Ein Meinungsbeitrag von Achim Baumann

Parteipolitisch gibt es derzeit keine Alternative zur Alternative (für Deutschland). Darf man – so wie der Freiburger Standard – die AfD beziehungsweise Vertreter von ihr kritisieren – oder sind wir nur eine „Unseriöse Ein-Mann-Online-Zeitung“, wie uns der nordrhein-westfälische AfD-Landtagsabgeordnete Klaus Esser gerne in internen Chats bezeichnet? Kritik muss zulässig sein und das regelmäßige Tadeln von Tendenzen innerhalb der einzigen Partei, die in absehbarer Zeit das Ruder in Deutschland noch irgendwie rumreißen könnte, muss erlaubt sein. Und dies leider auch wenige Monate vor der nächsten Bundestagswahl. Und der, der gerne mit dem Finger auf andere zeigt, scheint ein anschauliches Beispiel dafür zu sein, wer innerhalb der AfD nichts zu suchen haben sollte. Aber nicht Klaus Esser selbst ist das Problem, sondern die Seilschaften, die ihn schützen. Warum gibt es in der AfD immer wieder solche Fälle?

Hausdurchsuchung in Düren
Klaus Esser ist fleißig: Nicht im parlamentarischen Sinne, sondern an der Anzeigenfront. Mittlerweile soll es, so informierte Parteikreise, 16 Strafanzeigen gegen den Dürener Landtagsabgeordneten geben. Endlich scheinen sich die Mühlen der Justiz langsam, aber unerbittlich in Bewegung zu setzen. Am heutigen Morgen, Dienstag, 26. November, gab es laut zahlreicher Medien wie der ZEIT und dem Kölner Stadtanzeiger eine Hausdurchsuchung bei Klaus Esser. Unsere umgehende Presseanfrage bei der Staatsanwaltschaft Aachen, die für den Kreis Düren zuständig ist, wurde bislang indes noch nicht beantwortet. So kann man derzeit nur Dritte zitieren, die ZEIT beispielsweise schreibt:

„Am Dienstagmorgen ist das Privathaus des AfD-Landtagsabgeordneten Klaus Esser in Düren durchsucht worden. […] Nach Angaben der Ermittlungsbehörde geht es um Vorwürfe wegen Urkundenfälschung und des Missbrauchs von Titeln. Esser soll bei der Bewerbung um gehobene Parteiämter in der AfD seinen Lebenslauf manipuliert und sich als Jurist ausgegeben haben. Das Zeugnis über das entsprechende Staatsexamen soll er gefälscht haben.“

Auch die Manipulation von Mitgliederdaten steht im Raum, dem Freiburger Standard liegen Erklärungen Beteiligter vor, aus denen – sofern sie stimmen – hervorgeht, dass Klaus Esser absichtlich Mitglieder seinem Kreisverband Düren und nicht dem eigentlich verantwortlichen Kreisverband Euskirchen zugeschlagen hat. Da war das Parteiausschlußverfahren nur ein erster Schritt – wobei das Verfahren immerhin drei lange Monate auf Halde lag.

Warum zieht in diesem Fall keiner ernsthafte Konsequenzen?
Während man in anderen Fällen seitens des nordrhein-westfälischen Landesvorstandes hart vorgeht, waren die mittlerweile umfangreichen Vorwürfe offenbar kein Grund, Klaus Esser aus der Landtagsfraktion auszuschließen. Warum? Das ist ein verheerendes Signal an die Parteimitglieder an der Basis. Aber auch der Bundesvorstand, der seit etlichen Monaten von den im Raum stehenden Vorwürfen weiß, scheint nicht zügig reagiert zu haben. Ein Mitglied aus Düren sagte uns: „Ich habe einem Bundesvorstandsmitglied vor Monaten detailiert geschildert, wie Herr Esser Unterschriften gefälscht haben muss. Das habe ich schriftlich getan. Leider habe ich nie eine Antwort erhalten.“ 

