Von Jakob Maria Mierscheid
Der neu (wieder-)gewählte US-Präsident Trump sorgte nicht nur mit der Zeichnung zahlreicher Dekrete für Überraschungen. Besonders unerwartet traf die Staatengemeinschaft sein erklärtes Ziel, möglicherweise auch US-amerikanisches Nachbargebiet wie Grönland, Kanada oder Mexikos Gewässer US-amerikanischer Herrschaftsgewalt zu unterwerfen. Unabhängig davon wie ernst diese Absichtserklärungen zu nehmen sind, dürften sie diejenigen seiner (europäischen) Anhänger Lügen strafen, die den US-Präsidenten als Vertreter einer isolationistischen Außenpolitik wahrnehmen wollten.
I. Souveränität und Selbstbestimmung
Ebenso sind seine Vorschläge zur künftigen Ordnung des Gazastreifens kaum anders als ein Plan zu verstehen, das zerstörte Gebiet in eine Art amerikanisch-israelisches Protektorat zu verwandeln, um die dortige Bevölkerung umzusiedeln. Die Begründung dieser neuen außenpolitischen Offensive fällt brüchig und widersprüchlich aus. In ihr mischen sich klassisch imperiale Denkmuster, mit merkantiler Rhetorik und der Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Völker, das freilich nur so weit wie die von der US-amerikanischen Großmacht definierten Interessen reicht. Rechtspolitisch inkohärent ist es daher, dass die Trump-Administration die Umsiedlung der im Gazastreifen ansässigen Palästinenser plant. Ein solcher Vorstoß wäre, würde er verwirklicht, eine klare Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, obendrein ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot wie auch ein Straftatbestand im Sinne des Völkerstrafrechts.
Eine ähnlich hybride Argumentation vertritt Russland im Krieg mit der Ukraine. So wird die staatliche Existenz der Ukraine zum einen bestritten, zum anderen beruft sich Russland in den schon seit 2013 de facto besetzten Gebieten im Don Bass und der Krim auf das Selbstbestimmungsrecht der mehrheitlich russischsprachigen Bevölkerungen. Diese wurden bereits 2014 in einer von Russland forcierten Volksabstimmung zur Frage der Sezession und der Gründung autonomer Volksrepubliken befragt. Diese Argumentationen verbindet eine Gemeinsamkeit. Sie bringen das Selbstbestimmungsrecht der Völker gegen den Grundsatz der souveränen Staatlichkeit in Stellung. Diese Contraposition ist nicht neu, scheint in ihr doch das Spannungsverhältnis zweier entgegengesetzter völkerrechtlicher Schutzgüter hervor: zum einen beruht das Völkerrecht auf dem strukturkonservativen Grundsatz der souveränen Staatlichkeit, zum anderen ging spätestens mit Wilsons 14-Punkte Plan das dynamische Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker in die internationalen Rechtsgrundsätze ein.
Souveräne Staatlichkeit bedeutet rechtliche und politische Unabhängigkeit im Außen-und Innenverhältnis. Über die bloße faktische Herrschaft über Staatsgebiet, Staatsvolk mit den Mitteln der Staatsgewalt (so Georg Jellineks Drei-Elemente-Lehre) bezeichnet staatliche Souveränität eine rechtlich und politisch nicht abgeleitete und nicht ableitbare Herrschaftsform. Normativ markiert dies den Hauptunterschied zu völkerrechtlichen Verträgen und ihren Institutionen. Denn sie beruhen auf dem Prinzip der sog. begrenzten Einzelermächtigung. Ihnen steht keine Kompetenz-Kompetenz zu, so dass ihr Wirken auf die von den Vertragsstaaten festgelegten Zuständigkeiten begrenzt ist. Die Souveränität der Staaten in den von der Staatenwelt anerkannten Grenzen bildet die Grundlage für die prinzipielle rechtliche Gleichordnung der Staaten untereinander.
