Von Klaus Schäfer

Ein unvergleichlicher Prozess fand am Montag, 16. Januar, im Amtsgericht Freiburg statt. Ein schon deutlich vor Verhandlungsbeginn im Zuschauerteil voll besetzter Saal ließ etwas Ungewöhnliches erwarten. Voller Spannung erwartete die Öffentlichkeit – ein Querschnitt durch die Bevölkerung – den Prozessbeginn. Ein Teil der Beobachter musste vor der Türe bleiben, da alle etwa 30 Zuschauerstühle belegt waren. Ungewöhnlich auch das Beisein von zwei Justizangestellten, die zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit im Verhandlungssaal zugegen waren. Bis auf eine Ausnahme verhielt sich das Publikum weitgehend vollkommen ruhig und gesetzt; die Ordner konnten der Verhandlung also in Ruhe folgen. Nur nach Beginn des Plädoyers des Angeklagten M. kam heftiger Beifall auf. Daraufhin erklärte Richterin Ohnemuss dem Publikum, dass Meinungsäußerungen desselben nicht erlaubt seien und dass sie, die Richterin, im Wiederholungsfall Saalverweise aussprechen könne. So blieb es im weiteren Verlauf der Verhandlung ruhig.

Ohne Anwalt
Auffällig war unter anderem, dass der Angeklagte M. ohne Anwalt erschienen war. Vorab bemerkt: kein Anwalt hätte ihn besser verteidigen können als er selbst. M. hatte hinter sich an einem etwa drei Meter hohen Stativ einen Bildschirm aufgebaut, den er von seinem Personal Computer aus bediente. Ihm gegenüber saß die Staatsanwältin Wilke, geschätzt eine Mittdreißigerin. Die Richterin Ohnenmuss, etwa in demselben Alter, ließ sich mit dem Beginn der Verhandlung Zeit. Von der Form, also dem technischen Verlauf der Verhandlung her, lief der Prozess genauso ab,  wie vom Verfasser dieser Zeilen bei bisherigen Sitzungen beobachtet. Doch unterschied sich die Verhandlung wesentlich in Inhalt und Prozessverlauf.

Symbolbild: Salivanchuk Semen / Shutterstock.com

Worum ging es also?
Zunächst stellte der Angeklagte den Antrag, die Verhandlung akustisch aufnehmen zu dürfen. Zur Beantwortung dieser Frage zog sich das Gericht für einige Minuten zurück, um den Antrag abzulehnen. Dies sei nicht üblich. Staatsanwältin Wilke verlas eine lange Anklageschrift. Leider erfolgte der Vortrag in sehr raschem Tempo, sodass Mitschreiben nicht möglich war. So wird hier versucht, das Wesentliche der Anklage inhaltlich wiederzugeben. Die Anklage lautete auf Volksverhetzung. Dies sei durch die vielen von M. geschaffenen und in der Öffentlichkeit dargestellten Plakate und Leuchtschriften belegbar. Auf diesen habe er die Einschränkungen, die im Rahmen der sogenannten Corona-Schutzverordnung erlassen worden waren, mit denen des Dritten Reiches verglichen und damit das Leid und die Opfer der Juden in Europa grob verletzt beziehungsweise verharmlost. So habe er den öffentlichen Frieden gestört sowie die Verbrechen des NS-Regimes gebilligt und geleugnet. Ungewöhnlich war auch, dass M. keinen der Tatvorwürfe bestritt, ja im Gegenteil diese durch bildhafte Darstellung auf dem Bildschirm noch unterlegte. Auch dies untermauerte die ungewöhnliche Offenheit, mit der er zu seinen Handlungen stand und so unter anderem auch die Erinnerung geladener Zeugen, die sich an ein von ihm hochgehaltenes Transparent nicht im Detail erinnern konnten, mit einer Photographie desselben unterstützen konnte. Jedoch bestritt er heftig die Unterstellung durch Staatsanwältin Wilke, die Verbrechen an den Juden im Dritten Reich verharmlost beziehungsweise bagatellisiert zu haben. Genau um diesen Streitpunkt ging es in der Verhandlung.

Der Prozess
Zu Beginn des Prozesses verwies der Angeklagte M. auf Artikel 5 – Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft – Abschnitt 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Im Verlauf der Verhandlung wies M. wiederholt auf die gesundheitlichen Folgen der Impfung bei vielen Menschen hin. Laut deren Aussagen sowie aufgrund von Datenerfassungen und Statistiken habe es zahlreiche Fälle mit scherwiegenden gesundheitlichen Schädigungen bis hin zum Tod gegeben. Medizinisch sei die Verimpfung eines sogenannten Impfstoffes, der nicht im üblichen Umfang und nur über einen sehr kurzen Zeitraum hinweg getestet worden sei, bedenklich. Er wies darauf hin, dass es zumindest bei einzelnen Herstellern während der sehr kurzen Testphase des Medikaments keine Untersuchungen darüber gegeben habe, inwieweit die Impfung eine Übertragbarkeit der Krankheit verhindere. Dies sei jedoch eine zentrale Argumentation der staatlichen Impfbefürworter für die Impfung gewesen. Der Angeklagte führte weiter aus: Was im Dritten Reich an den Juden geschehen sei, sei so ungeheuerlich und dürfe sich nie wiederholen, dass er sich innerlich verpflichtet fühle, dass, was auch immer an Gesetzgebungen und Erlassen wie zum Beispi mit der Corona-Schutzverordnung herausgegeben werde, nie der Beginn einer auch nur im Ansatz vergleichbaren Entwicklung sein dürfe. Deshalb drängte und dränge es ihn, mit seinem Anliegen an die Öffentlichkeit zu treten, ja deren Aufmerksamkeit zu erregen, um so zu verhindern zu versuchen, dass die durch die Regierung erlassenen Einschränkungen der persönlichen Freiheit sich niemals als Beginn einer ähnlichen Entwicklung wie der im Dritten Reich herausstellen solle.

