Gastbeitrag von Dr. Björn Clemens

Im besten Deutschland aller Zeiten ist es an der Tagesordnung, dass politische Aktivisten, namentlich, wenn sie der Nation positiv gegenüberstehen, mit der Justiz Bekanntschaft machen. Hierbei gilt es zwei grundsätzliche Konstellationen zu unterscheiden. Zum einen versuchen Staatsanwaltschaften politische  Handlungen oder Äußerungen zu kriminalisieren, um dadurch Strafverfahren gegen die Betroffenen einzuleiten. Traurige Berühmtheit erlangte insoweit der Thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke, der vom Landgericht Halle gleich zweimal wegen der Äußerung „Alles für Deutschland“ zu hohen Geldstrafen verurteilt wurde. Zum anderen sehen sich immer mehr Zeitgenossen von Verwaltungsbehörden mit schikanösen Maßnahmen konfrontiert, gegen die sie dann ihrerseits selbst aktiv vorgehen müssen, indem sie Klage zu den Verwaltungsgerichten erheben. Bekanntester Vorgang der letzten Zeit dürfte insoweit das Verbot des Compact-Verlages durch das Bundesinnenministerium gewesen sein, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss 6 VR 1/24 vom 14. August 2024 vorläufig außer Vollzug gesetzt wurde.[1] Dabei handelte es sich allerdings um eine nicht repräsentative Einzelmaßnahme. Das derzeit probate Mittel, um gegen die Bürger vorzugehen, sind stattdessen Entziehungen von Waffen- und Jagderlaubnissen. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die aktuellen Tendenzen gegeben (Der nachfolgende Text ist die leicht abgewandelte Form des Aufsatzes, der erstmals in Heft 3/24 der Burschenschaftlichen Blätter erschien).

I Strafrecht
Wie seit langem, bilden die Paragraphen 130 und 86a Strafgesetzbuch (StGB) das Herzstück des politischen Strafrechts, die der Staat gezielt gegen unliebsame Oppositionelle einsetzt. Gegenüber früheren Zeiten ist die Bedeutung solcher Verfahren gestiegen, weil das Internet die Möglichkeiten unendlich erweitert hat, sich am öffentlichen Diskurs zu beteiligen. War es früher ein Leichtes, unerwünschte Abweichler auszuschalten, indem man sie in den Medien schlichtweg nicht zu Wort kommen ließ, so hat sich sich das grundlegend geändert, seit sich jeder einen Instagram-, Facebook-, Telegram- oder Twitter-Account zulegen kann.

Über mehrere dieser Kanäle meldete sich im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 auch Marie-Therese Kaiser als Direktkandidatin der AfD für ihren Wahlkreis zu Wort, als der Regierende Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, Tschentscher, ankündigte, unbürokratisch 200 (angebliche oder tatsächliche) Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen zu wollen. Was „unbürokratisch“ in solchem Zusammenhang heißt, wissen wir. Weil diese Volksgruppe, wie amtliche Statistiken belegen, überproportional an bestimmten Verbrechenskategorien, beispielsweise Gruppenvergewaltigungen beteiligt ist, verfasste Kaiser einen umfangreichen Post, den sie mit amtlichen Quellen und Berichten aus der Mainstream-Presse unterlegte. Ihn fasste sie in folgenden zuspitzenden Thesen zusammen:

„Afghanistan-Flüchtlinge
Willkommenskultur für Gruppenvergewaltigungen?
Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher  (SPD) möchte „unmittelbar und unbürokratisch“ 200 gerettete aus Afghanistan aufnehmen
Frauen und Mädchen fallen den kulturfremden Massen als erstes zum Opfer
Gerade Afghanen sind bei Gruppenvergewaltigungen nach neuesten Zahlen des BKA überproportional vertreten“

In den Augen der Gerichte (AG Rotenburg/W und LG Verden) hatte die Angeklagte damit zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt und deshalb gegen § 130 Absatz 2 Nr. 1a StGB verstoßen. Sie gingen dabei davon aus, dass der Post nur (!) so verstanden werden könne, dass die Angeklagte allen Afghanen unterstelle, Gruppenvergewaltigungen zu begehen. Das widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, erstmals getroffen in der berühmten Entscheidung vom 10. Oktober 1995, Soldaten sind Mörder.[2] Danach ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung bereits bei der Auslegung einer Äußerung zu berücksichtigen. Das Verfassungsgericht stellte seinerzeit unter anderem fest:

„Denn auch in der Verwendung des Wortes Mörder muss nicht notwendig der Vorwurf einer schwerkriminellen Haltung oder Gesinnung gegenüber dem einzelnen Soldaten enthalten sein. Vielmehr kann der Äußernde auch in besonders herausfordernder Form darauf aufmerksam machen, dass Töten im Krieg kein unpersönlicher Vorgang ist, sondern von Menschenhand erfolgt.“

Diese Argumentation ist ohne weiteres auf den Fall Kaiser zu übertragen. Ausgangspunkt ist ein scheinbar eindeutiger Begriff (Mörder im Sinne von § 211 StGB), der durch die Umstände seine Eindeutigkeit verliert. Das Landgericht Verden als Berufungsgericht machte wie die Vorinstanz jedoch aus einem weit weniger eindeutigen einen eindeutigen, wobei es den Kontext komplett ausblendete. Für die Angeklagte bedeutete das eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen, die in das Führungszeugnis eingetragen wird. Mit bemerkenswertem Minimalismus verwarf das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss NZS 2 ORs 103/24 vom 19. September 2024 die dagegen eingelegte Revision:

„Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil […] wird aus den auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung vom 2. September zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 27. August 2024 als unbegründet verworfen.“

Angesichts solcher nichtssagender Floskeln zu einem komplexen Sachverhalt möchte man sich fragen, ob das Gericht damit seine besondere Geringschätzung der oder des Angeklagten und seiner Beistände zum Ausdruck bringen möchte. Manch einer der Damen und Herren in der Richterrobe mag das hohe Pult mit dem hohen Ross verwechseln.

Björn Höcke und die Justiz
Wie bereits erwähnt, hatte auch Björn Höcke zwei Urteile hinzunehmen, was bei dem vielbeschworenen unvoreingenommenem Durchschnittsbürger wenig anderes als Unverständnis hervorrufen dürfte. Höcke wurde nicht wegen Volksverhetzung, sondern wegen des Verwendens von Kennzeichen ehemaliger NS-Organisationen, § 86a StGB, verurteilt, weil er auf Veranstaltungen die Losung „Alles für Deutschland“ proklamierte. Im ersten Fall bekam er dafür 100 Tagessätze, im zweiten sogar 130.[3] Hintergrund ist, dass die genannte Parole in der Zeit des Dritten Reiches auf den Dolch der SA eingraviert war. Erstmals wurde das im Jahr 2006 vom Oberlandesgericht Hamm ausgeurteilt. Der Fall unterscheidet sich dadurch vom Fall Kaiser, dass es bezüglich der Parole nichts zu bewerten zu geben scheint. Spruch ist Spruch und wortgleich ist wortgleich. Was auf den ersten Blick richtig erscheinen mag, entpuppt sich aber auf den zweiten als formaljuristischer Tunnelblick. Denn, wie man leicht sieht, hat der Inhalt dieser Parole nichts mit der typischen nationalsozialistischen Programmatik zu tun. Er behandelt weder Thema Nummer 1, noch Lebensraumfragen, noch Kriegsphantasien noch Rassekonzepte oder ähnliches. Es hätte sich dem Gericht daher aufdrängen müssen, in analoger Anwendung der oben skizzierten Grundätze des Bundesverfassungsgerichts zu fragen, ob der Spruch, den Höcke unter anderem bei einer Wahlkampfveranstaltung in Merseburg getätigt hatte, nicht völlig anders einzuordnen sei. Der Fußballer-Gattin Cathy Hummels wurde solches immerhin zugestanden, als sie den selben Satz vor der WM 2024 kurzfristig auf einem ihrer Profile gepostet hatte.[4] Die Staatsanwaltschaft München sah angesichts der Persönlichkeit von Frau Hummels und den Umständen, die nahelegten, dass eine strafbare Verwendung nicht vorlag, großzügig über die Erhebung einer Anklage hinweg …

