Von Klaus Schäfer
Der Angeklagten W. wurde vorgeworfen, zwei ihrer schulpflichtigen Kinder in den Jahren 2021/22 zeitweise nicht in die Schule geschickt zu haben. Die Anklage wurde nicht, wie vom Verfasser dieser Zeilen bisher beobachtet, durch die Staatsanwaltschaft vorgetragen. Vielmehr ging dieser Verhandlung schon wenigstens ein Gerichtsverfahren voraus. Bei dem hier beschriebenen Verfahren trat eine Vertreterin der Bußgeldstelle der Stadt Freiburg an die Stelle der Anklage.
Die Verhandlung
Der Sachverhalt war den Verfahrensbeteiligten bekannt, sodass man sofort „in medias res“ gehen konnte. Die Richterin Dr. Herbert gab nach sehr kurzer Einleitung der Angeklagten Gelegenheit, sich zu äußern. Wie üblich bei Bußgeldverfahren befragte die Richterin die Angeklagte nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung ihrer Familienstruktur. Dies geschieht, um Bußgelder an die wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen. Die Angeklagte wurde bei der Sitzung von ihrem Ehemann begleitet. Beide haben sechs Kinder, die meisten davon im schulpflichtigen Alter, angefangen von einem Sohn mit Abitur bis hin zu einer Erstklässlerin. Im betroffenen Zeitraum besuchten alle Kinder die Schule.
Der Vorwurf
Der Vorwurf war nun, dass zwei oder drei der jüngeren Kinder in den Jahren 2021/22 über längere Zeiträume nicht die Schule besucht hätten. Hierzu gab es bereits in dem vorangegangenen Verfahren Zeugenaussagen, unter anderem von einem Schuldirektor. Der Angeklagten sowie ihrem Ehemann wurden deshalb von der Bußgeldstelle Freiburg insgesamt Bußgelder im unteren fünfstelligen Bereich zugeschickt. Mit großer Verwunderung erfuhr die Öffentlichkeit, dass nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater für ein und dasselbe „Vergehen“ ihrer Kinder, also Fernbleiben vom Unterricht, mit jeweils einem Bußgeld belegt wurde.
Die Meinung der Mutter
Frau W. berichtete, dass die betroffenen Kinder nach Ablauf der Unterbrechungen des Schulbesuchs, die teilweise bis zu fünf Monate dauerten, beste Zeugnisse und Beurteilungen erhielten. Die Angeklagte las unter anderem eine ausführliche Beurteilung der Klassenlehrerin über die Wiedereingliederung eines der betroffenen Mädchen vor. Insbesondere erwähnte die Lehrerin auch das auffällig soziale Verhalten des Kindes ihren Mitschülern gegenüber. Weitere, ebenfalls hervorragende Beurteilungen der betroffenen Kinder wurden verlesen und Richterin Dr. Herbert übergeben. Auch die anderen Kinder wiesen ausgezeichnete Zeugnisse und Schulabschlussnoten vor. Man konnte vor Neid nur erblassen. Der Ehemann der Angeklagten hatte zuvor als Lehrer an einer Realschule gearbeitet und in der betroffenen Zeit, zusammen mit seiner Frau, einen äußerst erfolgreichen Heimunterricht durchgeführt. Nun, was war der Grund, dass die einzelnen Kinder der Familie die Schule nicht besuchten? Alles geschah in der Zeit des Auftretens von Covid 19 mit den dadurch staatlich verordneten Maßnahmen: eine entsprechende „Impfung“ oder eine (fast) tägliche Probenentnahme aus dem Rachen- und/oder Nasenraum sowie das Tragen der „Maske“. Wie die angeklagte Mutter berichtete, vertrug beispielsweise ihre jüngste Tochter die Maske nicht; sie bekam heftige Kopfschmerzen. Die Angeklagte schilderte ausführlich, wie sie immer wieder versuchte, das Kind zum Tragen der Maske zu bewegen. Sie hatte dies mit dem Kind zu Hause geübt. Spucktests wurden für die Kinder trotz wiederholten Nachfragens bei allen möglichen Teststationen nicht angeboten.
Wegen Pandemie Schule nicht besucht?
Anfangs strickte die Angeklagte noch selbstgefertigte Masken, die das Kind eher vertragen konnte, nach gewisser Zeit jedoch wurden nur noch die offiziellen Masken zugelassen. Natürlich wurden die staatlichen Maßnahmen zu Hause diskutiert, und mit der Zeit entwickelte sich eine gewisse Skepsis gegenüber der Effektivität der Einschränkungen. Öffentlich zugänglichen Statistiken wie beispielsweise denen des Robert-Koch-Instituts konnten die Eltern keinen stichhaltigen Nachweis für die Effektivität entnehmen. Hierdurch wurden verständlicherweise auch die Kinder beeinflusst. Die Angeklagte betonte, dass nicht sie und ihr Mann die Kinder vom Unterricht ferngehalten hätten, sondern dass im Gegenteil den Kindern ein Schulausschluss angedroht wurde, sollten sie den Maßnahmen ganz oder teilweise nicht folgen. Immer wieder kämpfte sie mit den Tränen, verbarg ihr Gesicht, wenn sie an das Geschehene zurückdachte. Um den Heimunterricht effektiv zu gestalten, war es erforderlich zu wissen, in welchen Fächern welche Inhalte durchgenommen wurden. Entsprechenden Anfragen der Eltern bei den Lehrern kamen diese nicht nach. So waren die Eltern gezwungen, sich selbst über die Inhalte des Unterrichts zu informieren. Ferner boten die Schulen keinen Fernunterricht an, der die Problematik weitgehend gelöst hätte. Trotz all dieser widrigen Umstände erzielten die betroffenen Kinder beste Zeugnisse und Beurteilungen nach der Wiedereingliederung in die Schule.
