Von Brutus Crombie

Der Spiegel war einst als Sturmgeschütz der Demokratie bekannt. Das ist lange her. Wer sich das Lifestyle-Magazin mit reichlich Werbung einmal kauft, wird den erheblichen Qualitätsverlust bemerken – es sei denn, man will genau das lesen, was darin verkündet wird: Anbiederung an den Mainstream! Fest steht: Auch nach dem Fall Relotius ist das Blatt nicht besser geworden. Ein aktuelles Beispiel ist besonders markant.

Der Jurist ohne Sachverstand?
Der Leitartikel der aktuellen Ausgabe (SPIEGEL Nr. 33/2023), der auch online erhältlich ist, natürlich gegen Bares, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Da appelliert ein gewisser Dietmar Hipp für ein klares AfD-Verbot. Erst räsoniert der Autor Hipp, der auch auf Twitter unterwegs ist, über die Vergangenheit und macht Anspielungen auf frühere tatsächliche Parteiverbote und erinnert daran, dass „umstürzlerische Parteien für verfassungswidrig“ erklärt werden können. Einem Hardcore-Antifa-Mitglied gleich behauptet er: „Die Mottos Wehret den Anfängen! und Nie wieder Faschismus! gehören zur verfassungspolitischen DNA der Bundesrepublik“,  um im nächsten Atemzug die AfD zu nennen. Lieber Dietmar Hipp, echt jetzt? Gleich mit so einer Keule die bösen Faschisten bekämpfen?

Der böse „Faschist“
Apropos „Faschist“: Natürlich zitiert der Spiegeljournalist in den nächsten Zeilen die in einem Verfahren als Meinungsäußerung erklärte Behauptung, dass man Björn Höcke angeblich einen Faschisten nennen dürfe. Dass es komplizierter ist, dass der Grad zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung sehr schmal ist, ist Hipp offenbar nicht bekannt. Und dass Politiker einem härteren Meinungskampf ausgesetzt werden und die Gerichte regelmäßig bei grenzwertigen Beschimpfungen durchaus eher Meinungen erkennen und dies keine Tatsache sein muss, hier der böse „Faschist“, ist vielleicht nur für Juristen verständlich. Ach, hoppala, laut dem Spiegel hat Dietmar Hipp sogar das erste juristische Staatsexamen, ist beim Spiegel vor allem verantwortlich „für die Bundesgerichte und rechtspolitische Themen“. Was für ein Blinder, der über Farbe spricht – und das beim ehemaligen Vorzeigemedium der Bundesrepublik!

Verbot oder kein Verbot
Nun dürfte auch für Nichtjuristen klar sein, dass die AfD keine umstürzlerische Partei ist. Sie ist noch nicht einmal extrem. Sie stellt gemäß ihres Programms weder die Gewaltenteilung, noch die Staatsordnung oder das Grundgesetz in Frage. Aber kein Problem, Hipp erklärt AfDler erst einmal für Verfassungsfeinde – und die gehören verboten. Kein Wort über den Unterschied zwischen Verfassungsfeindlichkeit und Verfassungswidrigkeit, kein Wort über die sehr hohen Hürden eines Parteiverbots und auch kein Wort über die Zuständigkeit europäischer Gerichte, die ein mögliches deutsches Parteiverbot aller Wahrscheinlichkeit kassieren würden. Kein Wort darüber, dass juristisch noch nicht einmal ein Verbot der NPD, also einer wirklich offen rechtsextremen Formationen, eine Chance hatte. Nein, es handelt sich bei diesem Leitartikel um keine Meinung, die mit stichhaltigen Argumenten unterfüttert wird. Man kann erahnen, warum Hipp kein zweites Staatsexamen in Rechtswissenschaft absolvierte.

Das Verbot für einzelne Parteigliederungen herbeischreibend
Dass ein Verbot schwierig ist, sieht aber auch Hipp ein. Deshalb gibt er schon einmal vor, wie er sich das vorstellt: „Man sollte deshalb einzelne Landesverbände oder andere Untergliederungen der AfD, die erkennbar verfassungsfeindlich
sind, verbieten. Ein Parteiverbot ist nämlich nicht nur auf Bundesebene möglich. Zwar richtet sich ein Verbotsantrag eigentlich gegen die gesamte Partei. Dem Bundesverfassungsgericht steht es aber frei, nur bestimmte Parteigliederungen zu verbieten. […] Ein Verbotsantrag könnte deshalb darauf zugeschnitten werden. Man müsste dafür keine Gesetze ändern.“ Aha, dahin soll die Reise also gehen? Womöglich soll der Landesverband Thüringen als erstes verboten werden. Der ist Hipp nämlich besonders ein Dorn im Auge, Hipp faselt davon, dass „Höcke und Konsorten keine freiheitliche Demokratie vorschwebt, sondern eine Volksherrschaft, in der nur diejenigen gelitten sind, die ihrer Meinung nach zum »biodeutschen« Volk gehören.“ Auweia, Dietmar Hipp sollte sich mit dem Staatsbürgerschaftsrecht, das bis zum Jahr 2000 galt, auseinandersetzen. Denn nach der damals rechtlich gültigen Auffassung über die Staatsangehörigkeit, muss die BRD offenbar rassistisch gewesen sein. Die baute nämlich auf Abstammung. Das ist natürlich absurd, zeigt aber, wie dämlich die Argumentation des Leitartikelschreibers ist.

Verbote sind undemokratisch
Nun ist Dietmar Hipp wohl das aktuelle Urteil bezüglich eines AfD-Mitglieds aus Thüringen auch nicht bekannt, das sich erfolgreich seine Waffen zurückklagte. Darin fand sich auch eine Klatsche für den Verfassungsschutz. Das Verwaltungsgericht Gera schrieb nämlich unter anderem: „Weder aus dem Vermerk, noch aus dem Verfassungsschutzbericht 2021 folgt mit der erforderlichen Sicherheit die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbands der AfD in Thüringen.“ Ach, noch nicht einmal die Verfassungsfeindlichkeit ist gegeben, geschweige denn könnte somit eine für ein Verbot notwendige Verfassungswidrigkeit festgestellt werden? Und dann fordert Hipp trotzdem ein Verbot? Offenbar ist er der wahre Gegner der Demokratie! Und das im Sturmgeschütz der Demokratie, wie der Spiegel früher genannt wurde. Erbärmlich.

Beitragsbild / Symbolbild: Hadrian / Shutterstock.com; Bild oben: nitpicker / Shutterstock.com

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