Von Brutus Crombie

Flunkern, lügen oder betrügen? Was alles recht nah beieinander zu liegen scheint, ist gerade im politischen Geschäft genau auseinander zu halten. Denn Ehrlichkeit ist eine Tugend. Aber Politiker der Systemparteien und natürlich die Medien scheitern mit schöner Regelmäßigkeit an dieser Tugend. Man will den Bürger erziehen, verdreht die Wahrheit gerne, und will damit rechte Erfolge – wie  nun in Österreich – vermeiden. Die Lügen sind daher mitunter moralisch gerechtfertigt, so die Etablierten. Fake News sind folglich bei ihnen an der Tagesordnung. Aber stimmt das? Darf man aus moralischen Gründen lügen? Rechte sind dagegen eigentlich ehrlicher, oder? Aber was passiert, wenn Rechte lügen?

Die Wissenschaft lügt nicht
Wir alle lügen im Schnitt zwei Mal pro Tag, so die Wissenschaft. Dabei reicht das Spektrum von der diplomatischen Höflichkeitslüge bis zum handfesten Betrug. Und Betrug kann sogar erhebliche Konsequenzen haben, Betrüger landen nicht selten im Gefängnis. Aber die politische Lüge ist meist konsequenzenlos. Ein Beispiel: Rund ein Jahr lang gab es recht deutliche Anzeichen dafür, dass US-Präsident Joe Biden erhebliche geistige Aussetzer hat. Darüber berichtete in den Vereinigten Staaten zuerst die konservative Presse, während die linksliberalen Mainstreammedien monatelang mit einer Vehemenz von einer niederträchtigen Schmierenkampagne des Trump-Lagers sprachen. Und auch die deutschen Mainstreammedien sprachen von Hass und Hetze unter der Gürtellinie seitens der politischen Rechten. Und selbst hochrangige deutsche Politiker, die mit Biden zusammentrafen, sprachen in höchsten Tönen über Biden, der keinerlei Aussetzer zeigen würde. So beispielsweise Olaf Scholz, unser Noch-Bundeskanzler. Im Nachhinein hat sich das alles als ein Lügenkonstrukt erwiesen. Die Mainstreammedien und auch die hohe Politik haben uns einfach angelogen. Heute weiß man von den geistigen Schwächen Bidens, seinen andauernden zum Teil heftigen Aussetzern. Jemand wie er, der über die Macht verfügt, Atombomben werfen zu lassen, darf nicht ansatzweise geistig verwirrt sein. Aber für die monatelangen Lügen wurde niemand zur Verantwortung gezogen. Keiner derjenigen, die die Aufklärer als Hetzer beschimpft haben, hat um Entschuldigung gebeten. Scholz wurde von niemandem unter Druck gesetzt, einzuräumen, gelogen zu haben. Warum? Das Politgeschäft geht einfach weiter. Nun mögen es aber auch solche Vorgänge sein, die zu Politikverdrossenheit führen. Schon Bismarck befand nämlich zeitlos zutreffend:

“Niemals wird so viel gelogen wie nach der Jagd, während des Krieges und vor der Wahl.”

Die Etablierten lügen eben immer
Aber wir wissen schon lange, dass wir von den Etablierten und ihren Steigbügelhaltern schamlos angelogen werden. Und wir wissen, dass wir Nachrichten eben nicht glauben dürfen. Ein jeder, der oppositionell zur herrschenden Klasse eingestellt ist, hat gelernt, jede Nachricht auf Logik zu überprüfen, hat zudem gerlernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Dass die Etablierten permanent lügen, ist mittlerweile erkannt. Anders verhält es sich, wenn man als Alternative zum herrschenden System auftreten möchte und eine gewisse politische Hygiene vertritt. Leider trifft das auch die AfD, zumindest dort in der Partei, wo es um Posten und Mandate geht. Lügen gehört bei dem einen oder anderen mittlerweile auch zum Geschäft. Darf man das überhaupt feststellen? Oder besteht mit einer solchen Diskussion die Möglichkeit, dass die AfD Schaden nehmen könnte? Nein, Schaden wird sie nehmen, wenn sie die Verhaltensweisen der Etablierten weiterhin schamlos übernimmt. Dann ist sie nicht besser als diese – und für echte Rechte eben keine Alternative mehr. Denn es kommt nicht nur auf den ertappten Lügner an, sondern auch den Umgang mit diesem.

Aktuell: Der Fall Klaus Esser
Die Burschenschafter waren schneller: Bei denen ist Klaus Esser nämlich unten durch. Wer? Klaus Esser, der kürzlich zurückgetretene Vize-Vorsitzende der AfD Nordrhein-Westfalen. Der Alte Herr der Kölner Burschenschaft Germania wurde intern schnell zum “Lügen-Klaus” gestempelt. Bei Verbandstreffen oder sonstigen Zusammenkünften im korporativen Umfeld wird sich Klaus Esser aus Düren so schnell nicht mehr zeigen und auch aus burschenschaftlichen Chatforen, in denen er bis vor Kurzem noch war, ist er ebenfalls raus. Bei Burschenschaftern zählt der Begriff der Ehre immerhin noch. Und Lügner sind dort nicht gerne gesehen, die strengen Kodexe innerhalb der Szene sind nichts für Lügner, Hochstapler und Betrüger. Bei der AfD scheint der Groschen indes nicht ganz so schnell zu fallen. Von einem “Kurzen Prozess” kann man beim Umgang der Partei mit Klaus Esser indes nicht sprechen.