Doch ist das Konzept souveräner Staaten blind gegenüber den tatsächlichen politischen Verhältnissen. Es fingiert ein Pluriversum der Gleichen, wo Machtgefälle, unterschiedliche Ethnien und Volksgruppen und Grenzstreitigkeiten der Fall sind. Erfahrungsgemäß gerät die friedenssichernde Funktion der gleichgeordneten Souveränität immer dann unter Druck, wenn etwa Machtverhältnisse, Grenzziehungen oder die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung der Staatsvölker in Widerspruch zur Fiktion der souveränen Gleichheit gerät. Zwar verbietet die post-westphälische Ordnung die Gewaltanwendung zur Durchsetzung der staatlichen Interessen, doch kann dieses Prinzip nur abgesichert werden, wenn die politischen Bedingungen möglichst friedlicher Streitbeilegung unter den Staaten gegeben sind (zu den Grundsätzen des völkerrechtlichen Gewaltverbots im Zusammenhang mit Israels Krieg im Gazastreifen vgl. hier)
Denn nur, wenn die konservative Struktur der souveränen Staatlichkeit für die ihrer Herrschaft unterworfenen Volksgruppen und Individuen keine unerträglichen Zustände schafft, ist die Grundlage dafür gegeben, dass die Staaten ihre Konflikte im durch das IGH-Statut vorgesehenen Rahmen beilegen. Es ist im Übrigen kein geringerer als Berthold von Stauffenberg, der bis heute zu den einflussreichsten und vielfach zitierten Kommentatoren des IGH-Statuts zählt (vgl. etwa mwN Vitzthum, Der stille Stauffenberg, S. 8, Berlin). Der souveränen Staatlichkeit steht das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts gegenüber. Obgleich es sich um das Recht eines Kollektivsubjekts (Volk) handelt, ist es mit Art. 1 des VN-Menschenrechtspakts von 1966 gleich an der Spitze der nachfolgenden Normen positiviert:
„Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“
Bereits davor enthielt die VN-Charta in Art. 1 Ziffer 2 die Zielsetzung, eine internationale Ordnung auf Grundlage der Selbstbestimmung der Völker zu schaffen, wobei die Rechtssatzqualität umstritten blieb (vgl. Doehring, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grundsatz des Völkerrechts, S. 16 ff.). Es handelt sich um ein dynamisches Prinzip, welches das starre Gefüge der Staatenwelt ergänzt und vor der Versteinerung bewahren soll. Eine große Rolle kam ihm bei der Dekolonisierung zu. So beriefen sich nahezu alle nationalen Befreiungsbewegungen auf das Recht zur Selbstbestimmung der politischen Verhältnisse gegenüber ihren (ehemaligen) Kolonialherren. Derzeit erlangt die Frage des Selbstbestimmungsrechts nicht nur bei den erwähnten Kriegen in der Ukraine oder dem Nahen Osten Bedeutung, sondern ist in Lateinamerika (Indigenenrechte) wie in der Europäischen Union (Reichweite der europäischen Integration, Rechte autonomer Völker wie Basken und Katalanen) Gegenstand teils erbitterter rechtspolitischer Debatten.
II. Normativität des Völkerrechts
Die normative Kraft des Völkerrechts ist umstritten. Seit seinem Bestehen gab es immer Stimmen, die seine Gestaltungskraft relativierten oder ihm den Rechtscharakter überhaupt abstritten. Insbesondere werden Autoren der kontinentalen Staatstheorie wie Hobbes und Hegel zu den Leugnern des Völkerrechts gezählt. Dies trifft allerdings nur teilweise zu, kann aber an dieser Stelle nicht vertieft werden. Zu den überkommenen Einwendungen gegen die Existenz des Völkerrechts zählt, dass es ihm angeblich an einer praktischen Rechtssetzungs- resp. (Welt)-Duchsetzungsinstanz fehle, das Völkerrecht nur dann durchgesetzt werde, wenn ein schwacher Staat es breche oder die Regelungen des Völkerrechts nur fragmentarisch positiviert seien und sich in allgemeinen Rechtsgrundsätzen und Absichtserklärungen erschöpften usf.
Konservative Juristen unterliegen oft ihrem anti-internationalen Affekt, wenn sie das Völkerrecht und die UN verdächtigen, ein bloßes Instrument zur Errichtung einer neuen Weltordnung in Form eines Weltstaates zu sein. Gestützt wird dies häufig auf eine Vulgärrezeption von Carl Schmitts Kritik am Völkerbund und der Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff. Indes können sich die Leugner des Völkerrechts auf diesen Autor nicht berufen: Carl Schmitt ging in all seinen Arbeiten ganz selbstverständlich von der Rechtsqualität des Völkerrechts aus. In seinem – auch für die heutige juristische Ausbildung lesenswerten – juristischen Repetitorium von 1948/50 entgegnet er den skizzierten Einwänden:
„Aber man sehe sich nur einmal die Begründungen der Entscheidungen internationaler Gerichte an, und man wird finden, dass sie intensiver und exakter als manches innerstaatliche Urteil juristisch erarbeitet sind. In Wirklichkeit ist das moderne Völkerrecht in einem gesteigerten Grade juristisch. [sic!] Die Beziehungen zwischen den Staaten als solchen sind nämlich Beziehungen zwischen hochorganisierten Gebilden […]“
Methodisch und praktisch streiten folgende Gesichtspunkte für die Rechtlichkeit des Völkerrechts:
- Die fragmentarische Positivierung steht dem Völkerrecht nicht entgegen, da diese im Wesentlichen auf anerkannten und internationalen Rechtsgrundsätzen beruht.