Das Urteil
In ihrem Urteil argumentierte Richterin Ohnemuss, M. habe durch seine Darstellungen in der Öffentlichkeit, also durch einen gewissen Vergleich der Corona-Schutzverordnung mit dem Ermächtigungsgesetz des Dritten Reiches die Verbrechen an den Juden relativiert, bagatellisiert, herabgespielt und verharmlost. Die Massenmorde im Dritten Reich stünden im großen Widerspruch zu den Folgen der Einschränkungen durch die Corona-Schutzverordnung. Der Vergleich stehe in krassem Missverhältnis zu der systematischen Ermordung von Juden in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches. Er habe diese Verharmlosung billigend in Kauf genommen sowie in der Öffentlichkeit offen und bewusst dargestellt. In der Bundesrepublik Deutschland existiere die Meinungsfreiheit nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze. Bezüglich seiner Taten gebe es einen Ermessensspielraum, diese Vorgänge zu beurteilen, wobei das Gericht bestrebt sei, die möglichst niedrigste Strafe zu wählen. Die einzige Deutungsmöglichkeit sei hier jedoch diejenige, dass er durch seinen Vergleich verharmlose, denn die Impfgegner treffe nicht das gleiche Los wie die Juden im Dritten Reich, nämlich als Folge in den Konzentrationslagern zu landen. Im Rahmen der Volksverhetzung galt es für das Gericht zu prüfen, inwieweit er durch seine Demonstrationen den öffentlichen Frieden gestört habe. In dem aktuellen politischen Klima bestehe die Gefahr, dass bei Menschen mit ähnlichen Gedanken, diese zu einer Verharmlosung der Geschehnisse im Dritten Reich führen könnten. Bei solchen Menschen könnten seine Überzeugungen auf fruchtbaren Boden fallen. Das Gericht entschied sich für eine Geldstrafe von 60 Tagesätzen zu je 30 Euro sowie die Übernahme der Prozesskosten in Höhe von 450 Euro durch den Angeklagten.

Eine Interpretationsmöglichkeit des Urteils
Durch das Gericht missverstanden könnte hier sein, dass der Angeklagte nicht die Leiden und Schrecknisse der Juden damals herabsetzen wollte, sondern im Gegenteil mögliche Konsequenzen zumindest einzelner Abschnitte der Corona-Schutzverordnung beleuchten wollte. Er hatte also im Sinn, die Bevölkerung durch diesen bewusst extrem gehaltenen Vergleich wachzurütteln und auf mögliche Konsequenzen hinzuweisen. Diese Folgen seien im Wesentlichen die unzähligen gesundheitlichen Schädigungen vielfacher Art kurz oder in einigem Abstand nach einer Impfung gewesen, in vielen Fällen bis hin zum Tod. Hingegen konnten die Zuschauer eine Verharmlosung der Verbrechen im Dritten Reich durch den Angeklagten nicht ein einziges Mal feststellen. Nein, M. wies ganz im Gegenteil wiederholt auf die Schwere der Verbrechen an den Juden hin. Sein einziges Anliegen, das er überwiegend in Form von Einmanndemonstrationen in der Öffentlichkeit vorbrachte, war,  auf den Beginn einer möglicherweise ähnlichen Entwicklung hinzuweisen. Wie oben beschrieben, argumentierte die Richterin unter anderem damit, dass seine Überzeugungen bei Menschen mit ähnlichem Gedankengut auf fruchtbaren Boden fallen könnten.

Eine Frage bleibt
Was sind denn seine Überzeugungen konkret? Die Öffentlichkeit nahm hier im Wesentlichen den Vortrag zweier Überzeugungen des Angeklagten wahr. Erstens: die Verbrechen des Dritten Reiches an den Juden waren von unerhörtem Ausmaß. Und zweitens: es ist unsere Pflicht, auf den Beginn einer Entwicklung hinzuweisen, die eventuell zu  Auswirkungen führen könnte, die denen im Dritten Reich ähnlich sein könnten. Man müsse sich einer solchen Entwicklung mit aller Kraft entgegensetzen, das ist unzweifelhaft. Er habe die durch die Corona-Schutzverordnung herbeigeführte Situation allerdings für so dramatisch gehalten, dass er bereit war, seinem Beruf über ein Jahr lang nicht nachzugehen, um so auf diese drohende Gefahr in der Öffentlichkeit, vor dem Bundeskanzleramt, dem Reichstag und an vielen anderen Orten unseres Landes hinzuweisen. Und das ist wirklich strafbar?

Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com

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