Von Klaus Schäfer

Im Amtsgericht Freiburg fand am Donnerstag, 1. Dezember, eine Verhandlung wegen „gefährlicher Körperverletzung“ statt. Der Fall hatte sich am 4. April 2022 im Landratsamt Freiburg zugetragen. Von der Staatsanwaltschaft angeklagt war der im Margräfler Land lebende Muhammet A., Ende 40, Vater von drei Kindern, verheiratet, türkischer Staatsbürger, unlängst zum Maschinenanlagenführer mit gutem Abschluß umgeschult und im neuen Beruf bereits in Vollzeit tätig. Seine Frau geht einer Nebentätigkeit nach.

Sieben Zeugen, wirklich ein schwerwiegender Fall?
Beeindruckt durch die Zahl so vieler Zeugen erwartete das Publikum die Schilderung einer Straftat nicht unerheblichen Ausmasses. Verhandlungsleiter war der Richter Schuller. Er befragte zunächst den Angeklagten nach dem Vorfall. Dieser schilderte: Ziel seines Besuchs beim Landratsamt sei es gewesen, sich die Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu beantragen. Zu diesem Zweck hatte er von der Behörde eine Einladung mit Termin erhalten. Diesen wollte er wahrnehmen. Vor dem Eingang des Landratsamtes angekommen standen dort zwei Sicherheitsleute, denen er auf Verlangen die Einladung mit Termin zeigte. Diese hätten ihn jedoch nicht ohne weiteres durchlassen wollen: Er habe sich von diesen provoziert gefühlt und sei dann selbstständig in die im Untergeschoß des Amtes befindliche Ausländerbehörde gegangen. Dort angekommen, habe er zunächst in einem Büro nachgefragt, wo und wie er Beschwerde gegen die Sicherheitsleute einlegen könne, die ihn ohne offensichtlichen Grund unfreundlich behandelt hätten. Er habe die Abteilungsleiterin zu sprechen verlangt. Diese erschien auch. Er erklärte ihr, dass er nur seinen Aufenthaltstitel abholen wolle. Einer der Sicherheitsleute sei bei diesem Gespräch dabei gewesen. Schließlich seien zwei weitere Sicherheitsmänner erschienen und hätten ihn ohne weitere Ansprache in Richtung Treppenaufgang gezerrt. Auf der im Kreis nach oben gehenden Wendeltreppe sei er dann von den Sicherheitsleuten ergriffen worden, einer habe ihm am Hals nach hinten zerren wollen, ein Zweiter ergriff seine Arme. Er habe sich am Treppengeländer festgehalten um dem entgegenzuwirken. Einer der für die Sicherheit verantwortlichen Männer habe ihn mit „Du Scheiß Ausländer, was willst Du hier“ angeschrieen. Auch sei er von den Ordnungshütern geschlagen worden. Ein Weiterer habe ihn als „Stück Scheiße“ bezeichnet. Er hingegen habe niemanden geschlagen. Schließlich sei er nach draußen gezerrt worden, wo schon die Polizei wartete. Außer einem wohl chinesischstämmigen Polizisten habe die Polizei ihm nicht zugehört, sondern ihn nur gemahnt, Ruhe zu geben. A. gab bei seiner Aussage mehrfach zu, geschrieen zu haben, da er sich ungerecht behandelt und provoziert gefühlt habe. Anschließend habe er sich von einem Freiburger Arzt (Name ist dem Gericht bekannt) ein Attest über seine Blessuren schreiben lassen. Aufgrund der Schläge gegen ihn habe er Strafanträge gegen zwei der Sicherheitsleute gestellt.