- Im Hinblick auf die Normenhierarchie ist nicht einzusehen, weshalb Rechtsgrundsätze einen niedrigeren Rang als positiv gesetztes Recht haben sollen. Im Gegenteil spricht manches dafür, Rechtsgrundsätze als höherrangig einzustufen. So enthalten auch positive Normen zumeist nichts anderes als die Konkretisierung von allgemeinen Grundsätzen.
- Praktisch wird Völkerrecht häufiger angewandt und befolgt als gebrochen. Sogar notorische Völkerrechtsbrecher wie etwa die USA und Israel bemühen sich ihrer Politik, eine Art von völkerrechtlicher Rechtfertigung zu geben. Man denke an die notorische Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht im Falle Israels wie die preemptive strike doctrine der Bush-Administration im Irakkrieg.
Dies unterstreicht den hohen Grad an Internalisierung der völkerrechtlichen Prinzipien in den internationalen Beziehungen. Zudem kann man von der Verletzung einer Norm gerade nicht auf ihre Nichtexistenz schließen. Im Gegenteil kommt eine Norm erst im Moment ihrer Übertretung zur Anwendung. Norm-und Normbruch bedingen sich dialektisch. Doch zurück zum Subjekt des Selbstbestimmungsrechts der Völker:
III. Ein paradoxes Subjekt
Nach dem Willen des UN-Menschenrechtspakts haben die Völker das Recht, sich selbst zu bestimmen. Doch wer ist das Volk? Der Menschenrechtspakt selbst enthält keine Legaldefinition des Selbstbestimmungssubjekts. Zwar lassen sich über andere Vorschriften wie etwa die Internationale Konvention zur Verhütung des Völkermordes Rückschlusse auf das Volk zu, doch führen alle Legaldefinitionen und dogmatische Konturierungen in ein Paradox. Denn auch eine (Legal-)Definition des Volkes durch eine internationale Institution oder jursitische Dogmatiker wäre schon keine Selbstbestimmung mehr, sondern bereits ein Oktroy, also eine Fremddefinition. Doch entzieht sich damit das Subjekt des Selbstbestimmungsrechts a priori jeder Bestimmbarkeit? Wenn dies so wäre, ginge das Selbstbestimmungsrecht der Völker ins Leere, würde es doch weder ein zur Ausübung berechtigtes Subjekt haben, noch tatsächlich in seiner Ausübung frei, das heißt von äußeren normativen Bedingungen enthoben, sein. Der britische Jurist Sir Ivor Jennings brachte dieses Paradox auf die Formel:
„The people cannot decide untile somebody decides who are the people.“
Paradoxien sind im System der Normen nichts Ungewöhnliches, da gleiche Begriffe sogar im selben Gesetzbuch unterschiedliche Bedeutungen haben können. So ist etwa schon im nationalen Geltungsbereich des deutschen StGB der vorsatzausschließende Irrtum über Tatumstände etwas anderes als der Irrtum in Folge einer Täuschung beim Betrug. Aufgelöst werden können Widersprüche und Paradoxien durch die juristische Methode der Interpretation. Ein Weg dahin ist der e-contrario-Schluss, also der Blick darauf, was der Normsetzer nicht geregelt hat und auf welchen Begriff er verzichten wollte. Im Falle des Selbstbestimmungsrechts entschied man sich dazu nicht von einem Recht der Nationen, sondern von „the peoples right of self determination“ zu sprechen. Daraus geht hervor, dass nicht etwa nur Staatsvölker das Recht auf Selbstbestimmung haben, sondern auch Völker ohne „staatliche Dachorganisation“ Subjekt sind. Umstritten ist, wie dieses nichtstaatliche Kollektivsubjekt zu bestimmen ist. Denkbar ist es allein auf den Willen, der sich dem Volk zugehörigen Individuen abzustellen. Demzufolge wäre ein Volk das, was sich als Volk empfindet.
