Von Achim Baumann
In den Niederlanden wurde schon gewählt. Gewählt? Ja, die EU-Wahl steht vor der Tür, die bei uns anmaßend „Europawahl“ heißt. Ersten Hochrechnungen zufolge führt das rot-grüne Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen knapp vor der Partei von Geert Wilders, was dennoch sieben EU-Mandate für die führende Rechtspartei der Niederlande bedeuten würde. Beim vergangenen EU-Wahlgang konnte sie nur einen Vertreter nach Brüssel schicken. Aber die Medien jubeln dennoch über den angeblich „mageren“ zweiten Platz. So werden wir in den kommenden Tagen auch bei uns wieder häufig erleben, wie Ergebnisse umgedeutet werden, nötigenfalls den richtigen Spin erhalten und – wie gewohnt – Verlierer zu Gewinnern erklärt werden. Und wenn Rechtsparteien nicht ganz so gut abgeschnitten haben wie Prognosen, werden sie halt zu Verlierern erklärt. Dass die AfD dieses Schicksal ebenso erleiden wird, dürfte jetzt schon ausgemachte Sache sein.
EU oder Europa?
Die EU-Wahl hat am Donnerstag bereits in einigen Mitgliedsstaaten begonnen. In der Bundesrepublik wird die Wahl vom polit-medialen Establishment allerdings „Europawahl“ genannt. Das ist falsch und vor allem anmaßend. Offenbar soll dem Bürger gegenüber suggeriert werden, dass die Europäische Union (EU) fast das gesamte Territorium von Europa umfasst. Naja, bis auf Großbritannien, denkt sich wohl der ungebildete Zeitgenosse, denn das Vereinigte Königreich hat die EU ja im Januar 2020 verlassen. Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache: Die EU hat derzeit lediglich 27 Mitgliedsstaaten, aber zu Europa gehören rund 50 Länder. Das heißt, das Staatenkonglomerat „EU“ hat gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der in Europa befindlichen Länder für sich gewinnen können. Ist sie für die anderen Länder etwa nicht interessant genug? Zwar leben in der EU 447 Millionen Menschen, aber im gesamten Europa stolze 742 Millionen. Die EU umfasst eine Fläche von 4,3 Millionen Quadratmetern, Europa indes 10,3 Millionen Quadratmeter. Trotzdem macht man in den Schreib- und Redaktionsstuben der Einheitspresse und den Parlamenten der Nation so, als ob die EU für Europa alternativlos sei. Offenbar ist sie das nicht. Aber der einfache Wähler darf unter gar keinen Umständen begreifen, dass die EU nur einen Teil Europas repräsentiert. Daher die beliebte Nebelkerze, es handle sich bei der „EU-Wahl“ um eine „Europawahl“.
60.000 Beamte – und von Demokratie nur eine geringe Spur
Für die EU arbeiten 60.000 Beamte – ein wahrer Moloch an Bürokratie. Die EU besteht zudem aus sieben Organen und 30 dezentralen Agenturen. Beschlussfassungsorgane gibt es allerdings nur vier: das Europäische Parlament, der Europäische Rat, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission. Der Bürger kann aber lediglich Abgeordnete für das Europäische Parlament wählen. Ein Parlament indes, das nur sehr beschränkte Einflußmöglichkeiten hat. Die Politik wird in der Kommission und im Ministerrat gemacht. Wer in der Kommission das Sagen hat, Vorsitzender oder Vorsitzende wird, wird nicht durch eine Wahl entschieden, sondern – wie auch im Fall von der Leyen – in Hinterzimmern ausgekungelt. Das gesamte System EU nicht als besonders demokratisch zu bezeichnen, ist daher nicht weit hergeholt. Aber um dem Ganzen einen demokratischen Anstrich zu geben, wird regelmäßig gewählt. Aus der Bundesrepublik werden 99 Abgeordnete entsandt, so dass die finale Prozentzahl in der Regel auch die Zahl der Abgeordneten darstellt. Das ist aber nicht überall in der EU gleich, denn pro Milliopn Einwohner gibt es für die BRD somit 1,16 Sitze, für Frankreich 1,20 Sitze, für Italien 1,25 Sitze, für Zypern 6,99 Sitze, für Luxemburg 10,92 Sitze und für Malta sogar 14,10 Sitze. Das heißt, dass eine Mehrheit an EU-Abgeordneten bei Parlaments-Abstimmungen nicht unbedingt die Mehrheit der EU-Bürger repräsentiert. Wer das noch demokratisch nennt, kommt bei der Frage 2 plus 2 vermutlich auch auf 5!
Die EU ist heute längst reine Schuldenunion
Früher gab es Konvergenzkriterien, die sind heute nicht mehr en vogue (wir berichteten). Das führt dazu, dass stark aufgestellte Länder für schwache zunehmend haften müssen. So wird die EU-Kommission bis 2027 750 Milliarden Euro Kredit aufnehmen. Man kann sicher sein, dass die Bundesrepublik einen erheblichen Batzen hiervon tragen soll. Aber was passiert, wenn uns die Ampelkoalition weiter in die Deindustrialisierung treibt? Wer soll dann die EU finanzieren? Das wäre ein kleiner Lichtblick, denn die Bundesrepublik ist bekanntlich der größte Nettozahler. Und fallen die Nettozahler in Zukunft aus, dürfte es für andere Länder nicht so interessant sein, Mitglied der EU zu sein oder zu werden. Das dürfte auch noch die Motivation der Beitrittsländer Albanien, Bosnien/Herzegowina, Moldau, Montenegro, Serbien und Türkeri sein – und erst recht der Ukraine.
Wenn Wahlen etwas ändern würden…
Natürlich soll jeder wählen gehen und der Stachel im Fleisch der Etablierten ist nun einmal eine Stimmabgabe für die AfD, keine Frage. Aber wer meint, am Sonntag würde der politische Kompass der EU neu justiert, irrt gewaltig. Da mag es einen Rechtsruck geben oder nicht. An der grundsätzlichen Ausrichtung der EU wird sich nichts ändern. Jubelschreie über die eine oder andere Rechtspartei, die zulegen wird, sind erfreulich und erwartbar. Aber das System „EU“ ist der Fehler. Und bei den angeblichen Rechtsparteien sind auch Blender dabei, die an der Macht zwar Interesse haben, aber nicht an Veränderungen. Aber das ist eine andere Frage, auf die man in Bälde zurückkommen kann. Was bleibt? Das Konzept „Europa der Vaterländer“ ist nach wie vor die einzige wirkllich zukunftsfähige Konzeption für unseren Kontinent!
Beitragsbild / Symbolbild: Pictrider; Bild oben: rarrarorro/ beide Shutterstock.com
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