Beweisantrag?
Richterin Dr. Herbert wies die Angeklagte darauf hin, dass sie und ihr Mann das Recht hätten, Beweisanträge zu stellen. Der Ehemann der Angeklagten las daraufhin auszugsweise aus einem etwa drei Zentimeter hohen DIN-A4-Papierstapel vor: wissenschaftliche Analysen von Ärzten und anderen Spezialisten, die Zweifel an den Corona-Maßnahmen hatten. Das Papier wurde dem Gericht übergeben.
Die Plädoyers
Die Plädoyers entfielen weitgehend, da zuvor schon alles gesagt worden war. Die Dame, welche die Bußgeldstelle vertrat, bestätigte ihre Vorwürfe in wenigen Sätzen. Der Tatbestand eines Verstoßes gegen das Schulgesetz sei erfüllt. Zu den Aussagen des Ehepaars nahm sie nicht Stellung.
Das Urteil
Der Beweisantrag des Ehepaares wurde abgelehnt. Es handele sich bei dem Verfahren nicht darum, die staatlich erlassenen Maßnahmen zu beurteilen. Es gehe ausschließlich darum zu bewerten, inwieweit die im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes erlassenen Einschränkungen und Vorschriften von dem Ehepaar beziehungsweise deren Kindern eingehalten wurden. Die Angeklagte wurde für jedes der beiden betroffenen Kinder zu je 400 Euro Bußgeld verurteilt. Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Ein paar Gedanken zum Urteil
Der Vortrag der betroffenen Eltern ließ das Publikum das ganze Leid der Familie erkennen: unzählige Gespräche mit Eltern, Lehrern, Schriftwechsel mit Direktoren, die Weigerung der Lehrer, die Eltern über den durchzunehmenden Stoff zu unterrichten, das Studium von Fachliteratur und Statistiken, insbesondere aber die Wissensvermittlung an die betroffenen Kinder, die Beschaffung der Schulmaterialien auf eigene Kosten und schließlich die gelungene Wiedereingliederung der Kinder in die Schulen nach Ende beziehungsweise Lockerung der Maßnahmen. Die finanzielle Belastung durch Ausfall der Tätigkeit des Vaters, um die Kinder zu unterrichten, kam hinzu. Das Publikum fragte sich, wie trotz der Anhäufung so vieler Belastungen die Kinder letztlich ungewöhnlich gute Zeugnisse vorweisen konnten. Chapeau!
Bürgerlich, trotzdem verurteilt
Dem Publikum fiel auf, dass, anders als bei allen vorangegangenen am Amtsgericht Freiburg beobachteten Verfahren, die Richterin bei der Urteilsverkündung Folgendes, das in der Regel gelobt wird, nur beiläufig erwähnte: Die angeklagte Partei ist auskunftswillig, hat keine Vorstrafen beziehungsweise ist im Bundesregister eintragsfrei, führt ein solides Leben, ist selbstständig, der Polizei nicht bekannt und so weiter. Ferner wurde im Urteil mit keinem Wort erwähnt, dass die Schulleistungen nach Wiedereingliederung durch die Lehrer mit sehr „gut“ beziehungsweise „ausgezeichnet“ bewertet wurden, auch was das Sozialverhalten der Kinder ihrer Umgebung gegenüber angeht. Das Strafmaß konnte zwischen 5 und 1000 Euro festgesetzt werden. Bei all diesen guten Voraussetzungen und Schulergebnissen schien der Öffentlichkeit die Strafe von je 400 Euro hoch angesetzt worden zu sein. Ungewöhnlich war auch, dass sich die Richterin unmittelbar nach Ende der Urteilsverkündung zur Türe umdrehte und schnellen Schrittes durch diese verschwand.
Moralisch im Recht
Die Angeklagte berichtete auch, dass sie nicht nur einmal von Lehrkräften hinter vorgehaltener Hand gesagt bekommen hatte, dass sie, die Eltern, doch letztlich Recht hätten. Dies geschah auch schriftlich. Das Publikum fragte sich, wie viele der Schüler, der Eltern, aber auch der Lehrer die Maßnahmen nur aus Angst hatten über sich ergehen lassen. Gewiss, es gab auch viele, die den Verfügungen und Einschränkungen mit Überzeugung nachkamen. Andere wiederum waren gleichgültig und wollten sich damit nicht weiter beschäftigen; sie machten einfach mit. Dies alles ist in einem demokratischen Rechtsstaat möglich. Der Verefasser dieses Reports möchte hier nicht über Richtigkeit und Unrichtigkeit der getroffenen Maßnahmen urteilen. Tatsache ist jedoch, dass an den betroffenen Schulen offensichtlich kein Fernunterricht angeboten wurde. Dieser hätte die ganze Problematik vermieden. Hier wurde am falschen Platz gespart. Vielfaches Leid hätte so vermieden werden können. Und welche gesundheitlichen, auch psychischen Folgen hatte das alles für die Kinder und deren Familien. Die Praxen der Psychologen sind überrannt. Haben die verantwortlichen Ministerien daraus gelernt. Sind wir für ein weiteres Mal besser vorbereitet?
Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com, oben: Salivanchuk-Semen / Shutterstock.com
Abonnieren Sie auch unseren Telegram-Channel unter: https://t.me/FreiburgerStandard
Hinterlassen Sie einen Kommentar