Von Gerhard Mahlberg

Nach der Abhöraffäre rund um zwei Bundeswehroffiziere, die einen möglichen Angriff mit Taurus-Raketen auf die Krimbrücke besprachen, geisterte ein Begriff durch die Medien und sozialen Netzwerke, der nicht unbedingt zum juristischen Alltag gehört: Die Vorbereitung eines Angriffskrieges. Auch der thüringische AfD-Politiker Björn Höcke twitterte beispielsweise, dass deutsche Offiziere „die Sprengung von Infrastruktur eines Landes“ geplant hätten, „mit dem wir nicht im Krieg sind“, was „ein klarer Verstoß gg. Art. 26 (1) GG“ sei, der die Vorbereitung eines Angriffskriegs verbietet. Doch ist dem – juristisch – so?

Strafgesetzbuch, Grundgesetz und Angriffskriege
Früher fand sich das Verbot des Vorbereitens eines Angriffskrieges im Strafgesetzbuch wieder, genauer gesagt in § 80 StGB, Vorbereitung eines Angriffskrieges. Dort hieß es relativ lapidar Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.“ Hieß deshalb so, weil es diesen Straftatbestand seit 2017 im deutschen Strafgesetzbuch nicht mehr gibt. Ersetzt wurde er durch § 80a StGB, das „Aufstacheln zum Verbrechen der Aggression“.  Nicht jedoch, weil seit dem die Vorbereitung eines Angriffskrieges legal ist, wie manche Kommentatoren schon vor Jahren im Internet behaupteten, sondern zur Anpassung an die Begriffe der UN. Der Wortlaut dieses § 80a StGB erscheint zumindest zunächst etwas nebulöser als der zuvor an sich relativ konkrete § 80 StGB: „Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) zum Verbrechen der Aggression (§ 13 des Völkerstrafgesetzbuches) aufstachelt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ In dem verwiesenen § 13 VStGB ist dann wieder von einem Angriffskrieg die Rede („Wer einen Angriffskrieg führt oder eine sonstige Angriffshandlung begeht, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“ in Absatz 1 und „Wer einen Angriffskrieg oder eine sonstige Angriffshandlung im Sinne des Absatzes 1 plant, vorbereitet oder einleitet“ in Absatz 2). Der Begriff findet sich ebenfalls im Art. 26 I GG wieder, dieser verbietet ebenfalls „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten“. Diese „Doppelung“ liegt daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg als „Lehre“ aus diesem das Verbot eines Angriffskrieges direkt in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte und die BRD erst 1973 der UN beitrat. Eine besondere eigene Definition des „Angriffkrieges“ scheint die deutsche Rechtswissenschaft dazu jedoch nicht hervorgebracht zu haben, viel mehr wird mittlerweile einhellig auf die Regelungen des Völkerrechts dazu verwiesen („grundsätzlich bedarf es angesichts des Gleichklangs zwischen Völker- und Verfassungsrecht keiner über die Vermutung der Aggressionsdefinition hinausgehender Merkmale, sodass ein Angriffskrieg prima facie, dh vorbehaltlich der völkerrechtlichen Rechtfertigung, anzunehmen ist, wenn es sich um eine völkerrechtlich verbotene Erstanwendung bewaffneter Gewalt handelt“, wie es in einem juristischen Kommentar zum Grundgesetz heißt (BeckOK GG, Epping/Hillgruber, 57. Edition, Stand 15.01.2024, Rn. 14.).

Angriffskrieg im Völkerrecht oder auch: Wer ist eigentlich Konfliktpartei?
Das völkerrechtliche Gewaltverbot wiederum ist in Art. 2 IV Un-Charta normiert, wonach es alle UN-Mitglieder „in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete […] Androhung oder Anwendung von Gewalt“ unterlassen. Jedoch dürfen Staaten im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung bzw. Selbsthilfe völkerrechtskonform einem angegriffenen Staat – hier der Ukraine – ausgehend von deren Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 UN-Charta) mit eigener Waffengewalt beistehen. Das heißt konkret, dass ein Angriff auf einen angreifenden Staat zur Unterstützung des sich verteidigen Staates – im Fall der Besprechung der Bundeswehroffiziere der Angriff auf Russland zur Unterstützung der Ukraine – stellt völkerrechtlich keinen Angriffskrieg da. Damit liegt auch keine Straftat seitens dafür verantwortlicher Personen vor und auch kein Verstoß gegen das Grundgesetz, unabhängig der Frage, ob wie im Taurusfall die Besprechung eines solchen Szenarios schon abstrakt zur Erfüllung des Tatbestandes ausreichen würde.