Der berühmt-berüchtigte Volksbegriff
Bereits ein Jahr zuvor hatte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Volksbegriff aus dem NPD-Nichtverbotsurteil vom 17 Januar 2017 Eingang in die Strafjustiz gefunden. Die Tragweite jener Entscheidung ist bis heute in der deutschen Rechten nicht erkannt worden. Es ging seinerzeit mitnichten um die formale Ausschaltung der NPD, sondern um die politische Entmannung der AfD und die Delegitimierung aller Forderungen nach Erhalt des Deutschen Volkes als Abstammungs- und Kulturgemeinschaft. Laut Karlsruhe soll darin nämlich ein Verstoß gegen die Menschenwürde liegen.[5] Diese Dogmatik konstruierte das Gericht auf Basis des 1999 seinerseits verfassungswidrig veränderten Staatsbürgerrechts.[6] Im Jahr 2023 wurde sie vom Landgericht Dortmund aufgegriffen, um den Verleger der Zeitschrift NS-Heute wegen Verwendung von Propagandamitteln der NSDAP gemäß § 86 StGB (nicht 86a!) zu verurteilen. Nun ist das zugegebenermaßen ein ungewöhnlich offensiver und wenig sensibler Titel, der nicht jedem gefallen kann, aber er war nicht Stein des Anstoßes. Vielmehr knüpfte das Gericht an den ethnischen Volksbegriff an, der gegen die Menschenwürde verstoße und in einigen Artikeln propagiert wurde. Das entspreche der NS-Ideologie. Um dieses Ergebnis zu ermöglichen, bereitete die Kammer den Verfahrensbeteiligten und Zuhörern das zweifelhafte Vergnügen, über die Dauer von etwa 40 Minuten das 25-Punkte-Parteiprogramm der NSDAP aus dem Jahre 1920 zu verlesen. Denn nur dadurch konnte es in die Feststellungen des Urteils aufgenommen werden (im Strafprozess gibt es aufgrund des Mündlichkeitsprinzips keine Bezugnahmen auf die Akten). Der Vorgang entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Eine Staatsschutzkammer, deren Zweck es unter anderem ist, Gefahren, die von der Wiederbelebung des Nationalsozialismus auszuschalten, verliest in aller Öffentlichkeit ein nationalsozialistisches Kern-Dokument. Hätte der Angeklagte das Gleiche im Wald getan, wäre es eine Straftat gewesen. Dass die Menschenwürde nichts mit der Staatsbürgerschaft zu tun hat, muss indes nicht eigens erwähnt werden, aber dieser gefährliche Kunstgriff bietet eine willkommene Handhabe gegen alle Versuche, der multikulturellen Auflösungsagenda entgegenzutreten.

Suppenkasper und Hampelmann?
Als letzter Beispielsfall soll hier der eines Mitgliedes der Burschenschaft Rhenania-Salingia Düsseldorf erwähnt werden. Der Student Maximilian Schmitz wurde nicht Opfer eines bestimmten Gesinnungsparagraphen. Vielmehr versuchte die Staatsanwaltschaft eine Auseinandersetzung zwischen ihm und einem journalistischen Linksextremisten zu instrumentalisieren, um ihm einen Beleidigungsvorwurf anzuhängen. Tatsächlich hatte der Journalist die Betreiber des Infostandes der Deutschen Burschenschaft auf der Messe „Jagd und Hund“ im Februar 2024 in Dortmund in rüder Weise angepöbelt („warum sind Sie ein Nazi?“ etc). Er fiel dabei so unangenehm auf, dass ihn selbst die Hallen-Security des Saales verweisen wollte. Das Ganze krönte er mit einer Anzeige gegen den Verbindungsstudenten. Dummerweise variierte er im Laufe des Verfahrens seine Vorwürfe. Mal wollte er „Suppenkasper“, mal „Hampelmann“ genannt worden sein.[7] Angesichts seiner eigenen Aggressivität hätte beides nicht verfolgt werden dürfen. Denn die behauptete Reaktion des Burschenschafters wäre eben das gewesen: eine Reaktion, die das Verhalten des Herren Journalisten zum Gegenstand hatte und nicht seine Person. Wie auch immer: vor Gericht verstrickte er sich in weitere Widersprüche, so dass selbst die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft – die nicht identisch mit dem jagdeifernden Verfasser der Anklage war – auf Freispruch plädierte. Der stand dann auch als Ergebnis. Auch das ist ein häufig anzutreffender Ablauf: Nach einer Rechts-/Links-Konfrontation, brauchen sich Antifaschisten und sonstige staatstreue Kräfte wenig Sorgen um strafrechtliche Verfolgung zu machen, während die nationalen Idealisten so gut wie immer auf der Anklagebank sitzen.

