Von  John Duke of Lancaster

‘Von der Diktatur zur Demokratie’ von Gene Sharp ist der Klassiker und die Einführungsliteratur für den gewaltlosen Widerstand. Das kleine Büchlein ist in vielen Sprachen erschienen. Der Amerikaner Gene Sharp (1928-2018), selbst ein links-liberaler Politikwissenschaftler, hat in seinem Buch auf Schwellenländer (verschiedene Farbrevolutionen etc.) Bezug genommen.

Regime Change von rechts
Von daher war es höchste Zeit, ein auf Sharps Thesen aufbauendes Werk zu schreiben, das aber nicht die Farbrevolution in den Schwellenländern im Sinne der westlichen und amerikanischen Hegemonie zum Ziel hat. Vielmehr geht es um den gewaltfreien Widerstand in West-Europa, wobei der Regime Change á la Sharpe nur die letzte Option darstellt, wenn die Demokratie in Richtung freier Wissenschaftsdiskussion und Meinungsäußerung usw. nicht reformierbar sein sollte.

Die Leitstrategie des Regime Change
Der Autor, der bekannte Aktivist und Widerständler Martin Sellner (*1989), gründete 2012 die IB und ist darüber hinaus bei der Bürgerbewegung ‘Die Österreicher’, in den Corona-Protesten und als Autor in verschiedenen Verlagen und Zeitschriften aktiv. Das rechte Hauptziel formuliert Sellner kurz und knapp mit ‘Erhalt der ethno-kulturellen Identität’. Dieses Ziel können viele, die schon vor 2019 auf der Straße waren, ohne weiteres unterschreiben. Aber auch Gruppen, die vielleicht andere Primärziele wie den Sozialstaat, einen Minimalstaat (Libertäre) oder eine Basisdemokratie im Fokus haben, können das nur in einer halbwegs homogenen Bevölkerung umsetzen. Entgegen der Behauptung des Mainstreams geht es nicht um eine ethnisch-reine Bevölkerung, sondern um eine Gesellschaft, die ‘nicht jeden Tag neu die Regeln für das Zusammenleben aushandeln muss’ und das geht nun mal nur mit einer Mehrheitsgesellschaft.

304 Seiten, Klappenbroschur, ISBN: 9783949041549, 20 Euro. Verlag Antaios (2023).

Den Speer mal richtig weit werfen….
Martin Sellner bietet in dem Buch über 300 Seiten lang einen Entwurf zur Strategie, um dieses Ziel zu erreichen. Das Buch ist systematisch aufgebaut und orientiert sich in dieser Hinsicht an dem kleinen Büchlein von Gene Sharp. Aber es unterscheidet sich nicht nur in der Leitstrategie und den Zielgesellschaften, sondern geht auch in der Tiefe und Ausführlichkeit weit darüber hinaus.

Strategien des Widerstandes
Wie Sharp lehnt auch Sellner jegliche Gewalt und Militanz strikt ab. Einmal selbstverständlich aus moralischen Gründen, aber auch aus strategischer Sicht, denn es würde nur vom politischen Gegner ausgenutzt. Der andere Weg, den Sellner verwirft, ist der reine ‘Parlamentspatriotismus’. Damit ist ein harmloser Weg gemeint, nur und ausschließlich durch Parlamentsarbeit und Mehrheiten eine Wende zu schaffen. Dieser Weg ist oft mit Distanzierungen vom eigenen Vorfeld verbunden. Der ehemalige AfD-Politiker Jörg Meuthen und aktuell Manfred Heimbuchner von der FPÖ stehen für diesen Weg. Die Macht liegt nicht in den Gewehrläufen, aber auch nicht in den Parlamenten, sondern ganz woanders…

Reconquista, Gramsci und die Umkehrung linker Strategien für die ‘Neue Rechte’
Die Umsetzung der Leitstrategie ‘Erhalt der ethno-kulturellen Identität’ nennt Sellner Reconquista (angelehnt an die Rückeroberung Spaniens gegen die islamischen Mauren). Das geschieht vor allem durch eine Änderung im Meinungsklima. Die 68er haben genau das bewerkstelligt und obwohl die Partei ‘Die Grünen’ in guten Zeit selten mehr als 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnten, treiben sie alle Alt-Parteien – einschließlich der CDU beziehungsweise ÖVP -, die Wirtschaft, Medien usw. vor sich her. Diese Taktik geht auf den italienischen Kommunisten Antonio Gramsci (1891-1937) zurück, der den Begriff ‘Metapolitik’ prägte. Wie die 68er das Overton-Fenster, die Messgröße des Meinungsklimas einer Gesellschaft, benannt nach dem amerikanischen Politologen Joseph Paul Overton (1960-2003), immer weiter nach links verändert haben, wird es im Rahmen der Leitstrategie wieder nach rechts, also Richtung Mitte, verschoben.

Borgen, leihen oder stehlen
Martin Sellner hat mit dem Buch ein langes Vorhaben zu Papier gebracht. Die systematischen Aufgaben von Partei, Vorfeld (Avantgarde), Gegenöffentlichkeit, Gegenkultur werden detailliert beschrieben. Auch Leute aus dem oppositionellen Lager, die vielleicht ein anderes Primärziel verfolgen, wird das Buch weiterhelfen. Denn vieles im Bereich des Corona-Widerstands und auch der neuen Friedensinitiative wirkt ziel- und orientierungslos. Im Zweifelsfall sollte die Opposition die vier Minimalziele von Manfred Kleine-Hartlages Buch Querfront als gemeinsames Ziel ausrufen: Nationalstaat als hõchste Ebene, Einwanderung auf ein sozial-verträgliches Maß beschränken, einen Staat ohne ‘Wahrheitsmonopol’ und Diplomatie und Friedenssicherung in der Außenpolitik. Dass eine klassische Orientierung an den Grundsätzen der Metapolitik langfristig erfolgreich sein kann, zeigt die ‘Orbanisierung’ in Ungarn. Hingegen war die Präsidentschaft Donald Trumps, die Regierungsbeteiligung der FPÖ und zuletzt die Regierung Meloni in Italien nicht viel mehr als ein Strohfeuer. Gerade in letzter Zeit gibt es etliche vielversprechende Ansätze im Bereich Gegenöffentlichkeit und Theoriebildung, aber auch durch eine Änderung der Politik von AfD und FPÖ (Bewußtes Einbinden des Vorfelds statt Distanzierungen). Steilvorlagen, wie zuletzt in der Zeit ‘Ausschreitungen im Freibad sind auf die hohen Pommes-Preise zurück zu führen’, sollten genutzt werden und versetzen die rechte und bürgerliche Opposition in die Lage, auch intellektuell zu punkten!

Das Buch gibt beim Verlag Antaios derzeit im günstigen Doppelpack. Beitragsbild: John Duke of Lancester (Urheber).

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