Braga (MdL), davor gewarnt haben, dass der Parteitag ungültig sei, wenn auch nur ein Mitglied vor der Halle abgewiesen wird. Und das war massenhaft der Fall. So heißt es im Schreiben:

“Es bestand erhebliche Platznot. Mehrfach versuchten zahlreiche Mitglieder im Saal am Nachmittag einen freien Sitzplatz zu finden. Das war nach mehreren Durchgängen durch die gesamte Halle und von allen Seiten unmöglich. Es wurde immer wieder mitgeteilt, die “Sitzgelegenheit” sei reserviert, oder für jemanden, der gerade “zum Essen oder auf der Toilette sei”,  freigehalten. Ziel des Vorgehens war es, bekannten Mitgliedern “der anderen Seite” die Teilnahme zu verweigern oder zu erschweren.”

Landesschiedsgericht muss entscheiden
Nun muss das Landesschiedsgericht urteilen. Das Problem: Die Landesschiedsgerichte in der AfD sind oft interessengetriebenen.  In diesem Fall dürfte der spätere Gang zum ordentlichen Gericht nicht lange auf sich warten lassen, sollte das Landesschiedsgericht die klaren und deutlichen Belege, dass der finale Landesparteitag aufgrund mehrerer Mängel nicht rechtens zustande gekommen ist, ignorieren (wollen).

Eigentor für Alice Weidel?
Besonders peinlich ist der Vorgang für Alice Weidel. “Ihr” Landesverband versinkt in Chaos, und sie verteidigt einen eindeutig falsch zustande gekommenen Landesparteitag. Das hört sich nicht gut an, denn Rechtsstaatlichkeit ist besonders von den Parteivorsitzenden, aber auch von Bundestagskandidaten zu erwarten. Warum lässt sie zu, dass ihr Ansehen und auch das der Landespartei solch einen Schaden nimmt? Eine Rechtsstaatspartei, die innerhalb der Partei nicht darauf achtet, dass alles sauber und korrekt verläuft, kann zurecht ins Visier ihrer Gegner, hier dem Verfassungsschutz, geraten. Und hier wundert man sich, warum der Verfassungsschutz das oft interessengetriebene Gebaren der Parteischiedsgerichte, aber auch der mittlerweile stark ausgeprägten “Beutegemeinschaften”, nicht kritisiert. Ist er etwa daran beteiligt, dass Streit eskaliert? Oder lehnt er sich vergnügt zurück und lacht sich ins Fäustchen?

Neue Spieler im Landesverband
Als Beispiel dafür, wie undemokratisch sich entsprechende Parteifunktionäre bei Ordnungsmaßnahmen verhalten, offen rechtswidrig agieren, kann man den Fall der Fürstin von Sayn-Wittgenstein nennen. Der ehemaligen Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein wurde mehrfach die Parteimitgliedschaft streitig gemacht – ordentliche Gerichte mussten indes feststellen, dass ein Ausschluss nicht rechtens sei, so wurde ihr mehrfach das rechtliche Gehör verweigert, ein schwerwiegendes rechtliches Versäumnis. Ein solches Verhalten, nur um missliebige Parteimitglieder zu gängeln, steht einer Rechtsstaatspartei nicht gut zu Gesicht. Und das könnte sich für Alice Weidel nun rächen. Die Fürstin, die über einen Wohnsitz in Baden-Württemberg verfügt, ist ebenfalls Auftragsgeberin der Anfechtung des Landesparteitages. Wenn zwei Beutegemeinschaften streiten, freut sich vielleicht in Kürze eine dritte Gruppe. Wie dem auch sei, der Landesparteitag dürfte als ungültig zu werten sein, die entsprechenden Wahlen zum Landesvorstand ebenso. Man muss kein Prophet sein, um von einer Wiederholung auszugehen. Den Mitgliedern, die die Anfechtung betreiben, ist aus basisdemokratischer Sicht zu gratulieren.

Beitragsbild / Symbolbild: nitpicker; Bild oben: Henryk-Ditze; Bild unten: photocosmos1 / alle Shutterstock.com

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