II Verwaltungsrecht
Auch mittels des Verwaltungsrechts lassen sich Patrioten und Freidenker behindern. Bis vor wenigen Jahren, auch noch in der Corona-Phase, boten dazu Versammlungsverbote oder Auflagen die bevorzugte Methode. Im Jahre 2005 wurde mit § 130 Absatz 4 StGB eigens ein neuer Straftatbestand geschaffen (Verherrlichung des NS und seiner Repräsentanten), dessen Verwirklichung man bei bestimmten Kundgebungen (zum Beispiel „Rudolf-Hess-Gedenken“) sicher vorhersehen konnte, um diese dann zu unterbinden. In einer dazu ergangenen Verfassungsbeschwerde bescheinigte das Bundesverfassungsgericht dem Grundgesetz und mithin der Bundesrepublik Deutschland eine gegenüber dem NS-Unrechtsregime gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung. Die in diesem Zusammenhang gefundene Wortwahl nimmt bisweilen mystische Formen an.[8]

Inzwischen hat sich das Bild gewandelt. Derzeit versuchen die Behörden auf breiter Front nationalen Protagonisten die Waffenerlaubnisse und Jagdscheine zu entziehen. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist der schillernde Rechtsbegriff der „Zuverlässigkeit“, der in § 5 Waffen-Gesetz, auf den § 17 Absatz 1 Bundes-Jagd-Gesetz Bezug nimmt, normiert wird. Unzuverlässig ist demnach nicht nur, wer nicht sorgfältig mit Waffen oder Munition umgeht, oder wer, durch bestimmte Strafurteile ausgewiesen, nicht rechtstreu ist, sondern auch und insbesondere wer im Verdacht steht, Bestrebungen zu verfolgen, die der verfassungsmäßigen Ordnung entgegenstehen oder wer Vereinigungen unterstützt, denen solches nachgesagt wird. Dieser unkonturierte Terminus lässt sich nahezu unbegrenzt politisch aufladen, denkt man einmal nur daran, dass zur Verfassungsfeindlichkeit nach dem  Gusto von Bundesinnenministerium und Verfassungsschutz inzwischen auch die Delegitimierung des Staates gehören soll[9]; was auch immer das heißt. Im Extremfall reicht dafür Kritik an Staatsorganen aus.

Konkret können es von der IB über die Junge Alternative bis zur AfD u.v.m. diverse  Vereinigungen sein, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Einigen ist das per Gerichtsurteil bereits ins Stammbuch geschrieben worden, sei es als Verdachtsfall, sei es als erwiesen rechtsextrem. Die Rechtsprechung zu diesen Punkten ist noch uneinheitlich. Aktuell entschied das OVG Münster am 17. August 2024, dass die Mitgliedschaft in der AfD für sich genommen ausreicht, um als Unterstützer verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu gelten.[10] Das Oberveraltungsgericht Sachsen-Anhalt sah das im Beschluss 3 M 13/23 vom 24. April 2023 anders.[11] Wenn auch noch einiges im Fluss ist, so bedeutet das doch in jedem Fall, dass die Betroffenen einen langwierigen, kostspieligen und ungewissen Gerichtsprozess bei den Verwaltungsgerichten anstrengen müssen, um der behördlichen Schikane entgegenzutreten. Denn auf dem Radar der Waffenbehörden stehen sie immer.

Die Spitze der Absurdität ist indes mit diversen Ausreise- oder Einreiseverboten, die seit 2023 in Mode gekommen sind, erreicht. Erstmals anlässlich der „European Fight Night“ am 09. Mai 2023 in Budapest wurden in großem Stil zahlreiche Ausreisesperren verhängt. In seltenen Fällen ergehen solche Bescheide vorab, regelmäßig jedoch werden die Betroffenen erst an Grenzübergängen oder Flughäfen abgepasst und dort mehrere Stunden festgehalten, bis ihnen die Verfügung übergeben wird. Die Verbote stützen sich auf §§ 10 und 7 PassG. Danach kann die Ausreise untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass die Ausreisewilligen das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen könnten. Nicht gemeint sind damit höherrangige Staatsbedienstete, die ihre Sätze nicht fehlerfrei aussprechen können o.ä., sondern Personen, die nach Auffassung der Behörden dem rechtsextremen Spektrum angehören und ihre Fahrt nutzen wollen, um entsprechende Kontakte zu pflegen.

