Von Damon Sinclair

Nun sind die Tage der Ampel also gezählt. Aber sind sie das wirklich? Die Rede an die Nation von Olaf Scholz gestern Abend lässt anderes vermuten. Die Ausfälle von Scholz, der SPD und den Grünen gegenüber Lindner sind reinster Theaterdonner und lenken nebelkerzenartig von der einen wirklichen Frage ab: Wenn der Kanzler die Vertrauensfrage stellen will, warum dann erst im Januar? Warum nicht gleich, also nun, wenn der Laden „fertig hat“?

Der Bundeskanzler ist „not amused“
Scholz sagte, es gäbe noch wichtige Gesetzesvorhaben, die er verabschiedet haben will; sehr kostenintensive Gesetze. Und für die er einen durch das Parlament beschlossenen Haushalt braucht. SPD-Fraktionschef Mützenich erklärte bereits, man wolle jetzt versuchen, CDU-Chef Merz davon zu überzeugen, den Haushalt mitzutragen. Es ist allerdings so, dass wenn die Regierung, vulgo der Kanzler, durch die Verabschiedung des Haushalts erst einmal die Mittel für das nächste Jahr hat, es ihm völlig egal sein kann, ob er noch eine parlamentarische Mehrheit hat oder nicht. Dann kann er einfach weitermachen bis zu den nächsten regulären Neuwahlen.

Diamanten gegen Kohle wetten?
Und die Gesetze, die ihm wichtig sind, will er ja bereits vor dem 20. Januar, dem angekündigten Termin seiner Vertrauensfrage, verabschiedet haben. Wenn die CDU und die Grünen den Haushalt mittragen, darf man beruhigt Diamanten gegen Kohle wetten, dass vor dem 15. Januar Umstände eintreten, die es dem Kanzler ratsam erscheinen lassen, die Vertrauensfrage doch nicht zu stellen, aus seiner Verantwortung für das Land heraus und um die nötige Kontinuität der Regierung in schweren Zeite zu gewährleisten oder was für Formulierungen auch immer dem Kanzler dazu einfallen werden.

Kein Ehrenmann!
Der eine oder andere mag jetzt sagen, das würde Olaf Scholz doch niemals tun, das ist doch ein anständiger Mensch, das kann er doch als Kanzler nicht machen. In dem Zusammenhang sei daran erinnert, wie sich Olaf Scholz als Kanzler vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuß an nichts erinnerte; wie Scholz als Finanzminister Wirecard hat laufen lassen, bis 30 Milliarden in den Wind geschossen waren. Wie Olaf Scholz stumm danebenstand, als Joe Biden die Zerstörung von Nordstream ankündigte. Olaf Scholz ist eben kein anständiger Mensch, sondern ihm ist absolut alles zuzutrauen, wenn es um seine Person und sein Fortkommen geht. Im Vergleich zu dem Erwähnten wäre die Aussetzung der Vertrauensfrage sogar eine ziemliche Marginalie, da ginge es ja um nichts strafrechtlich Relevantes, sondern nur um ein wenig politische Trickserei.

Was macht Merz?
Natürlich könnte Merz in dem Fall ein konstruktives Mißtrauensvotum anstreben, was er auch gewinne würde. Aber würde er das wollen? Um dann für ein dreiviertel Jahr Kanzler zu sein, mit einem Haushalt, der nicht der seine wäre? Und dann dazu gezwungen, neue teure Umverteilungsgesetze zu exekutieren und zu verantworten, die garantiert nicht in seinem Sinne sind? Darin liegt keinerlei Vorteil für Merz, im Gegenteil. Und dieses Kalkül wird der Kanzler in seinen Überlegungen durchaus eingepreist haben.

Opposition heißt Opposition
Die Opposition ist gut beraten, auf gar keinen Fall auf diesen Zaubertrick von Olaf Scholz reinzufallen, sondern ihm klar zu sagen: „Du bist am Ende! Es gibt mit unserer Hilfe kein Geld mehr für Dich und Deine Regierung. Mach den Platz frei und vergiss nicht, den Habeck und die Baerbock mitzunehmen. Du stellst die Vertrauensfrage jetzt und dann reden wir über den Haushalt. Nicht andersherum.“ Die CDU-Vertreter haben zwar am Abend den wilden Mann markiert und sofortige Neuwahlen gefordert, aber die Merkelreste und Merzgegner in der Union sind vermutlich gerade dabei, ihr Süppchen zu kochen und nur der Himmel weiß, was dabei herauskommen wird.

Beitragsbild / Symbolbild: Philipp Edler / Shutterstock.com

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