Von Dario Herzog

In den vergangenen Wochen sah es nicht immer gut aus für Alice Weidel, die Co-Parteivorsitzende geriet unter Beschuss: Einerseits, da ihr Netzwerk, das sogenannte Münzenmaier-Netzwerk, Federn lassen musste, und sich beim vergangenen Parteitag nicht mit dem Plan, einen Generalsekretär einzuführen und die Parteispitze auf eine Person zu reduzieren, durchsetzen konnte. Andererseits, da ihr Lebensmittelpunkt nicht in der Bundesrepublik zu liegen scheint, weil ihre Frau und die gemeinsamen Kinder in der Schweiz leben. Da hilft es  eigentlich auch nicht für einen Wahlantritt, lediglich in der Bundesrepublik gemeldet zu sein. Aber das alles scheint nun wie weggefegt zu sein, denn der Landesparteitag wählte sie auf Platz eins der Landesliste für die Bundestagswahl im Herbst 2025. Alles andere wäre auch peinlich gewesen. Warum die Nachrichten vom Landesparteitag trotzdem Grund zur Sorge sind?

Am Montag nach dem Parteitag steht fest
Weidel erhielt 87 Prozent von 877 abgegebenen Stimmen, der Co-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier erhielt knapp 82 Prozent Zustimmung und folgt Weidel auf der Landesliste. Die Stuttgarter Nachrichten indes bringen es auf den Punkt: wer in der AfD Baden-Württenberg nicht spurt – also zu Alice Weidel Ja und Amen sagt-, der hat keine Chance. Am Aufstellungsparteitag für die Bundestagswahl am vergangenen Wochenende in Ulm konnten das unter anderem Dr. Christina Baum (MdB), Dr. Dirk Spaniel (MdB) und andere feststellen. Und bereits die Einladungen lassen die nötige Neutralität der Parteiverantwortlichen vermissen.

Noch neutral?
Dass Kreisverbände ihren Parteitagsteilnehmer Hotelunterkünfte anbieten, Fahrgelegenheiten organisieren, ist sicherlich nicht neu. Aber eine Kostenübernahme und dazu noch Handgeld? Und dann noch selektiv für diejenigen, die zum sogenannten Weidel-Lager gehören? Solche Vorwürfe stehen im Raum. Was man im Vorfeld über die Auswahl der Parteitagsteilnehmer hörte, ließ somit nichts Gutes erahnen, sollen die Parteitagsteilnehmer zudem auch konkret gebrieft worden sein, wer zu wählen ist. Gut, auch das ist nichts Neues, aber in dieser geballten Form? Von wegen Rechtsstaatspartei! So ist der eine oder andere baden-württembergische Kreisverband mächtig übers Ziel hinausgegeschossen. Folglich schreibt t-online genüßlich: “Dokumente, die t-online vorliegen, zeigen: Weidel-Gegner werden kaltgestellt und unter Druck gesetzt, es werden Parteiausschlussverfahren gegen sie angestrengt oder mit Ordnungsmaßnahmen gedroht. Kandidaten hingegen, denen Weidel wohl gesonnen ist, werden vorab von ihren Kreisvorständen in großen Verteilern beworben. Mitgliedern werden kostenlose Busfahrten, Hotelübernachtungen und zum Teil zusätzliches “Handgeld” von bis zu 150 Euro geboten, um bei der Aufstellungsversammlung in Ulm abzustimmen.” Man darf sich ernsthaft fragen, was in der AfD noch von einer Binnendemokratie gehalten wird…

Unterschiedliche Ansichten – draußen wie drinnen
Rund 2.000 Menschen demonstrierten nach Polizei-Angaben am Samstagnachmittag gegen den Parteitag, der in der Messe in Ulm stattfand. Die Hauptnachricht, die überall in den Medien Niederschlag fand: Alice Weidel ist mit großer Mehrheit zur Spitzenkandidatin des baden-württembergischen Landesverbands für die Bundestagswahl 2025 gewählt worden. Aber wie verlief es ansonsten und wie haben verdiente Parteimitglieder den Parteitag wahrgenommen, die nicht zum sogenannten Weidel-Lager zählen? Recht klar fasst es Dr. Christina Baum (MdB) in einer Stellungnahme zusammen:

“Voraussetzung dafür, dass jemand auf die Liste von AW/Frohnmeier kam, war ein absolutes Loyalitätsbekenntnis zu AW (Anmerkung der Redaktion: gemeint ist Alice Weidel). Besser gesagt, Anbiederung bis zur Unterwerfung. Aus Mangel an eigener Leistung oder Zweifel an eigenen Fähigkeiten gab es dann natürlich immer den Hinweis darauf, dass man Alice unbedingte Treue schwört. Eine absolute Beleidigung für jeden Frei- und Selbstdenker. Vorschläge für die Kandidaten vom “Team Weidel“ kamen ausschließlich von Alice selbst, natürlich prominent von der Bühne vorgetragen, oder vom Landesvorstand.”