In einer ersten Klagewelle bekamen sämtliche Personen Recht, die sich zur Wehr setzten. Beispielhaft sei hier auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen und des Oberverwaltungsgerichts Münster  vom 03. und 05. Mai 2023 verwiesen.[12] Sie betrafen Bescheide, die vor der Ausreise erteilt wurden.  Deshalb waren noch Eilverfahren möglich, die das Verbot beseitigen konnten. Wenn hingegen nachträglich geklagt werden muss, weil das Verbot unmittelbar bei geplantem Antritt der Reise ausgesprochen wird, erhöhen sich die Anforderungen an die Zulässigkeit der dann zu erhebenden sogenannten  Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Absatz 1 Satz 4 VwGO: Denn das verletzte Recht kann ja nicht mehr eingeklagt werden, wenn sich die Sache durch Zeitablauf erledigt hat. Es müsste eine Wiederholungsgefahr oder ein schwerwiegender Grundrechtseingriff bestehen.[13] Hierzu gibt es noch keine Gerichtsentscheidungen.

Inhaltlich brachte die oben zitierte Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster 19 B 466/23 eine erfreuliche Differenzierung. Denn es unterschied klar zwischen der politischen Verortung des Klägers und der damit erreichten beziehungsweise nicht erreichten juristischen Gefahrenschwelle. Eine Gefahr im Sinne des Polizeireichts besteht nämlich nur, wenn von einem Verhalten die Beeinträchtigung von Rechtsgütern zu befürchten ist. Dazu urteilte das Oberverwaltungsgericht:

„Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, sind die von der Antragsgegnerin angeführte zentrale Position des Antragstellers in der rechten Szene und sein früheres Auftreten als Veranstalter der ähnlich ausgerichteten Veranstaltung „Kampf der Nibelungen“ dafür nicht ausreichend, weil keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, ob und wie konkret die Veranstaltung „EFN“ als Bühne für rechtsextreme Agitation benutzt, zu Gewalt aufgerufen oder gewaltverherrlichende Äußerungen getätigt werden sollen.“

Das hebt sich wohltuend von der ansonsten oft anzutreffenden Gleichsetzung von rechts mit rechtswidrig ab.

Der Fall Martin Sellner
Wo Ausreisesperren verhängt werden, darf die Einreisesperre nicht fehlen. Am 19. März 2024 traf sie, ausgesprochen von der Stadt Potsdam, den Kopf der Identitären Bewegung, Martin Sellner. Auch sein gerichtliches Eilverfahren verlief erfolgreich. Die übliche politisierte Scheinbegründung der Stadt (Konzept des Ethnopluralismus als ein Verbotsgrund) reichte dem Verwaltungsgericht angesichts des scherwiegenden Eingriffes in das europarechtlich verbriefte Recht auf Freizügigkeit zur Begründung nicht aus.[14]

Davon hat sich allerdings die Gemeinde Neulingen in Baden-Württemberg nicht abhalten lassen, am 03. August 2024 eine Aufenthaltsuntersagung gegen Sellner auszusprechen, um zu verhindern, dass er am selben Tag einen Vortrag hielte. In diesem Fall muss das Verhalten der Behörde all besonders befremdlich bezeichnet werden, da sie nur auf  § 30 Absatz 2 des baden-württembergischen Polizeigesetzes zurückgreifen konnte. Die Vorschrift setzt voraus, dass vom Adressaten eine Straftat zu befürchten ist, beziehungsweise dass er zu einer solchen beiträgt. Eine Begründung dafür lieferte die Gemeinde nicht. Stattdessen beschränkte sie sich, ihre Empörtheit über die unerwünschten Gedanken des IB-Mannes zum Ausdruck zu bringen. Indem sie ihm dessen ungeachtet eine künftige Straftat zuschreibt, betreibt sie offenen Rechtsmissbrauch. Sellner klagt vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen dieses Unrecht.

