Von Achim Baumann
In den Feuilletons der Republik flammt seit einiger Zeit ein Streit auf, der weit über die Grenzen der Literaturwissenschaft hinausweist. Auslöser ist ein Beitrag des Stuttgarter Literaturwissenschaftlers Torsten Hoffmann in den Frankfurter Heften, in dem er nicht nur konservative Autoren wie Ernst Jünger oder Gottfried Benn als Bedrohung einordnet, sondern auch die alternative Buchmesse „Seitenwechsel“ als „Camouflage-Strategie“ für das „rechte Lager“ abqualifiziert. Linke Buchmessen sind natürlich kein Problem, nichtlinke Buchmessen indes sollen als „demokratiegefährdend“ gecancelt werden. Kein Wunder, dass nicht nur die AfD im Ländle kontert: AfD-Kulturpolitiker Rainer Balzer (MdL) sprach zurecht von „Rufmord, nicht Kulturkritik“ und warf Hoffmann vor, den Auftrag der Wissenschaft zu verlassen. Die Schärfe dieser Auseinandersetzung zeigt exemplarisch, wie intensiv der Kulturkampf geführt wird – und vor allem, wie groß die Angst auf der linken Seite sein muss. Aber es ist wie immer: Die Kritiker der Konservativen werden sogar mit öffentlichen Geldern unterstützt. So wird erneut einseitige Ideologie statt kritische Analyse gefördert.
Wenn Literatur zur Verdachtskategorie wird
Dass Ernst Jünger oder Gottfried Benn in wissenschaftlichen Zusammenhängen untersucht werden, ist selbstverständlich. Beide gehören zum bislang hochanerkannten Kanon der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts, ihre Texte sind fester Bestandteil universitärer Lehre und kulturhistorischer Reflexion. Problematisch wird es, wenn ihre Rezeption in toto unter Verdacht gestellt wird – so wie Hoffmann es tut, wenn er suggeriert, jede Bezugnahme auf diese Autoren öffne das Tor zur Aushöhlung demokratischer Standards. Damit wird Literatur nicht mehr als vielschichtiges Werk betrachtet, das verschiedene Lesarten zulässt, sondern zur Verdachtskategorie erklärt. Wer konservative oder nonkonforme Positionen vertritt, wird so schnell zum rechten Menschenfeind und Demokratieverächter.
Die „Seitenwechsel“-Debatte
Besonders aufgeladen ist die Diskussion um die neue Buchmesse „Seitenwechsel“, die vom Dresdner Buchhaus Loschwitz initiiert wurde. Ihr Ziel ist es, Verlagen und Autoren ein Forum zu bieten, die im etablierten Messebetrieb kaum Resonanz finden. Kritiker wie Hoffmann sehen darin einen „Camouflage-Versuch“, rechte Inhalte unter dem Deckmantel der Literatur in die Öffentlichkeit zu bringen. Doch ist es nicht gerade Sinn einer freien Kulturlandschaft, dass unterschiedliche Stimmen Gehör finden? Ob links, konservativ, avantgardistisch oder unbequem – Literatur darf provozieren und Gegenakzente setzen. Das war bislang selbstverständlich, gilt heute aber offenbar nur noch für linke Autoren. Wer einer Messe per se eine politische Strategie unterstellt, verhindert Debatte, anstatt sie zu fördern. Gerade in Zeiten, in denen große Teile des Literaturbetriebs von allzu ähnlichen Milieus geprägt sind, kann eine alternative Plattform auch ein dringend benötigtes Korrektiv sein: nicht, um eine Ideologie durchzusetzen, sondern um Vielfalt real erfahrbar zu machen. Und wird nicht immer und gerne von Vielfalt gesprochen?
Wissenschaft zwischen Analyse und Aktivismus
Hoffmann versteht sich als Wissenschaftler, der rechte Strategien aufdecken will. Doch seine Sprache verrät, dass er längst selbst Teil des politischen Kampfes geworden ist. Begriffe wie „Camouflage-Strategie“ oder „Abschaffung zivilgesellschaftlicher Standards“ sind nicht analytisch nüchtern, sondern agitatorisch. Sie dienen weniger der differenzierten Untersuchung als vielmehr der Delegitimierung bestimmter kultureller Aktivitäten – und sind letztlich nichts als Totschlagargumente!
Wer finaziert so etwas?
Die Finanzierung solcher Projekte durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft wirft indes Fragen auf. Wenn mit Steuermitteln Forschung betrieben wird, die einseitig bestimmte Milieus diffamiert und andere privilegiert, dann ist der wissenschaftliche Auftrag in Schieflage geraten. Wissenschaft soll Erkenntnis ermöglichen – nicht Schlagworte liefern, die in politische Kampagnen eingespeist werden können. Aber solche Selbstverständlichkeiten gelten in Zeiten, in denen politische Haltung wissenschaftlich verbrämt wird, nicht mehr, das ist hinlänglich bekannt.
Ein Streit mit Signalwirkung
Der Fall Hoffmann ist somt mehr als eine Fußnote in der Literaturdebatte. Er zeigt, wie tief das Misstrauen gegenüber konservativen, rechten Stimmen in Wissenschaft und Kultur verankert ist – und wie schnell kritische Auseinandersetzung durch politische Verdächtigung ersetzt wird. Die Linke will ja auch gar nicht erst in die Diskussion eintreten. Man will canceln, verhindern, dass rechte Argumente artikuliert werden. Gerade deshalb muss man Rainer Balzers Mahnung ernst nehmen: Literatur ist frei. Sie ist kein Instrument, um ideologische Grenzen zu befestigen. Wer sie dazu macht, verlässt den Boden der Aufklärung.
Wissenschaft als politische Waffe
Die Diskussion um Hoffmanns Beitrag und die Reaktionen darauf zeigen, dass der Streit um Kultur längst ein Streit um Deutungshoheit ist. Die Literaturwissenschaft hat eigentlich die Aufgabe, Texte in all ihrer Ambivalenz zu betrachten – nicht, sie in Lagerkämpfen zu instrumentalisieren. Eine Buchmesse wie „Seitenwechsel“ mag für Linke provokant sein, sie mag unbequem sein, sie mag manchen missfallen. Aber genau das ist ihre kulturelle und vorpolitische Legitimation. Vielfalt bedeutet nicht nur, das Vertraute zu bestätigen, sondern auch das Andersartige auszuhalten. Wenn Wissenschaftler beginnen, abweichende Positionen unter Generalverdacht zu stellen, verraten sie ihren eigenen wissenschaftlichen Auftrag. Und wenn die Gesellschaft das hinnimmt, ist nicht die Literatur das Problem, sondern die Demokratie selbst in Gefahr. Aber die Demokratiefeinde sind ja niemals die Linken, oder?
Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: Leka Sergeeva / Shutterstock.com
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