Von Achim Baumann

Es kam zur rechten Zeit: Vor genau einer Woche erfolgten 25 Festnahmen von mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern einer angeblichen terroristischen Vereinigung sowie Durchsuchungsmaßnahmen in elf Bundesländern bei insgesamt 52 Beschuldigten. Die bundesweite Razzia im Morgengrauen löste die immer schärfer werdende Diskussion um den heimtückischen Mädchenmord in Illerkirchberg ab. Zufall? Erwünschter Nebeneffekt? Man weiß es nicht. Was man aber weiß: Die Bundesanwaltschaft hatte am vergangenen Mittwoch in den frühen Morgenstunden auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs 22 mutmaßliche Mitglieder sowie drei mutmaßliche Unterstützer einer terroristischen Vereinigung festnehmen lassen. Mehr als 130 Objekte wurden bundesweit durchsucht. Die Festnahmen der angeblich im Geheimen operierenden Terrorgruppe, in den Medien hieß es folgend stets, es seien „Reichsbürger“, erfolgten allerdings nicht geheim. Zahlreiche Fernsehteams durften den Festnahmen beiwohnen, für die Nachrichtensendungen passende Aufnahmen machen. Angeblich sei bundesweit die Presse in Kenntnis gewesen, wie selbst die Tagesschau mittlerweile zugibt.

Merkwürdigkeit Nr. 1 – die Presse
So fragte sich Julian Reichelt, immerhin mal Chef der einflussreichsten Zeitung Deutschlands, der Bildzeitung, auf Twitter:

„Es wird die Frage zu klären sein: Wie konnte es passieren, dass die Geheim-Operation der deutschen Medienlandschaft vorab an so viele Polizisten durchsickerte?“

Und ob es sinnvoll war, die Beschuldigten zu zeigen, dürfte nach einer knappen Woche eine berechtigte Frage sein. Warum? Weil die Rentnergang, die einem gezeigt wurde, weit von dem entfernt ist, was sich der Durchschnittsbürger als kampfbereite Revolutionsgruppe vorstellt. Es mehreren sich nicht nur von nationaler Seite die Stimmen, den Beschuldigten die Fähigkeit abzusprechen, einen Putsch oder ähnliches vorzubereiten.

Beitragsbild / Symbolbild: Heiko-Kueverling / Shutterstock.com

Merkwürdigkeit Nr. 2 – die Waffen
Und in der Tat, die Waffen, mit denen angeblich ein „Staatsstreich“ herbeigeführt werden sollte, waren zwei Langwaffen und eine Kurzwaffe, für die jeweils eine waffenrechtliche Erlaubnis vorlag. Mit anderen Worten: die bei den 25 Festgenommenen und insgesamt 52 Beschuldigten gefundenen Waffen handelte es sich ausschließlich um legale Waffen. In 50 der insgesamt mehr als 150 durchsuchten Objekte hätten Ermittler Waffen und Munition gefunden, musste der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch kleinlaut zugeben, denn es handelte sich vor allem um Schreckschusswaffen und Armbrüste und sogar Schwerter, aber nicht um leistungsfähige „echte“ Waffen. Allerdings wurden sogar Notstromaggregate bei einem Gastronomen gefunden. Wenn das ein Indiz für eine revolutionäre Einstellung ist, dürften zahllose BRD-Bürger verdächtig sein!

Merkwürdigkeit Nr. 3 – die Definition
In den Medien wurde von „Putsch“ und „Staatsstreich“ gesprochen. Dabei ist laut Duden ein Staatsstreich:

„Ein gewaltsamer Umsturz durch etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen.“

Das ist hier aber nicht ansatzweise der Fall. Warum nutzen so viele Medien den Begriff? Weil man damit etwa Gewalt, Tote und ein autoritäres System assoziiert? Sind wirklich so viele Journalisten nicht gebildet oder folgt man etwa einem Narrativ der Innenministerin, die hier eine Stammtisch-Chatgruppe von Dampfplauderern mit aberwitzigen Diskussionen zu potentiellen Terroristen macht? Der geneigte Leser möge sich selbst ein Bild machen!

Merkwürdigkeiten Nr. 4 – die Zusammensetzung
Was sind das nur für Menschen, die putschen wollten, muss man sich wirklich fragen. Denn die im Fernsehen gezeigten mutmaßlichen Übeltäter waren nicht gerade kampferprobt. Das Amt der ‚Beauftragten für Spiritualität und Heilkunde‘ sollte eine Ärztin aus Niedersachsen übernehmen. Für die ‚Transkommunikation‘ war eine Astrologin aus dem Landkreis Bergstraße zuständig, war verschiedentlich zu lesen. Ein Ex-Fallschirmjäger sollte gemeinsam mit dem Gastronomen den militärischen Arm der Gruppe verpflegen, so der Vorwurf. Klar, ohne Mampf kein Kampf. Man möchte ja keine Altersdiskriminierung tätigen, aber welcher Mittsiebziger ist gerne Teil des bewaffneten Kampfes?