Und recht kritisch ergänzt sie:

“Gab es bei einem Wahlgang einen Gegenkandidaten stand nach der Rede des „Team Weidel“-Kandidaten demonstrativ der gesamte Landesvorstandauf der Bühne auf und zollte frenetisch Beifall, womit klar war, wer präferiert wird. Nicht mal ansatzweise wurde versucht, Neutralität zu wahren, was wir bei unserem politischen Gegner immer anprangern.”

Damit hatte Dr. Christina Baum keine Chance zur Wiederwahl, denn die promovierte Ärztin gehört nicht zum Weidel-Lager. Dabei war sie eine der wenigen sehr aktiven Bundestagsabgeordneten. Insbesondere ihre regelmäßige und fundierte Kritik gegen die unsäglichen Corona-Maßnahmen werden unvergessen bleiben. Kein Wunder, dass sie festhält:

“Ich habe bei meiner vorzuweisenden Leistung im Bereich Gesundheit (und allgemeiner Lebensleistung mit über 44 Jahren aktiver Berufstätigkeit) über die Landesgrenzen hinweg Anerkennung erfahren und gegen eine junge Frau verloren, die nicht ansatzweise über meine Qualifikation oder gar Kompetenz verfügt. Sie wurde übrigens von Aliche Weidel persönlich vorgeschlagen. Ich bin nicht nachtragend, eigentlich eher sogar froh, dass es genau so gekommen ist. Ich sagte schon beim Bundesparteitag, dass ich für eine „Merkelisierung“ nicht zur Verfügung stehe. Das gilt nun um so mehr.”

Und da ist das Wort, das in den vergangenen Monaten häufiger fiel: “Merkelisierung”. In Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, in Hessen und nun in Baden-Württemberg geht man innerhalb der AfD zunehmend den Weg der Anbiederung, der Konturenlosigkeit und der Wahl von Netzwerk-Angehörigen, anstatt auf Fähige und Qualifizierte zu setzen. Gab und gibt es in anderen Parteien Netzwerke, die für unterschiedliche Ausrichtungen stehen, sind es in den genannten Landesverbänden lediglich Netzwerke, deren Interesse dem Mandat oder Posten gehören. Damit entsteht eine Negativbesetzung wichtiger Mandate. Dies folgt auch der abschließenden Einschätzung der Bundestagsabgeordneten Baum:

“Diese AfD wird Deutschland niemals retten, denn sie hat all unsere Gründungsideale aufgegeben. Doch nur deshalb bin ich überhaupt parteipolitisch aktiv geworden – weil ich den Zustand meiner Heimat nicht mehr ertrage. Was ich von den Charakteren halte, die durch diese Mandate nun angezogen werden, äußere ich nicht. Nur so viel – sie werden niemals zu meinem Freundeskreis gehören.”

Dr. Dirk Spaniel geht ganz
Der andere betroffene starke Bundestagsabgeordnete, der sich als versierter verkehrspolitischer Sprecher bewiesen hat, er stammt nämlich aus der Automobilbranche, ist Dr. Dirk Spaniel. Und auch er, ein bekannter innerparteilicher Gegner von Weidel, hatte keine Chance auf dem zurückliegenden Parteitag. Nun zieht er Konsequenzen, möchte laut mehrerer Medienberichte ganz aus der Partei austreten. Zitiert wird er mit der Aussage:

“Jede Partei kriegt die Politiker, die sie verdient. […] Ich bin erleichtert, nun nicht mehr die parteiinternen Schweinereien gegen mich aus einer Parteiräson hinnehmen zu müssen. Soll die AfD ruhig diesen Weg gehen. Es ist nicht mehr lange meiner.”

Damit fällt auch seine fachspezifische Expertise weg, Spaniel wird (vorerst) kein Bundestagsabgeordneter der AfD. Wie schrieb ein Nutzer auf X:

“Merke: wer glaubt, die Weidel-AfD sei eine Alternative zu den Altparteien, dem können wir nicht weiterhelfen. Fakt ist: Die patriotische Hoffnung für eine Erneuerungs-AfD liegt im Osten.”

Während etliche West-Landesverbände sich dem Nepotismus verschrieben haben, liegt die Hoffnung in der Tat in Mitteldeutschland. Möge von dort ein Impuls gegen die unqualifizierten Netzwerke kommen!

Beitragsbild / Symbolbild: Jürgen Nowak; Bild oben: Westlight / alle Shutterstock.com

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