Nicht nur ein Flunkern, oder?
Das nordrhein-westfälische Landesvorstandsmitglied Hans Neuhoff, seines Zeichens auch EU-Abgeordneter, klärte erst kürzlich über den Sachverhalt betreffend Klaus Esser in einer internen E-Mail an andere Mitglieder des Landesverbandes auf:

“Klaus Esser war im Februar 2020 von dem damaligen Landesvorstand, mit dem Sprecher Rüdiger Lucassen, zum „Geschäftsführer der Landesgeschäftsstelle“ ernannt und den Parteimitgliedern im Landesverband NRW als „Jurist“ mit abgeschlossenem Studium vorgestellt worden. Durch diese zentrale Position erlangte Esser im Landesverband große Bekanntheit, wurde im Oktober 2021 auf Listenplatz 10 für die kommende Landtagswahl gewählt und zog im Mai 2022 für die AfD in den Landtag von Nordrhein-Westfalen ein. Im April 2024 wurden dem Landesvorstand NRW und dem Bundesvorstand der AfD aus der Mitgliederschaft mögliche Verfahrensfehler und Manipulationen bei Mitgliederaufnahmen im Kreisverband Düren angezeigt, für die Klaus Esser verantwortlich zeichnete. Die vom Landesvorstand veranlassten Ermittlungen in der Sache erhärteten diese Anschuldigungen. Anfang August erschien darüber hinaus in der Rheinischen Post ein umfangreicher, aufwändig recherchierter Artikel, wonach Esser bei seiner Bewerbung um die Stelle des Landesgeschäftsführers seine juristische Qualifikation durch die Vorlage gefälschter Abschlusszeugnisse vorgetäuscht haben soll.”

Also lediglich ein neuer Zeugnis- und Lebenslauf-Skandal bei der AfD? Im mitgliederstärksten Landesverband der AfD? Und dann noch den Vize-Chef treffend? Ein Supergau für Martin Vincentz, den Landesvorsitzenden, der sich gerne von Rechts abgrenzt und mit fragwürdigen Entscheidungen kritische Stimmen wie den Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich mundtot macht? In der Tat, wenn die Vorwürfe zutreffen, und die Indizien sprechen eine klare Sprache, ist Klaus Esser weder in der Partei noch der Fraktion im NRW-Landtag zu halten. So schreibt auch Hans Neuhoff weiter:

“Herr Esser hat aus der Situation die Konsequenzen gezogen und seine Partei- und Fraktionsämter niedergelegt. Der Landesvorstand hat seinerseits die bereits vorliegenden Ermittlungsergebnisse als ausreichend betrachtet, um beim Landesschiedsgericht den Parteiausschluss von Herrn Esser zu beantragen.”

Das klingt zunächst vorbildlich. Aber Klaus Esser ist nach wie vor in der nordrhein-westfälischen Fraktion Mitglied. Man fragt sich, warum er trotz erdrückender Indizien – er soll nicht nur Studienabschlüsse gefälscht haben, sondern auch berufliche und mehrere Angaben seiner Zeit bei der Bundeswehr – nicht aus der Fraktion ausgeschlossen wurde. Immerhin ist ein Teil der Fraktion auch Mitglied im Landesvorstand – und der hat ein Ausschlußverfahren angestrengt. Und seine Mitgliedsrechte nimmt Klaus Esser nach wie vor wahr, nimmt ungetrübt an Parteiveranstaltungen teil. Seine Mitgliedsrechte wurden ihm nicht vorsorglich ebenfalls entzogen – bei Matthias Helferich indes hat man vorsorglich genau das getan. Beide sind Abgeordnete, aber der Umgang im Rahmen von Parteiausschlußverfahren ist seltsamerweise unterschiedlich. Liegt es etwa daran, dass Esser zum Vincentz-Flügel gehört(e)? Wird das Parteiausschlußverfahren vielleicht nur alibi-mäßig geführt, um Esser in der Partei zu halten?

Politische Hygiene für Glaubwürdigkeit wichtig
Man darf gespannt sein, wie das Ausschlußverfahren gegen Klaus Esser ausgeht. Wichtig ist für die AfD, dass sie ohne Ansehen der Person stets gleich unerbittlich gegen Hochstapler in ihren Reihen vorgeht. Das hätte sie bereits nach dem Magdeburger Parteitag konsequent handhaben sollen. So werden Parteiordnungsverfahren zwar gerne genutzt, um Kritiker und Konkurrenten loszuwerden (wir berichteten). Wenn schwere Lügen aber die gleichen entschiedenen Konsequenzen hätten, würden sich die Reihen der Kandidaten und Amtsträger hier und da durchaus lichten. Aber solange einige von ihnen protegiert werden, weil sie zum “richtigen” Lager innerhalb der Partei gehören, mangelt es der Partei an Glaubwürdigkeit.

Beitragsbild / Symbolbild: Pictrider-scaled; Bild oben: Branko-Devic; Bild unten: Sichon / alle Shutterstock.com

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