Von Brutus Crombie
Nach Meuthen ist vor Meuthen 2.0. Diesmal ist es allerdings Martin Vincentz, der offensichtlich die idelogische Nachfolge des heute unbeliebten ehemaligen Parteivorsitzenden antreten möchte. Noch ist er Landesvorsitzender des einwohnerreichsten und auch mitgliederstärksten Landesverbandes der AfD Nordrhein-Westfalen mit über 7.000 Mitgliedern. Auf dem in Marl anstehenden Landesparteitag am kommenden Wochenende, 24. und 25. Februar, wird er versuchen, seinen Einfluß zu festigen. Ob er das schafft, ist noch völlig offen. Zumindest wird er den Parteitag nicht ohnen Blessuren überstehen können, denn die Landespartei ist tief gespalten – vor allem wegen seines Kurses.
Der Ruf nach Distanzierung von der Jungen Alternative
Es war schon eine überaus pointierte Forderung, die der Kreisverband Mettmann und der Bezirksverband Düsseldorf kürzlich veröffentlichten. Während sich der Kreisverband Mettmann auf seiner Internetseite zuletzt im September 2023 echten politischen Sachverhalten widmete, forderte er auf seinem Facebook-Profil jüngst allerlei einschneidende Aktionen gegen die Junge Alternative NRW (JA), da diese nunmehr vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft worden war. Man empfahl Mitgliedern aus der JA auszutreten, der Partei sich vom Parteinachwuchs zu distanzieren, einzelne unbotmäßige Mitglieder zu sanktionieren. Man kann es Spaltungsversuch nennen, beim Verfassungsschutz dürften die Sektkorken geknallt haben. Denn wer ernsthaft meint, den deutschen Regierungsschutz durch eine Appeasementpolitik besänftigen zu können, sollte sich aus der Politik zurückziehen. Spätestens wenn die Gesamtpartei in absehbarer Zeit ebenfalls als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird, müßte sich die AfD Mettmann und deren Mitstreiter selbst auflösen, nähmen sie ihre eigene Argumentation ernst. Und dass es zu einer solchen Gesamtpartei-Einschätzung kommt, ist heute so sicher wie die fortgesetzte Unfähigkeit der Ampelkoalition. Erfreulich erfrischend war jedoch die Gegenwehr der nordrhein-westfälischen Jungen Alternative, beispielsweise in Form von argumentativer Gegenwehr.
„Distanzeritis“ als Konstante
Der Vorstoß aus Mettmann und Düsseldorf indes bestätigt den Kurs von Martin Vincentz. Auch er distanzierte sich erst kürzlich in einem WDR-Video vom Vorfeld, von eigenen Parteifreunden wie Björn Höcke und drohte übers Fernsehen eindeutig identifizierbaren Parteimitgliedern mit Ordnungsmaßnahmen bis hin zum Ausschluß. Ein Landesvorsitzender, der sich ohne Not öffentlich von Parteimitgliedern distanziert, ist in Zeiten wie diesen eigentlich fehl am Platze. Die Beschäftigung mit einer Freund-Feind-Konzeption (Carl Schmitt) ist ihm offenkundig völlig fremd. Dabei hat ein Arzt ein „echtes“ und mitunter schweres Studium absolviert und sollte eigentlich besonders wichtige Fähigkeiten für Führungsposten mitbringen. Man muss abwägen, aber auch abstrahieren – und den Erfolg von Maßnahmen einschätzen können. Es geht immerhin nicht um Genderwissenschaften. Da hätten die Eigenschaften, die ein guter Arzt haben sollte, Martin Vincentz, von Beruf Humamediziner, eigentlich helfen können.
Die andere Fraktion
Auf der anderen Seite steht der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich. Während Martin Vincentz das politische Vorfeld permanent ignoriert, sich entschieden von alternativen Medien fernhält, allenfalls ausnahmsweise dem Kelle Nachrichtenmagazin des CDU-Mannes Klaus Kelle ein Interview gibt, in dem er von eine Koalition mit der CDU träumt, vertritt der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich das genaue Gegenteil. Er bekennt sich offensiv zum Vorfeld, zuletzt zur Revolte Rheinland (wir berichteten), die von der Bundespartei auf eine Unvereinbarkeitsliste gesetzt worden war. Aber auch ansonsten ist er Vorfeld-affin, und bekennt sich beispielsweise auch zu Martin Sellner, dessen Remigrationsbegriff und vor allem zur Jungen Alternative. Damit polarisiert der ebenfalls Studierte, er ist im Zivilberuf Rechtsanwalt, zwar in gemäßigten Kreisen, aber unterwirft sich nicht dem Diktat des politisch-medialen Komplexes, agiert frei von der Schere im Kopf – und lässt sich so nicht vom Verfassungsschutz treiben. Dass er damit im Landesverband aneckt, liegt an den verkrusteten Strukturen im Landesverband, immerhin sind mittlerweile zahlreiche Bundestags- und Landtagsmandate zu vergeben. Wer will schon offen mit dem Landesvorsitzenden über Kreuz liegen, da könnte das sicher geglaubte Mandat in Gefahr sein. Trotzdem gehören auch andere prominente Mandatsträger zum sogenannten „Helferich-Lager“.