Einen bitteren Beigeschmack erhalten solche Ein- beziehungsweise Ausreiseuntersagungen dadurch, dass es dem selben Staat, der angeblich den Schutz seiner Grenzen vor jenen, die unberechtigt in die deutschen Sozialsysteme streben, nicht sicherstellen kann, sehr wohl möglich ist, zu jeder Zeit, an jedem Ort mit unbegrenztem Kräfteaufwand punktgenau jeden einzelnen politischen Opponenten abzufangen und an der Ausübung seiner Grundrechte zu hindern.

Fazit
Die politische Verfolgung mit juristischen Mitteln ist in der Bundesrepublik Deutschland an der Tagesordnung. Die vorliegende Skizze kann davon nur einen minimalen Ausschnitt beleuchten. Der hiergegen zu führende Rechtskampf kennt Licht und Schatten. Man trifft ausgesprochene Gesinnungsjustiz wie auch angemessene, sachgerechte Urteile. Wohlwollende Richter, auch solche, die erkennen, welches Spiel gespielt wird, und die ihm bisweilen Einhalt gebieten, treten genauso in Erscheinung, wie Scharfmacher oder selbstgefällige Ignoranten. Das alles ist nicht neu. Man muss sich nur immer wieder ins Bewusstsein führen, dass derlei Dinge, die in einem Staat, der sich als einen der freiesten der Geschichte bezeichnet, eine seltene Ausnahme aufgrund nicht zu vermeidender menschlicher Schwächen oder Fehler bilden dürften. Das ist leider nicht der Fall.

Rechtsanwalt Dr. Björn Clemens ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und zudem auf das politische Strafrecht spezialisiert. Er betreibt  auf Youtube und telegram Kanäle, auf denen er über seine Arbeit berichtet. Besonders absurde Justizkapriolen hat er in seinem Satire-Bucht „April April“ (erschienen 2023 im Metapol-Verlag) verarbeitet.

Quellen:

[1] Pressemeldung des Bundesverwaltungsgerichts: https://www.bverwg.de/pm/2024/39.

[2] BVerfGE 93,266.

[3] Urteile des LG Halle vom 14.05.2024, 5 Kls 6/23 und vom 01.07.2024.

[4] https://www.focus.de/kultur/stars/nach-alles-fuer-deutschland-post-anklage-gegen-cathy-hummels-wird-aufgrund-fehlenden-tatverdachts-fallengelassen_id_259963795.html.

[5] Urteil 2 BvB 1/13 z.B. Rnrn. 540, 635. Grundlegende Kritik an dem Urteil: Thor v. Waldstein., Wer schützt die Verfassung vor Karlsruhe, 2017.

[6] Der Berliner Verfassungsrechtler Joseph Isensee nannte die seinerzeitige „Reform“ in der Welt vom 06.01.1999 sogar einen Staatsstreich durch das Parlament, https://www.welt.de/print-welt/article563971/Ein-Staatsstreich-des-Parlaments.html.

[7] https://www.youtube.com/watch?v=l9GhQpeh9oE.

[8] Beschluss 1 BvR 2150/08 vom 04.11.2009.

[9] https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates/begriff-und-erscheinungsformen/begriff-und-erscheinungsformen_artikel.html.

[10] https://www.derstandard.de/story/3000000232785/gericht-sieht-waffenentzug-f252r-afd-mitglieder-rechtens.

[11] https://ovg.sachsen-anhalt.de/aktuelles/pressemitteilungen?tx_tsarssinclude_pi1%5Baction%5D=single&tx_tsarssinclude_pi1%5Bcontroller%5D=Base&tx_tsarssinclude_pi1%5Buid%5D=375935&cHash=b38e2710a00606d66f6416529f6fb513.

[12] 17 L 614/23 und 19 B 466/23.

[13] Zu diesem komplexen juristischen Spezialproblem mag der Interessierte auf die einschlägige Kommentarliteratur zurückgreifen, etwa Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung zu § 113. 30. Aufl. 2024.

[14] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/martin-sellner-einreiseverbot-aufgehoben-vg-potsdam

Beitragsbild / Symbolbild: Jorm Sangsorn / Shutterstock.com; Bilder von oben: Netzfund auf X;  DesignRage, Brian-A-Jackson, Johanna-Poetsch / alle bis auf das Netzfund-Bild von Shutterstock.com

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