Dieser voluntaristischen Sicht tritt eine objektivierende gegenüber. Sie stellt auf Merkmale wie Abstammung, Kultur, Religion oder Geographie ab. Dieser ethnisch-kulturelle Volksbegriff steht gerade in Deutschland unter dem Verdacht eine im Kern völkisch-rassische Konzeption zu sein. Dass diese Sichtweise zumindest oberflächlich ist, wurde hier an anderer Stelle mehrfach erläutert. Fürderhin ist die rein voluntaristische Sicht auch nicht schlüssig, sondern im Hinblick auf die Rechtsfolgen bedenklich. Denn so gesehen wären die einzig zulässigen Rechtssubjekte Individuen. Staaten, Völker und andere Kollektivsubjekte wären von der vertragsgemäßen Zustimmung der Individuen abhängig. Die Volkssouveränität wäre in Wahrheit eine Souveränität einzelner Individuen; Staat und Volk würden ein dem eingetragenen Verein gleichzusetzendes Institut sein, von dem man sich nach Regeln der Anfechtung, des Rücktritts oder des Widerrufs jederzeit lösen könnte.
Ein solch individualistisches Assoziations-und Dissoziationstheorem würde die Objektivität des Rechts und jeder staatlichen Institution vollständig untergraben. In mancher Hinsicht erinnert die hyperindividualistische Staats-und Volkskonzeption an Hobbes Naturzustand: in ihm hat jeder Einzelne ein Recht auf alles, mit der Folge des Bürgerkriegs. Überzeugender ist es daher objektive Merkmale und subjektiven Willen nicht einander gegenüberzustellen, sondern sie als ein sinnhaftes Ganzes zu erfassen. Denn die objektiven Merkmale wie Sprache, Abstammung, Religion und Kultur haben zugleich eine subjektive Seite. So ist es kaum denkbar, dass ein Volk dieselbe Sprache spricht, ähnlichen Gebräuchen nachgeht oder eine Konfession teilt, und gleichzeitig von alldem untereinander nichts mitbekommen will. Ein solches Szenario ist tatsächlich absurd. Vielmehr bestätigt das subjektive Ähnlichkeitsempfinden zugleich die Objektivität der ethnisch-kulturellen Merkmale.
Fraglich ist weiter, worauf sich das Selbstbestimmungsrecht des so verstandenen ethnisch-kulturellen Kollektivsubjekts richtet. Seit der territorialen Wende der Staatstheorie in der Neuzeit richtet sich politische Gestaltungsmacht und Rechtssetzung auf die Ausübung politischer Herrschaft in einem Gebiet. Soweit also ein Volk in einem Staatsgebiet organisiert ist, hat es das Recht, seine territoriale Integrität als Grundlage staatlicher Souveränität gegen Angriffe von außen zu verteidigen. In einem solchen Falle treten Selbstbestimmungsrecht und souveräne Staatlichkeit ergänzend nebeneinander. Denn nicht nur darf sich das Kollektivsubjekt Volk gegen den äußeren Angriff wehren, sondern auch dem Staat als Organisationsform der Selbstbestimmung steht ein Selbstverteidigungsrecht zu. Diese von Murswiek als defensives Selbstbestimmungsrecht bezeichnete Fallgruppe bildet den meist unproblematischen Fall der Kongruenz beider Prinzipien.
Weit schwieriger sind die Fälle des sogenannten offensiven Selbstbestimmungsrechts. In ihnen geht es darum, dass ein Volk entweder einem Territorialstaat unterworfen ist, dem es sich nicht verbunden fühlt (etwa Basken oder Katalanen im Verhältnis zu Spanien, oder – und meist im engen Zusammenhang damit – nicht nur eine Autonomie, sondern das Recht zur Staatsgründung im Wege der Sezession beansprucht. Diesen dogmatisch umstrittenen Fall nachzuzeichnen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Festzuhalten ist im Ergebnis, dass das Recht auf Sezession nach herrschender Auffassung sehr restriktiv gefasst wird. Grund hierfür ist das Friedens-und Stabilitätsargument: so wie sich nicht einfach Völker ständig neu gründen und auflösen können, so dürfen auch Staaten nicht unter dem Vorbehalt ständiger Neugründungen stehen. Dies käme in der Folge den bereits kritisierten individualistischen Ansätzen gleich, nämlich einer Art normativen Aufforderung zur Revolution in Permanenz.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist hingegen ein evolutionäres Prinzip, welches Staatsgrenzen vor der Fossilierung und Zementierung materialer Ungerechtigkeit bewahren soll. Dass diese Art der „normativen Selbstkorrektur“ des Völkerrechts keineswegs unwirksam ist, beweist nicht zuletzt die Geschichte der „Deutschen Frage“. Mit der deutschen Teilung schien ein historisch irreversibler Zustand buchstäblich eingemauert worden zu sein. Mit der Verfestigung der deutschen Teilung und der faktischen Anerkennung der DDR durch die „Entspannungspolitik“ mehrten sich die Stimmen, die das Ziel der Wiedervereinigung als Makulatur oder gar Revanchismus kritisierten. Doch trug das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes dem Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes Rechnung. Apologeten des status quo in Ost-und Westdeutschland warfen dem am „Wahrungsgebot“ festhaltenden Bundesverfassungsgericht vor, die nachkriegsdeutsche Lebenslüge der Wiedervereinigung am Leben zu erhalten. Sie stützten sich auf den damaligen positivrechtlichen Rechtszustand, dem sie eine Ewigkeit zuschrieben, die gerade mal bis 1989/90 währte. Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur in Deutschland solche Stimmen abermals ihre historische Widerlegung erfahren.
