von Klaus Schäfer

Am vergangenen Freitag, 18. November, wurde vor dem Amtsgericht Freiburg ein Verfahren wegen „Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz“ verhandelt. Der Angeklagte, E.S., hatte am 19. Dezember 2020 – also vor nahezu genau zwei Jahren, eine Versammlung von Corona-Maßnahmen-Kritikern gefilmt und dabei keine Maske getragen – so der schwerwiegene Vorwurf. Dem Verfahren war eine Verhandlung am Oberlandesgericht Freiburg vorausgegangen, in dessen Ergebnis der Angeklagte einen Bußgeldbescheid wegen unerlaubten Nicht-Maskentragens während einer öffentlichen Versammlung erhalten hatte. E.S. hatte hiergegen Einspruch eingelegt. Diese Rechtsbeschwerde wurde vom OLG teilweise bestätigt. Das Verfahren wurde vom OLG wieder an das Amtsgericht zurückgegeben.

Der Prozeß
Während der Verhandlung zeigte E.S. dem Richter, einem jungen Mann Ende 20, nach eigener Aussage etwa seit einem halben Jahr im Amt, seinen Presseausweis vor, der vom Richter nicht beanstandet wurde. In der nun jüngst stattgefundenen Verhandlung schilderte E.S.. ferner wie er seinerzeit eigens zu diesem Zweck aus der Schweiz angereist, an einer ursprünglich ohne Auflagen zugelassenen Demonstration von Corona-Maßnahmen-Kritiker in der Innenstadt von Freiburg teilnehmen wollte. Nach seiner Aussage wurde die Demonstration etwa eine Stunde vor Demonstrationsbeginn untersagt. Dies erfuhr er als er bereits vor Ort war. Da er, wie andere Teilnehmer auch, von weither angereist war, wollte er nicht tatenlos zurückfahren. So entschloss er sich mit einem zweiten Teilnehmer durch die Stadt in Richtung des ursprünglich geplanten Veranstaltungsortes nahe beziehungsweise am Bertoldsbrunnen zu gehen. Dort angekommen, beobachtete er eine Gruppe von Menschen, die offensichtlich von der Polizei eingekesselt worden und so zum Stehen gekommen waren. E.S. hielt an, um so das nach seiner Ansicht unrechtmäßige Verhalten der Polizei mittels seiner Videokamera zu dokumentieren. Ursprünglich sollte er auf der damals noch nicht untersagten Demonstration eine Rede halten, was nun weder möglich noch erlaubt war. Währenddessen bildete sich aus einzelnen, kleineren Grüppchen von Spaziergängern eine zweite Gruppe, die der Gruppe im Polizeikessel durch Zurufe ihre Solidarität bekundete. Auch dies dokumentierte er. In der Verhandlung ging es nun um die Frage, inwieweit das Filmen des Angeklagten ihm diese Tätigkeit als Teilnahme an einer verbotenen Demonstration vorgeworfen werden kann. Falls ja, käme also hierzu noch der Vorwurf des Nicht-Tragens der Maske hinzu. Seine Tätigkeit war auch aus dem Ziel heraus verfolgt worden, um zu deeskalieren. Der Angeklagte habe sich mit der Polizei unterhalten und habe dabei eine Zeugin, eine Polizistin, gefragt, warum denn die Demonstranten eingekesselt worden seien. Diese habe ihm geantwortet, dass es um eine Aufnahme der Personalien gehe. Auf seine Frage, warum dies denn nicht geschehe, antwortete die Polizistin, dass dies von anderen Kollegen vorgenommen würde. E.S. beobachtete dies jedoch nicht. Die Polizistin bestätigte ihm, dass die Teilnehmer nach Aufnahme der Personalien nach Hause entlassen würden.