Es muss also die Frage erlaubt sein, wer Klaus Esser deckt?
Denn die Zeugnisfälschung soll bereits seit längerem parteiintern bekannt gewesen sein. Warum verklagt die nordrhein-westfälische AfD den ehemaligen Landesgeschäftsführer Esser nicht auf Rückzahlung der Gehälter, die er unter der Prämisse erhielt, Volljurist zu sein? Das könnte die AfD NRW durchaus tun, aber der Flügel um den angeschlagenen Landesvorsitzenden Martin Vincentz hält sich bei Maßnahmen gegen Klaus Esser seit jeher äußerst bedeckt (wir berichteten). Hat Klaus Esser also etwas in der Hand gegen andere hochrangige Funktionäre in Nordrhein-Westfalen, wie dem Artikel der ZEIT, „Das System Klaus Esser“ zu entnehmen ist? Keiner scheint „Halt“ zu rufen. Dabei ist die AfD dafür angetreten, nicht korrupt und verfilzt zu sein. Aber wer das überaus harte interne Ringen um Posten kennt, weiß, auf welchem Pfad sich die AfD derzeit befindet. Die Flügelzugehörigkeit bestimmt eher die Erfolgsaussichten als Bildung, Karriere und Engagement. Das ist falsch! Und das muss man feststellen dürfen!

Landesverband völlig zerstritten – Wahlantritt gefährdet?
Ein engagiertes Parteimitglied fasst die Situation in NRW recht deutlich zusammen: „Die Stimmung bewegt sich zwischen Ratlosigkeit und Entsetzen.“ Das sieht der Landesvorsitzende anders, er schreibt in seinem jüngsten Rundbrief:

„Die mediale Stimmungsmache gegen unseren AfD-Landesverband NRW entbehrt jeder Grundlage. Das böswillige Gerücht, wir könnten nicht zur Bundestagswahl antreten, wurde aus durchschaubarem Eigeninteresse von destruktiven „Parteifreunden“ und unseriösen Journalisten gestreut. Die AfD wird sich aber weder von außen noch von innen am Erfolg hindern lassen.“

Dabei hat niemand behauptet, die AfD-NRW könne nicht an der Bundestagswahl teilnehmen, hier verdreht Vincentz die Fakten. Es gibt indes Befürchtungen, der Wahlantritt könne gefährdet sein, immerhin hat sich die Landeswahlleiterin gemeldet und erbat sich Aufklärung über den Sachverhalt von irregulären  Aufnahmen in Düren. Das sind ja keine Erfindungen unseriöser Journalisten oder von destruktiven Parteimitgliedern. Die Alarmglocken sollten laut aufheulen, auch in Berlin, wenn sich eine Wahlleiterin bereits im frühen Stadium der Vorbereitung für die Bundestagswahl meldet.

Aufstellungsversammlung wird Richtungsentscheidung
Die AfD NRW hat es inzwischen doch noch geschafft, einen Termin und einen Ort zu finden: Vom 2. bis 6. Januar wird sie in Marl die Liste zur Bundestagswahl 2025 aufstellen. Bis dahin ist noch viel Zeit, um zu klären, warum der Landesvorstand unliebsame Parteimitglieder gängelt, anderen völlig freie Hand läßt und sie selbst bei nachgewiesenen „Unregelmäßigkeiten“ nicht diszipliniert. Und man kann jetzt schon Absetzbewegungen etlicher Parteifunktionäre feststellen, die in Gesprächen betonen, nicht zum Vincentz-Flügel zu gehören oder sogar das Gespräch mit Vertretern des sogenannten Helferich-Flügels suchen. Mag es wirklich spannend werden, was in den kommenden Wochen bis zur Aufstellungsversammlung passiert, letztlich ist es bedauerlich, dass der mitgliederstärkste AfD-Landesverband nicht ordentlich geführt wird. Da dürften sich die Feinde jeglicher patriotischen Politik schadenfroh die Hände reiben. Besser kann es für sie in Nordrhein-Westfalen derzeit gar nicht laufen.

Beitragsbild / Symbolbild und hier oben: Tero Vesalainen; Bildmitte: DesignRage / beide Shutterstock.com

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