Cui bono? Was folgt aus der Razzia?
Das Erste, was lauthals gefordert wurde, war ein AfD-Verbot. Das kam von einzelnen Grünen und anderen Linken. So forderte Georg Maier, Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident in Thüringen, SPD, im Zusammenhang mit der Razzia die Vorbereitung eines AfD-Verbots. Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius meinte hingegen:

„Es braucht eine sehr sorgfältige Beobachtung der AfD“

Aber der Zeitpunkt für ein Verbotsverfahren sei noch nicht gekommen. „Noch“ heißt es von ihm. Bundesinnenministerin Nancy Faeser ging noch weiter und forderte bei Sandra Maischberger und im Bundestag die Abschaffung der Unschuldsvermutung bei beamtenrechtlichen Dienstverfahren. Was für jeden halbwegs Gebildeten eine Abkehr von rechtsstaatlichen Abwehrrechten ist, war für die rote Nancy ein weiterer Schritt gegen Rechte im öffentlichen Dienst und unter Beamten. Das Ziel: vor allem AfD-Mitglieder und deren Funktionsträger aus dem Dienst zu entfernen. Aber das war wohl ein zu offensichtliches Vorpreschen. So bewertete der bekannte Medienanwalt Prof. Dr. Ralf Höcker nachvollziehbar:

„Da hat Nancy Faeser gerade nochmal die Kurve gekriegt, nachdem die autokratisch-repressiven Pferde mit ihr durchgegangen waren. Die #Beweislastumkehr wäre verfassungswidrig gewesen. Mutmaßlich haben ihre Juristen ihr das noch rechtzeitig erklärt.“

Da hat Nancy Faeser, immerhin Volljuristin, gezeigt, dass sie von Rechtswissenschaften keine große Ahnung hat. Und auch seitens der CDU kommt Bewegung: Generalsekretär Czaja, vorbestraft wegen Fahnenflucht, forderte „mindestens“ eine Überprüfung ehemaliger Bundestagsabgeordneter der AfD, ob diese weiter Zugang zum Parlament haben sollten. Er behauptete, dass es „enge Verzahnungen“ zwischen der AfD und der „Reichsbürger“-Bewegung gebe. Nun sollte er den Mund nicht zu voll nehmen, unter den Durchsuchten soll es auch CDU-Mitglieder gegeben haben. Aber auch andere Forderungen resultieren aus der Razzia:

Ø  Ein härteres Waffenrecht für Jäger und Sportschützen, beispielsweise das Verbot für halbautomatische Waffen für Privatpersonen;

Ø  Die weitere Zerschlagung der KSK;

Ø  Die intensivere Beschnüffelung von Mitarbeitern unserer Sicherheitsbehörden;

Ø  Die bundesweite Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.

Fehlende Berichterstattung
Nun folgte vorgestern eine Aktuelle Stunde im Bundestag – allerdings ohne erhellende Sachargumente. Letztlich ging es den Altparteien darum, die AfD in Mithaftung zu nehmen. Immerhin ist die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann unter den Beschuldigten. „Der innenpolitische Sprecher der AfD, Gottfried Curio, ging nicht auf die Kritik an seiner Partei ein, und sprach von einem „Fake-Putsch“ und verharmloste die Beteiligten als „Rentner-Combo““, berichtete die Süddeutsche. Aber was gibt es an Ergebnissen seit den vergangenen sieben Tagen? Hier und da liest man von Feindeslisten, anderen Chatgruppen, über die man die Gruppe kenntlich gemach habe, sogar davon, dass 280 bewaffnete „Heimatschutzkompanien“ gegründet hätten werden sollen. Konkrete Pläne werden aber von der Einheitspresse nicht genannt. Wird am Ende von den Vorwürfen nicht viel übrig bleiben, bis auf spinnerte Äußerungen der Beschuldigten? Man wird sehen…

Zu guter Letzt
Es ging bei der Mehrheitspresse stets um „Reichsbürger“. Aber normalerweise wird doch gegendert? „Reichsbürger“ hört sich nun einmal gefährlicher an als „Reichsbürger:innen“ oder „Reichsbürger*innen“. Einzig und alleine das von der sattsam bekannten „Amadeu Antonio Stiftung“ betriebene Online-Hetz-Portal „Belltower.News“ genderte „Reichsbürger“ korrekt. Ein Glück, dass es in stürmischen, ja vorrevolutionären Zeiten noch jemand gibt, der das Gendern nicht vergisst, unsere Demokratie scheint erst einmal gerettet.

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