Von Achim Baumann

Die mutmaßlichen Betreiber, alle aus dem Raum Freiburg stammend, der im Jahre 2017 vom Netz genommenen Internetseite Linksunten.Indymedia sind mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Vorgehen der Behörden gescheitert. Es soll sich einst um das einflussreichste Medium der linksextremistischen Szene in Deutschland gehandelt haben. Dennoch interessiert das die Einheitspresse aktuell recht wenig, Berichte über das Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht sind rar gesät, lediglich eine Handvoll Medien berichteten über den Vorgang. War Linksunten.Indymedia also wirklich so wichtig oder findet wieder einmal eine Beschäftigung mit dem Linksextremismus in der deutschen Medienlandschaft einfach nicht statt?

Was war Linksunten.Indymedia eigentlich?
„Grundsätzlich handelt es sich bei Linksunten um eine Unterseite des weltweiten Netzwerkes Indymedia, kurz für Independent Media Center (IMC). Dieses wurde 1999 in Seattle gegründet, kurz vor dem Treffen der Welthandelsorganisation WTO in der Stadt. Als Gegengewicht zu den großen Medien wollten Aktivisten und Journalisten eine alternative Plattform schaffen, auf der sie selbst über ihre Proteste gegen das WTO-Treffen berichteten. Demos und Aktionen sollten in Bild und Text festgehalten werden – und zwar von jedem, der etwas veröffentlichen wollte, ohne redaktionelle Vorgaben“, heißt es beim Spiegel recht verharmlosend, er ergänzt aber zutreffend: „Im Jahr 2008 entstand aus Südwestdeutschland heraus die Unterseite `Linksunten´ – der Name ist eine Anspielung auf die Selbstverortung auf einer imaginären Landkarte, auch einer politischen. Das linksextreme Medium verkündete in seiner Gründungsmitteilung: `Wir kommen aus der radikalen Linken, sind in autonomen Gruppen organisiert und verstehen uns als Teil antikapitalistischer und libertärer Bewegungen´. Diese Subdomain war weitaus radikaler. Anonym wurden nicht nur politische Stellungnahmen veröffentlicht, sondern auch Bekennerschreiben zu Anschlägen oder Aufrufe zu Gewalt“ – vor allem gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechte.

Altermedia
Einem Medium, das sich ähnlich organisierte, das sich aber eben auf der anderen extremen politischen Seite verortete, das Medium Altermedia (deren deutsche Unterseite), wurde vom Staat bereits im Jahre 2016 unerbittlich zerschlagen. Von Anfang an gab es allerdings behördlichen Druck, Hausdurchsuchungen und strafrechtliche Ermittlungen und letztlich Verurteilungen, sogar Haftstrafen gegen die Betreiber.

Links darf in der Regel alles
Davon hörte man bei Linksunten.Indymedia nichts. Die Betreiber und Nutzer konnten auf der Plattform machen, was sie wollten. Es ging ja eher selten gegen den Staat, sondern vor allem gegen die „bösen Faschisten“. Und gegen solche ist aus Sicht von Linksextremisten eben alles erlaubt. Nachdem aber im Jahre 2017 mehrere Tausende Linksradikale im Zuge des G8-Gipfels in Hamburg randalierten, erfolgte prompt das Verbot der Seite Linksunten.Indymedia. Die TAZ jammerte damals:

„Die Maßnahme erfolgte wenige Wochen nach den teilweise militanten Protesten gegen den G8-Gipfel in Hamburg und im Vorfeld einer Bundestagswahl, die stark von Law-and Order-Parolen gegen Linke geprägt war.“

Pech gehabt! Blöd gelaufen, den Staat so zu provozieren…

Verbot als Verein
Interessant war hingegen die Vorgehensweise der Behörden: Den Betreibern wurde unterstellt, sie betrieben einen Verein. Und dieser wurde nach dem Vereinsrecht verboten. Gegen die Betreiber wurde zudem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt, die Ermittlungen aber Mitte vergangenen Jahres mehr oder weniger sang- und klanglos eingestellt. Was bei Altermedia noch möglich war, schafften die Behörden bei Linksunten.Indymedia eben nicht. Wo ein Wille ist, ist ein Weg – oder eben auch nicht.

Bereits Bundesverwaltungsgericht sorgte für Schlappe bei Linken
Vor zwei Jahren wies das Bundesverwaltungsgericht die Klagen der vom Vereinsverbot direkt betroffenen Linksextremisten ab. Man sei kein Verein gewesen, war die Argumentation der Seitenbetreiber. Es sei hingegen ein Nachrichtenportal gewesen, das nicht dem Vereinsrecht, sondern dem Telemedienrecht unterfalle. Dieser Argumentation konnte sich das Bundesverwaltungsgericht aber nicht anschließen.

Nun urteilte abschließend das Bundesverfassungsgericht
Die Linksextremisten rügten vor dem höchsten deutschen Gericht eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und hilfsweise der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG).

„Der Kammer des Ersten Senats fehlt es laut Beschluss jedoch an einer ausreichend substantiierten Begründung zu den laut den Freiburgern unrechtmäßig verletzten Grundrechten“,

berichtete das juristische Portal Legal Tribune Online (LTO) über die Schlappe für die Linksextremisten. Von linker Seite wurde darauf antwortend kritisiert, dass das Bundesverfassungsgericht zu angeblich wichtigen Fragen nichts kommentiert habe, beispielsweise, wie weit die Pressefreiheit auch für solche Internetportale wie Linksunten.Indymedia gilt beziehungsweise galt. Und das wäre auch für andere nichtlinke Internetprojekte durchaus interessant gewesen. Nun müssen die linken Betreiber Ausweichprojekte betreiben, eines davon steht schon einmal fest. Aber noch ermitteln die Behörden offenbar nicht, man will die Szene wohl lieber unter Beobachtung halten. Es sind ja auch keine Rechten…

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts findet sich hier!

Beitragsbild / Symbolbild: B. Dpunkt / Shutterstock.com

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