Symbolbild: Salivanchuk Semen / Shutterstock.com

Die Zeugen der Sicherheitsmänner – wer wandte denn nun Gewalt an?
Als Zeugen wurden zunächst die drei betroffenen Sicherheitsmänner getrennt aufgerufen. Deren Aussagen schilderten weitgehend denselben Ablauf der Ereignisse. Im Unterschied zum Angeklagten berichteten sie jedoch, dass dieser die mit dem Termin versehene Einladung des Landratsamtes nur flüchtig gezeigt habe, sodass sie nicht in der Lage waren, diese zu lesen. Da A. ohne weiteres Hinzutun dann einfach das Amt betreten habe, sei ihm einer von ihnen gefolgt. So sei die Dienstvorschrift. Schließlich rief der Sicherheitsmann, der A. gefolgt war, seine zwei Kollegen über Sprechfunk dazu. Dies sei erforderlich gewesen, da A.  nicht aufgehört habe zu schreien und seiner Aggressivität Ausdruck verlieh. Der Aufforderung der Sicherheitsleute mit ihnen nach oben, also nach draußen, zu kommen, sei er nicht nachgekommen. Die Sicherheitskraft habe A. angeboten, sich nach draußen führen zu lassen und später, wenn er sich beruhigt habe, wiederzukommen. Die drei Kollegen hätten ihn dann über die Treppe nach oben gezerrt, wobei A. zumindest einen von ihnen mit dem Ellbogen geschlagen und einen zweiten mit der Faust am Kopf gestreift habe. Außerdem habe der Angeklagte zu dem jüngeren von ihnen „Du bist ein Arschloch“ gesagt. Dem rumänischstämmigen Zeugen wurde laut Aussage durch den Schlag gegen seinen Kopf schwindelig.

Die Zeugen des Landratsamtes – eine einleuchtende Schilderung der Ereignisse im Untergeschoss des Landratsamtes
Als Zeugen traten nun getrennt drei Mitarbeiterinnen des Amtes auf, als letzte von diesen die Fachbereichsleiterin. Diese Aussagen führten zu einer geordneten Darstellung der Geschehnisse im Ausländeramt, also im Untergeschoss des Gebäudes. Daraus ergab sich folgender Zusammenhang: vom Geschrei des Angeklagten sowie der drei Sicherheitsleuten aufgeschreckt, traten die Zeuginnen neben vielen anderen Mitarbeitern aus ihren Büros auf den Flur und folgten der verbalen Auseinandersetzung der streitenden Parteien. Der Fachbereichsleiterin gelang es, sich mit A. an den im Flur befindlichen Stehtisch mit Kaffeautomaten zu stellen und A. zu beruhigen. In Anwesenheit des jungen Sicherheitsmannesmannes ergab sich ein ruhiges Gespräch, in welchem die Mitarbeiterin A. die Aushändigung des gewünschten Dokuments bestätigte. Dann jedoch seien die zwei bis dahin vor dem Eingang des Amtes stehenden Sicherheitsleute die Treppe hinuntergestürmt und alle drei Sicherheitskräfte hätten anschließend A. nach oben auf die Treppe gezerrt. Alle drei Zeuginnen bestätigten, dem weiteren Verlauf des Geschehens nicht gefolgt zu sein. Dies sei allein schon wegen der Rundung der Wendeltreppe optisch nicht möglich gewesen. So konnten die gegenseitigen Vorwürfe der Parteien betreffs Gewaltanwendung und Beleidigung nicht bestätigt werden.

Das Urteil
Nach kurzer Rücksprache mit der Staatsanwältin Walter, kündigte Richter Schuller dem Angeklagten sowie seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Peter Henning eine Einstellung des Verfahrens nach §153/8 Strafprozessordnung, Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit, an. Auf den siebten Zeugen konnte verzichtet werden, da dieser das Geschehen nicht selbst beobachtet hatte und zudem der Fall eindeutig geklärt wäre. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die Auslagen des Angeklagten. Dieser kündigte an, Anzeige gegen die Sicherheitsleute wegen Falschaussage zu stellen. 

Ein persönlicher Kommentar von Gerichtsreporter Klaus Schäfer: Meine Meinung als Laie und – wie handele ich besser im Alltag?
Ich meine: es war ein faires Verfahren, bei welchem alle Seiten beleuchtet wurden. Der Angeklagte, wohl in Sachen heftiger Wutausbrüche dem Gericht aus dessen Führungszeugnis nicht ganz unbekannt, hatte letztlich nur durch seine Kolerik die ganze Unruhe ausgelöst. Hätte er die Einladung des Landratsamtes den Sicherheitsleuten am Eingang ordentlich gezeigt, wäre der Ärger allen Betroffenen erspart geblieben. Ich bleibe bei meiner Devise: wird von mir von einer Autorität des Staates, und sei es auch „nur“ durch einen zivilen Sicherheitsmann, aus berechtigtem Grund das Zeigen eines Dokuments verlangt, folge ich ihm. So können Ärger erspart und dem Staat, sprich uns Bürgern, Steuergelder für die Beschäftigung des Justizapparates erspart bleiben. Zeigen wir uns – in welcher Situation auch immer – Autoritäten des Staates gegenüber loyal, ohne dabei unsere Ansichten und Rechte aufzugeben.

Beitragsbild: Symbolbild, Urheber: corgarashu / Shutterstock.com

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