IV. Zusammenfassung
1. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker hat Rechtsqualität.
2. Die Paradoxie des Kollektivsubjekts „Volk“ lässt sich systematisch durch juristische Interpretation lösen. Objektive Merkmale wie Abstammung, Religion und Kultur werden zugleich durch das subjektive Empfinden erkannt und bestätigt.
3. Ausübungsort des Selbstbestimmungsrechts ist in erster Linie das Territorium als Substrat politischer Herrschaft. Hier lässt sich ein „defensives und offensives Selbstbestimmungsrecht“ (Murswiek) unterscheiden.
4. Systematisch bildet das Selbstbestimmungsrecht der Völker das Komplement zur staatlichen Souveränität.
5. Werden Souveränität und Selbstbestimmung des Volkes gegeneinander ausgespielt, besteht die Gefahr ihrer Pervertierung, da willkürliche Sezessionen Staatszerfall (Dismembration) und Bürgerkrieg befeuern können. Der Schutzgehalt des Gewaltverbotes aus Art. 2 Nr. 4 UNCh in den internationalen Beziehungen wäre damit nicht mehr gewährleistet.
Beitragsbild / Symbolbild: Billion Photos; Bild unten: Gonzalo-Aragon / beide Shutterstock.com
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Das Völkerrecht ist gewissermaßen völkisch, und da das GG das Völkerrecht inkludiert (Art. 25, aber s.a. 24 III und 26 I, wo Völker wie Organismen/Lebewesen attributiert sind), ist es schon deshalb ebenfalls völkisch, wie auch jeder, der sich darauf beruft (mithin es anerkennt) oder es affirmiert. 😊
[Anm. der Redaktion: Der Rest des Kommentars ist gekürzt, da sich der Rest-Kommentar inhaltlich nicht ansatzweise dem Beitrag widmete. Wir bitten um Verständnis! Vorsorglich sei festgestellt, dass das Wegkürzen kein Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellt. Aber man kauft im Möbelgeschäft ja auch kein Obst & Gemüse, Herr Heinrich!]
M.E. können nur der Staat (inkl. Staatsbetriebe) und von ihm finanzierte/ besonders subventionierte oder dazu (widerrechtlicherweise) autorisierte oder verpflichtete Personenvereinigungen in die Meinungsfreiheit eingreifen. Der Rest meines Kommentars widmete sich allerdings sehr wohl ansatzweise dem Artikelinhalt, nämlich der Frage, welches Verständnis von „(Deutsches) Volk“ staatl. Stellen der BRD bei ihren Amtshandlungen und Beschlüssen zugrundezulegen haben (nämlich dasjenige des Völkerrechts, da dieses das vorherrschende war, als 1949 das GG geschaffen wurde). Dass ich eine m.E. falsche Aussage Maximilian Krahs zu dem Thema als Aufhänger wählte, weil ich das schon seit längerem mal an einem Ort, wo die erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass es jemand liest, der ihn persönlich kennt, loswerden wollte, ändert daran nichts.
Super! Hervorragend dargestellt – Jakob Maria Mierscheid, weiter so!
Wieso werden hier eigentlich nur Kommentare veröffentlicht, die dem FS-Seitenbetreiber/-„kommentarmoderator“ in den Kram passen/ mit denen er sich identifizieren kann o.ä.? Da hat ja jeder x-beliebige Blog mit Kommentarfunktion mehr Ambiguitätstoleranz! Freier Meinungs- und Ideenaustausch ist hier also unerwünscht. Gut zu wissen.
[Anm. der Redaktion: Lieber Herr Heinrich, das ist Unfug! „Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, offenbart seine Torheit“, hieß es schon bei Luther. Es kann schon einmal sein, dass ein Kommentar zu Wahlkampfzeiten einen Tag benötigt, um freigeschaltet zu werden, gerade am Wochenende! Nur ruhig Blut!]