Wohin tendiert der künftige NRW-Landesvorstand?
Bekannt ist mittlerweile nur, dass einige altgediente Landesvorstandsmitglieder nicht mehr kandidieren werden, darunter Jörg Schneider (MdB) aus Gelsenkirchen. Wird der neue Landesvorstand also eher mit Gefolgsleuten von Vincentz oder von Helferich besetzt sein? Das wird auf die entsprechenden und schwer abzuschätzenden Mehrheiten beim Landesparteitag ankommen. Während beide Lager über etablierte Strukturen verfügen, gibt es zahlreiche Kreisverbände und damit Delegierte, die nicht eindeutig einem Lager zuzurechnen sind. Zumindest dürfte das Lager um Vincentz Delegierte, die auch der Jungen Alternative angehören, nicht für sich gewinnen können. Der Grund: Zuletzt hörte man aus dem Vincentz-Lager, dass die Junge Alternative auf dem Parteitag als unterstützende Parteigliederung unwillkommen sei – ein erneuter Affront. Die Junge Alternative wurde sogar explizit als unterstützende Parteigliederung ausgeladen. Zudem wurde heute ein Beschluß des Landesvorstandes bekannt, in dem der Nachwuchsorganisation mit rund 500 recht aktiven Mitgliedern jegliche Finanzmittel des Landesverbandes gestrichen werden sollen. Offenkundig setzt man sich bereits jetzt vom Parteinachwuchs gezielt ab.
Bekenntnis zur JA auf der Tagesordnung?
Interessant wird daher sein, ob es ein Antrag, in dem sich zur JA als Parteinachwuchs explizit bekannt wird, auf die finale Tagesordnung gelangt. Diesen Antrag hat der vormalige Landeschef Rüdiger Lucassen (MdB) eingebracht. Gerüchten zufolge will die Vincentz-Fraktion den Antrag aber gar nicht erst auf die Tagesordnung lassen; Streit soll nicht nach außen getragen werden. Wie dem auch sei: Wer kurz vor dem Parteitag so heftig gegen den eigenen Parteinachwuchs vorgeht, scheint sich besonders sicher zu sein. Wenn das mal nicht nach hinten losgeht! So wird bereits jetzt über Überraschungskandidaten spekuliert und Matthias Helferich schloß in der Vergangenheit nicht aus, selbst für das Parteischiedsgericht oder andere Ämter zu kandidieren. Sollte sich das Helferich-Lager durchsetzen, könnte sich der bisherige Landeschef Vincentz möglicherweise zurückziehen. In einem WDR-Video sprach er von einem möglichen Bruch mit der Partei. War das die Drohung, die Brocken hinzuschmeißen, wenn Rivalen das Rennen machen sollten? Ein Landeschef, der so etwas vor einem Parteitag ankündigt, wirkt getrieben und unsicher – und zeigt damit eklatant sein Unvermögen auf, innerparteiliche demokratische Prozesse anzuerkennen.
AfD Nordrhein-Westfalen könnte ein Faktor in der Partei sein
Ein AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen sitzt dem mitgliederreichsten Landesverband vor. Und würde der geschlossen agieren, könnte der Landeschef innerhalb der Partei ein gewichtiges Wort mitreden, den Kurs der Partei zumindest teilweise mitbestimmen. Das ist aber aktuell nicht der Fall. So verfügt der Landesverband zwar über die höchste Anzahl von Delegierten bei AfD-Parteitagen. Davon merkte man beim zurückliegenden Parteitag in Magdeburg aber nichts. Martin Vincentz konnte sich in Magedeburg mit eigenen Kandidaten nicht ansatzweise durchsetzen. Offenbar hatte er an keiner der erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Koordinationsrunden teilgenommen. Kein Wunder, so ist bekannt, dass der Kontakt des Landesverbandes zu den anderen Landesverbänden eher schlecht ist. Und auch in der Bundestagsfraktion ist kein Vertreter aus Nordrhein-Westfalen Teil des Vorstands, obwohl die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen die größte ist. Offenbar beschäftigt man sich in Nordrhein-Westfalen lieber mit Distanzierungen und Parteiordnungsmaßnahmen. Das sollte sich in der Zukunft ändern, oder?
Beitragsbild / Symbolbild: rarrarorro / Shutterstock.com; Bild Mitte: Screenshot
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Jede Partei hat doch seine Jugendorganisation und nicht immer stimmen Mutterpartei und ihre Jugend-Organisation mit ihren Ansichten überein.
Aber wenn die jungen Leute nur dafür gut sind Plakate aufzuhängen und Flugblätter zu verteilen dann stimmt doch was nicht.
Ja, junge Leute gehen auch schon mal auf die Straße und haben wie bei der JA Kontakt zu Leuten wie Sellner oder PEGIDA , wofür ich vollstes Verständnis habe.
Für den politischen Gegner werden wir Rechtsextremisten bleiben, da könnten wir auch Mutter Teresa aufstellen.
Lässt Euch nicht spalten und macht Meinungsverschiedenheiten hinter verschlossenen Türen aus.