Von Achim Baumann
Die AfD hat sich gestern erneut zum Thema “Remigration” geäußert. Sie versucht seit Wochen klarzustellen, was mit dem Begriff “Remigration” genau gemeint ist – und was nicht. Das ist ihr gutes Recht, denn Übertreibungen, Sinnentstellungen und gehässige Interpretationen gibt es in den linksgrün getriebenen Medien zuhauf. In der gestrigen Presseaussendung mit dem rechtfertigenden Titel “AfD hat an ihrer Haltung zur Remigration keinerlei programmatische Änderung vorgenommen” offenbart sie ihre Befürchtungen, dass sich die Deutungshoheit der etablierten Medien durchsetzen und das Wort “Remigration” zum dauerhaften Tabuwort werden könnte, immerhin ist es bereits als “Unwort des Jahres 2024” gekürt worden. Einfacher wäre es für die AfD gewesen, sie hätte sich vor Martin Sellner gestellt, der den Begriff immerhin geprägt hat. Beispielsweise, indem sie sich gegen geplante Einreisebeschränkungen von Sellner positioniert hätte.
Und immer wieder das Vorfeld
Mit dem Vorfeld tut man sich in der AfD mitunter schwer: umso höher das Amt, umso rigoroser die Abkehr vom Vorfeld. Und Martin Sellner gehört zum stichwortgebenden Vorfeld, keine Frage. “An einer Veranstaltung teilzunehmen, an der ein Martin Sellner teilnimmt, das ist ohne Sinn und Verstand”, ätzte der Hamburger AfD-Chef Dirk Nockemann kurz nach Bekanntwerden der Correctiv-Recherchen. Übrigens genau der Nockemann, dessen AfD bei der vergangenen Bürgerschaftswahl ganz knapp über die Fünf-Prozent-Hürde sprang, obwohl zu früheren Zeiten Statt-Partei und Partei Rechtsstaatliche Offensive in Hamburg problemlos das Mehrfache an Stimmen einfahren konnten. Aber zurück zu Sellner: Sein Buch mit dem Titel “Remigration – ein Vorschlag” war zeitweise bei Amazon das meist vorbestellte Buch, kletterte sogar auf Platz eins, bis Verleger Götz Kubitschek bekanntgab, dass das Buch nicht über Amazon erhältlich sein werde. Ein Bestseller also, und Sellner ebenfalls ein Bestsellerautor. War sein Name für die Mainstreammedien bereits lange ein rotes Tuch, ist sein Name nach dem Bekanntwerden des Treffens in Potsdam, in hetzerischer Art und Weise “Geheimtreffen” genannt, für den gesamten politisch-medialen Komplex eine Versinnbildlichung der zunehmenden einwanderungskritischen Bewegung im deutschsprachigen Raum geworden. Und solch eine Person gehört bekämft, so zumindest die einschlägigen Systemtrompeten aus Politik, Medien und “unabhängigen” NGOs. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland nannte ihn einen “rechtsextremen Selbstdarsteller”, das ZDF subsummierte ihn unter “völkische Netzwerker” und der Züricher Tagesanzeiger nannte ihn den “Remigrations-Planer”. Also, was tun gegen so einen missliebigen politischen Aktivisten? Ganz einfach: Ein Einreisevebot verhängen!
Das Einreiseverbot
Einreiseverbote sind nichts Neues. Regelmäßig werden sie gegen missliebige Politgrößen oder Unternehmer verhängt, so sind im Zuge der bislang wirkungslosen Sanktionen gegen Russland Einreiseverbote von Politikern und Unternehmern Teil der Strategie. Und auch gegen politisch rechtsstehende Persönlichkeiten ist das nichts Neues. Erinnert sei an den Historiker David Irving, ebenfalls ursprünglich ein weltweit gefeierter Bestseller-Autor und dann zum Holocaustleugner gemacht, gegen den bei uns ein zwanzigjähriges Einreiseverbot bestand und der auch heute noch nicht in jedes EU-Land einreisen darf. Bis 15. April 2024 darf er auch nicht nach Litauen einreisen. Und so drohte man in den Medien damit, auch Martin Sellner könnte in den Genuß eines Einreiseverbots geraten. Dass das aber weitaus schwieriger ist, immerhin gelten in der gesamten EU eigentlich Freizügigkeitsregeln, war dem politmedialen Komplex offenbar nicht klar. Nachdem Martin Sellner den Spieß umdrehte und selbst nach Passau einreiste, medial begleitet, ist klar, dass das Bundesinnenministerium kein Einreiseverbot erteilt hat und dies auch nicht vorhat.
