Von Albrecht Künstle

Die Reaktionen auf einen vorherigen Artikel waren durchsetzt von Häme über meinen persönlich erlebten finanziellen Windkraft-Flop – bis hin zu der Unterstellung, ich als Autor wisse nicht, wovon ich schreibe. Dabei offenbarten einige der Kommentarschreiber ein erstaunliches Unwissen; einer schrieb etwa: „Rente: das ist natürlich vollkommener Quatsch, das(s) nach 47 Beitragsjahren noch ein Abschlag abgezogen wird.“ Eine solche Zuschrift unterstellt nicht nur dem Autor, sondern auch dem Freiburger Standard zu Unrecht, dass die hier zu Wort kommenden Stimmen Fake-News in die Welt setzen. Deshalb nachfolgend eine kleine Nachhilfe: Deutschland scheint das einzige Land zu sein, in dem die Beitragsjahre für Rentenabschläge beim Rentenzugang keine Rolle spielen. Leider ist dazu im Internet kein Vergleich zu finden. Dafür stieß ich jedoch auf diese aufschlussreiche Quelle. Für die Abschläge betreffs Höhe des Rentenanspruchs ist in Deutschland tastsächlich nur das Rentenzugangsalter, die sogenannte Regelaltersgrenze maßgebend, nicht die Beitragsjahre.

Sogar über 45 Jahre Beiträge schützen nicht vor Abschlägen
Zum in meinem Artikel geschilderten Fall: Der Autor ging im Jahr 2012 mit 62 Jahren nach 47 echten Beitragsjahren in Rente – ohne irgendwelche Ausfall- und Zurechnungszeiten. Weil die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren lag, waren tatsächlich zeitlebens 10,8 Prozent Rentenabschläge hinzunehmen. Kritiker wie der oben zitierte Kommentator scheinen von Renten keine Ahnung zu haben, sonst hätten sie vielleicht erst einmal selbst etwas recherchiert: Noch heute ist ein Abschlag von 10,8 Prozent fällig für den Jahrgang 1958, der mit 63 in Rente geht, und zwar ungeachtet der geleisteten Beitragsjahre. Auch die „Rente für besonders langjährig Versicherte“, für die 45 Beitragsjahre erforderlich sind, ist nur dann abschlagsfrei, wenn die stufenweise angehobene Regelaltersgrenze eingehalten wird. Will heute im Jahr 2025 jemand mit 63 Jahren in Rente, hat er selbst bei 47 Beitragsjahren einen Rentenabschlag von 6,0 Prozent zu verschmerzen – weil das Rentenzugangsalter mittlerweile auf 64 Jahre und 8 Monate hochgesetzt wurde.

Die Rentenbezugsdauer stagniert
Allen Jüngeren, welche uns Alten die (europaweit fatal schlechten) Renten nicht gönnen, sei hier eine Rechnung aufgemacht: Die Altersabschläge von 0,3 Prozent für jeden Monat vorzeitigen Rentenbeginn waren an sich berechtigt – wenn man es nicht, wie in anderen Ländern, mit maximal 40-45 Beitragsjahren gut sein lässt. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer beträgt – ausweislich den Informationsblättern „Rentenversicherung in Zeitreihen 2024“ der Deutschen Rentenversicherung – 20,5 Jahre. Nachrichten, wonach die Menschen immer länger Rente beziehen, sind gelogen; die Rentenbezugsdauer stagniert. Die Lebenserwartung sank nach den Coronaimpfungen, und das Renteneintrittsalter steigt.

Unkenntnis in der Bevölkerung, Brutalität der Rentenpolitik
20,5 Jahre Rentenbezug entsprechen 246 Monaten. Teilt man die Rentensumme durch 246, dann entspräche ein Monat (1/246) einem Faktor von 0,004065, also rund 0,41 Prozent, nicht 0,3 Prozent. Wenn uns Rentnern also die Rente geneidet wird, dann allenfalls für den rentenmathematisch großzügigen Abschlag für den vorzeitigen Rentenbezug. Aber wer von den Jungen schuftet wie wir noch über 45 Jahre für die Rente? Viele fangen erst zehn Jahre später zu arbeiten an, wenn überhaupt. Bei mir waren es effektive 47 Beitragsjahre – wenn auch die letzten drei Jahre in Altersteilzeit, die ich mir als Übergang vom Vollverdienst zur weit geringeren Rente leisten wollte und konnte. Die ganzen Rentenreformen werden euch Jungen wegen gemacht – euch, denen der Wohlstand durch die „Gnade der späten Geburt“ in die Wiege gelegt wurde, und nicht mehr für uns, die wir nicht mehr so lange zu leben haben.

Für eigenen Nachwuchs an Leistungsträgern sorgen
Aber aufpassen: Ihr seid gut beraten, Politikern das Handwerk zu legen, die jetzt über Rentenabschläge von sogar 0,5 Prozent pro Monat „vorzeitiger“ Rentenbezug für Beschäftigte nachdenken, welche sich nicht mit dem unausgesprochenen Konzept dieser Form von „Vernichtung durch Arbeit“ bis zum Alter von 68 oder noch später abfinden wollen. Und lasst euch nicht vormachen, dass eine kapitalgedeckte Rente zuverlässiger sei: Die Verzinsung muss aus der Rendite wertschöpfender Arbeit erwirtschaftet werden, so wie das auch bei Rentenbeiträgen aus realer Arbeit der Fall ist. In einem sich aus eigener Dummheit deindustrialisierenden Land dürfte diese Quadratur des Kreises allerdings zunehmend schwerfallen. Und wenn ihr befürchtet, für die Finanzierung eurer Renten gingen die Kinder aus: Wer hindert euch, das zu ändern?! Das geht angenehmer und schneller, als sich für irgendwelche „Events“ die Nächte um die Ohren zu schlagen oder vorm Tablet zu versauern.

Klarstellung und Vermächtnis eines Rentenfachmanns
„Selbst ist der Mann“ wäre für einheimische Deutsche allemal besser, als die menschliche Reproduktion jenen zu überlassen, die überwiegend in die Sozialsysteme einwandern und deren oft vielköpfiger Nachwuchs bisher noch nicht den Nachweis erbracht haben, dass sie aufgrund ihrer schulischen Leistungen und Integrationsfähigkeit je etwas zum Erhalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland beitragen werden – sofern sie dies überhaupt beabsichtigen Und wer nach der Zuwanderung und Integrationszeit bis zum Rentenalter keine 30 bis 35 Jahre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsjahre mehr zusammenbringt, kostet unausweichlich dereinst einmal mehr, als er zur Finanzierung der Renten beigetragen hat. Das rentenpolitisch perpetuum mobile muss erst noch erfunden werden.

Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: Dilok Klaisataporn; Bild darunter: Andrii-Yalanskyi / beide Shutterstock.com

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