Zur aktiven und unmittelbaren Teilnahme an Konflikthandlungen
Als Minus zu dieser Selbsthilfe sind im Übrigen auch Waffenlieferungen an den angegriffenen Staat umfasst, Beschränkungen über Umfang oder Art der gelieferten Waffen sieht das Völkerrecht nicht vor. Und: Durch Waffenlieferungen wird der liefernde Staat auch nicht selbst zur kriegsführenden Partei. Eine solche Konfliktpartei wird man nur durch aktive und unmittelbare Teilnahme an Konflikthandlungen. Das heißt, dass auch die Ausbildung an Waffensystemen oder die Ausbildung von Soldaten einen noch nicht zur Konfliktpartei macht, erst der aktive Einsatz eigener Truppen vermag dies, dieser wäre wiederum vom Völkerrecht gedeckt. Dies sei vor allem deshalb erwähnt, weil sowohl führende Politiker der Opposition als auch der Bundesregierung, zuletzt der Bundeskanzler Scholz, dazu immer wieder falsche Aussagen tätigen.

Mögliche strafrechtliche Verfolgung der Weiterverbreitung?
Weitaus weniger Beachtung als Anzeigen gegen die beiden Bundeswehroffiziere findet eine mögliche Strafbarkeit durch die Weiterverbreitung des aufgezeichneten Gesprächs. Dass sich diejenigen, die das Gespräch aufgezeichnet und publik gemacht haben, strafbar gemacht haben, kann eigentlich mangels mutmaßlicher Identifizierbarkeit dieser Personen außer Acht gelassen werden. Spannender ist dahingehend § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wonach sich derjenige strafbar macht, wer die Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen und unbefugt aufgenommenen Wortes anderer gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Ein Gebrauchmachen liegt dabei bereits im bloßen Anhören des Mitschnitts und zumindest teile der Rechtssprechung werten auch das Teilen eines Links zu der Aufnahme bereits als strafbare Zugänglichmachung (AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 10.07.2018 – 21 Ds-71/18).

Erinnerung an das „Ibiza-Video“
Zumindest journalistische oder sicherheitspolitische Behandlungen dieser Aufnahmen können sich wohl auf Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 Abs. 1 EMRK als Rechtfertigungsgrund berufen, dies wurde jedenfalls gerichtlich im Fall des Ibizia-Videos des ehemaligen österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache angenommen. Weiterhin handelt es nach § 205 Abs. 1 StGB um ein Antragsdelikt und bislang ist noch kein solcher Strafantrag der beiden betroffenen Offiziere bekannt, es kann auch als eher unwahrscheinlich gewertet werden, dass sie noch einen stellen werden. Wer jedoch den Repressionsapparat kennt und die zahlreichen Strafverfahren, mit denen eigene Anwaltskanzleien im Auftrag von unbeliebten Politikern der Ampel-Parteien jede kritische Meinungsäußerung im Internet zur Anzeige bringen, kann von einem Vertrauen auf einen fehlenden Strafantrag nur abraten. Vor allem, weil zumindest theoretisch auch einer der großen Hämmer des Staatsschutzrechts ausgepackt werden könnte. Denn „wer unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art, deren Verbreitung geeignet ist, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören, wider besseres Wissen zum Zwecke der Verbreitung aufstellt oder solche Behauptungen in Kenntnis ihrer Unwahrheit verbreitet, um die Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgabe der Landesverteidigung zu behindern“ kann nach § 109d Abs. 1 StGB mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Gerichtsurteile dazu finden sich kaum und es wird kaum einem der „Täter“ vorwerfbar oder nachweisbar sein, dass es ihm darauf ankommen,  „die Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgabe der Landesverteidigung zu behindern“. Denn die Unterstützung der Ukraine oder auch Angriffe auf russische Infrastruktur stellt keine solche Landesverteidigung da. Selbst die Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO ist nicht davon geschützt. Auch wenn bislang keine relevanten Fälle von einer Verurteilung nach § 109d Abs. 1 StGB bekannt sind, so sollte man dem Repressionsapparat dennoch auch keine Ansatzpunkte liefern und auch solche Normen als Oppositioneller im Hinterkopf behalten. Erste Rufe nach einer Anwendung von § 109d Abs. 1 StGB und zu Erweiterungen des Staatsschutzrechtes sind bereits erschollen.

Das Fazit: Was bleibt übrig?
Unabhängig dieser rein juristischen Frage stellt sich natürlich auch die politische und die des Allgemeinverständnisses. Bei einem Angriff der Bundeswehr oder der NATO auf Russland mag kein Angriffskrieg im Sinne des Völkerrechts vorliegen, im Alltagsverstand des Volkes würde ein solcher aber natürlich sehr wohl so verstanden werden. Dennoch sollte die Opposition und ihre führende Vertreter sich auch mit den vielen Juristen unbekannten Fragen des Völkerrechts zumindest etwas beschäftigen, um nicht ähnliche peinliche Sachfehler zu begehen, wie man sie von der Völkerrechtsexpertin Annalena Baerbock kennt.

Beitragsbild / Symbolbild: Weil Mathias; Bild ganz oben: niroworld / beide Shutterstock.com

Abonnieren Sie auch unseren Telegram-Channel unter: https://t.me/FreiburgerStandard

Treten Sie dem Freiburger Standard bei

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.