Symbolbild: Salivanchuk Semen / Shutterstock.com

Aufwand mit mehreren Zeugen
Es wurden zwei Zeugen getrennt in den Sitzungssaal gerufen, zunächst eine Polizistin und danach ein Polizist, beide in zivil. Die Zeugen bestätigten die Schilderung der Vorkommnisse wie vom Angeklagten dargelegt, konnten jedoch keine Aussagen zu dem, was E.S. mit den Teilnehmern der Demonstration gesprochen hatte, machen, da sie nicht direkt neben ihm gestanden seien. Durch die Aussagen der Zeugen ergab sich kein neuer Sachverhalt. Der Richter hielt E.S. vor, von der zweiten, sich spontan gebildeten Gruppe freudig begrüßt worden und mit Teilnehmern aus der Gruppe ins Gespräch gekommen zu sein. Dies wertete er als eine Art von Demonstrationsteilnahme. Der Richter ging folglich von einer Teilnehmereigenschaft des Angeklagten aus. Schließlich bot der Richter dem Angeklagten eine Einstellung des Verfahrens, verbunden mit einem Bußgeldbescheid in Höhe von ca. 250  Euro an. Der Regelfall des Maskenverstoßes belaufe sich auf 70  Euro, wegen der Dauer des Verstoßes habe er diese Summe erhöht. E.S. lehnte dieses Angebot ab. Es gehe ihm nicht um das Geld, sondern um das Recht als solches. Es könne doch nicht sein, dass er, wenn er die Geschehnisse um die Demonstration herum dokumentiere, zudem noch im Besitz eines gültigen Presseausweises, zu einem Maskenverstoß sowie als Teilnehmer an einer untersagten Demonstration verurteilt würde. Seit Anfang der Sitzung waren die unterschiedlichen Positionen zwischen Richter und Verteidigung in der Beurteilung darüber klar. Der Richter hatte die Akte des OLG vor sich liegen und sich wohl aufgrund dieser Akteneinsicht von Anfang an ein Bild gemacht, das dem der Verteidigung entgegenstand. Nichtsdestoweniger wollte er eine Entscheidung nicht treffen, ohne E.S. Dokumentationsfilm gesehen zu haben. Ausschnitte aus dem Film wurden von ihm im Sitzungssaal für alle hörbar daher verfolgt.

Die Verteidigung
Das Pläoyer der Verteidigung war durch drei Argumente geprägt, welche während der Verhandlung mehrfach schon genannt worden waren: es handele sich bei der Zusammenkunft der zweiten Gruppen um eine Spontanversammlung, die ja nur durch die Einkesselung der ersten Gruppe entstanden worden sei. Ferner sei es geboten, den gesamten Vorgang zu dokumentieren. Dies allein schon deshalb, um eine objektive Dokumentation der Geschehnisse zu haben und so gegenebenfalls gegen Falschbehauptungen zu den Geschehnissen durch die Presse und durch Dritte gewappnet zu sein. Der Eindruck durch die öffentlichen Medien sei häufig verzerrend.  Ferner sei dies umso mehr erforderlich, um so gegen mögliche Behauptungen von Gewaltanwendung gegen wen auch immer einen Nachweis zu haben. Zudem wollte sich der Angeklagte nicht in seiner journalistischen Tätigkeit einschränken lassen. Ferner habe der Angeklagte die Versammlung letztlich verlassen. Der Verteidiger plädierte daher auf Freispruch.

Das Urteil
Nach einer zwanzigminutügen Pause sprach der Richter das Urteil: der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 300  Euro verurteilt. Begründung: Es habe sich bei der zweiten Gruppe nicht um eine Spontanversammlung gehandelt. Er sehe in der Tätigkeit von E.S. einen versammlungsbegleitenden Charakter, E.S. sei quasi als Versammlunsleiter aufgetreten. Weiterhin habe der Angeklagte gewusst, dass es sich um eine untersagte Versammlung gehandelt habe. E.S. sei immerhin von den Teilnehmern der zweiten Gruppe freudig begrüßt worden und habe sich mit diesen auch unterhalten. Auch habe er dem Film entnommen, wie E.S. an einer Stelle gesagt habe „Was machen wir denn jetzt“. Durch das „wir“ habe er seine Verbundenheit mit der Gruppe bestätigt. Den lang andauernden Maskenverstoß habe er mit 175  Euro, den Versammlungsverstoß mit 125 Euro bewertet.

Die Reaktion
E.S. kündigte an, Revision einzulegen. Das Verfahren wird somit beim OLG in Karlsruhe weitergeführt werden. Da dürfte das Oberlandesgericht dann der Frage nachgehen, ob Pressevertreter grundsätzlich Personen sein müssen, die mit den Teilnehmern einer Versammlung nicht bekannt sein dürfen. Oder andersherum: Müssen Journalisten Personen sein, die den Demonstranten eben nicht bekannt sind? Was ist mit denen, die schon einmal mit Versammlungsteilnehmern ein Interview geführt haben oder vielleicht sogar ein Bier getrunken haben? Wo ist da eine Grenze zu ziehen? Eine solche Vorgabe ist gerade in kleinen Städten oder Gemeinden überhaupt nicht einhaltbar!

Beitragsbild: Symbolbild, Urheber: corgarashu / Shutterstock.com

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