Stadt Potsdam springt ein
Die Stadt Potsdam hat wohl etwas gutzumachen – wenn es nach dem Verständnis der Einwanderungslobby geht. Denn in der Stadt fand das ungezwungene Treffen von CDU-, AfD-Mitgliedern sowie von Aktivisten wie Martin Sellner statt, das durch das finanziell abhängige Correctiv-Unternehmen zum “Geheimtreffen mit Abschiebefantasien” mutierte. Der Rechtsbeistand von Sellner berichtete daher kürzlich:“Heute erreichte uns ein Fax, mit welchem die Stadt Potsdam unseren Mandanten auffordert Stellung zu nehmen zu einer geplanten förmlichen Verlustfeststellung nach dem Freizügigkeitsgesetz. Der Bescheid, mit welchem unserem Mandanten die Grundrechte erheblich eingeschränkt werden sollen, ist praktisch schon fertig und liegt uns als Entwurf vor.”
Die “Verlustfeststellung nach dem Freizügigkeitsgesetz”
Das sperrige Wort beschreibt das, was faktisch ein Einreiseverbot nach sich zieht. So ist die Freizügigkeitsverlustfeststellung ein schwerer Eingriff in die Grundrechte von EU-Bürgern. Dementsprechend wird diese erst nach einer umfassenden Abwägung ausgesprochen, bei denen selbst wiederholte Straftaten lediglich eine Indizwirkung haben. Die Kritik an dem Potsdamer Vorhaben: Bei Martin Sellner ist eine solche umfassende Abwägung offenbar gar nicht erst vorgenommen worden.
Sieben renommierte Professoren befragt
Daher hat die Redaktion des Freiburger Standards sieben renommierte Verfassungsrechtler nach einer Auskunft zum Themenkomplex “Freizügigkeitsverlustfeststellung” gefragt. Keiner der kontaktierten Verfassungsrechtlecher wollte sich zum Problem der Freizügigkeitsverlustfeststellung äußern. Während die Professoren Dietrich Murswieck (Freiburg), Josef Isensee (Bonn), Uwe Kischel (Greifswald), Otto Depenheuer (Köln), Josef Meinel (Göttingen) die Fragen unkommentiert ließen, antworte Kyrill Alexander Schwarz (Würzburg) persönlich und hoffte, dass man andere Unterstützer fände, zudem antworte Udo Di Fabio (Bonn), dass er nicht zur Verfügung stände.
Rechtens oder nicht?
Ob eine Antwort, dass ein solcher Eingriff in der Angelegenheit Martin Sellner nicht rechtens sei, mit einer Zustimmung zum Thema Remigration gewertet werden könnte, ist nur zu vermuten. Denn welcher Verfassungsrechtler möchte sich schon dem Vorwurf aussetzen, er sympathisiere vielleicht mit dem Erfinder der Remigrationspläne des üblen Geheimtreffens in Potsdam? Fakt ist, dass eine solche Freizügigkeitsverlustfeststellung in der Regel voraussetzt, dass der Betroffene schwere Straftaten begangen hat. Das ist aber im Fall Sellner nicht der Fall. In allen österreichischen Verfahren wurde er nämlich freigesprochen. Der Verdacht erhärtet sich somit, dass die Potsdamer Ausländerbehörde gegen das Recht verstoßen könnte. Sie stellt vielmehr auf die sogenannten verfassungsfeindlichen Bestrebungen ab. Aber reicht das? Wir werden sehen, Sellners Rechtsbeistand Dubravko Mandic indes gibt sich siegesgewiß.
Verfassungsfeindlich? Sellner in einem Atemzug mit Kohl?
Folgt man einer in der Öffentlichkeit regelmäßig geäußerten Einschätzung, dass die Forderung der Abschiebung eines Teil der hier in der Bundesrepublik mittlerweile Ansässigen verfassungsfeindlich sein soll, war Kanzler Kohl daher ein unerkannter Verfassungsfeind, da er einst versprach, die Anzahl der ,,Türken“ in Deutschland halbieren zu wollen. Und Helmut Kohl genießt in weiten Kreisen der AfD große Anerkennung, wird als Kanzler der Einheit gepriesen. Während man sich zu Kohl durchaus unkritisch äußert, merkt man nichts von Solidarität der AfD-Spitze mit Martin Sellner. Im Gegenteil, Alice Weidel kündigte ihrem Referenten Dr. Roland Hartwig unmittelbar nach Bekanntwerden seiner Teilnahme am Potsdam-Treffen. Damit gab sie der Medienmeute letztlich recht, das war ein großer Bärendienst. Denn wer kündigt schon jemandem, wenn dieser nichts getan hat? Fest steht abschließend bislang lediglich, dass Martin Sellner wohl mehr zur öffentlich breit geführten Diskussion über eine nötige Abschiebung von Ausländern beigetragen hat als Alice Weidel und Co. Jetzt ist das Thema “Remgration” in der Öffentlichkeit bekannt. Wieder einmal ein gutes Argument für das Vorfeld, oder?
Beitragsbild / Symbolbild: Dmitry Demidovich; Bild oben: Johanna Poetsch / alle Shutterstock.com; Bild unten: Kachel von Prof. Dr. Stefan Homburg auf X.
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