Von Peter Snorkel

Wenn jemand seit jeher weiß, wie wichtig das politische Vorfeld ist, dann ist es das politische Lager links der Mitte. Das konnte man jüngst besonders deutlich beim vieldiskutierten Fragenkatalog der Union sehen: Die 551 Fragen der Union führten zu einem enormen Aufstand bei den Ertappten. So „protestierten“ in kürzester Zeit rund 1700 „Wissenschaftler“ gegen die angeblich pauschale Verdächtigung der in der Zivilgesellschaft angeblich so wichtigen NGOs. Und natürlich schrien auch die linken Parteien SPD, GRÜNE, LINKE sogleich empört auf. Dass es die CDU/CSU-Fraktion überhaupt gewagt hatte, wissen zu wollen, wo zig Millionen Euro Steuergelder versanden, war aus Sicht der Linken ein Tabubruch. Ein vergleichbares Verständnis von der Notwendigkeit eines politischen Vorfelds fehlt indes bei der Union, man profitiert einfach von nahestehenden Vereinigungen. Bestes Beispiel ist der Bund der Vertriebenen: Während an der Basis die AfD besonders beliebt ist, steht die Funktionärselite der Union nahe, hält ihr sklavisch die Nibelungentreue – und das bereits seit Jahrzehnten. Bei der AfD sollte das anders sein, sie müsste über jeden erfreut sein, der ihr ideologisch nahe steht, denn das sind nicht viele. Aber nicht jede Parteigliederung sieht das so.

Überall Burschenschafter?
Die Deutsche Burschenschaft, der tonangebende politische Korporationsverband in Deutschland und Österreich, kann stolz auf sich sein. Noch vor rund zwölf Jahren war der Akademikerverband Ziel einer regelrechten Medienkampagne von Spiegel, TAZ, Antifa und sogar der Jungen Freiheit. Man machte dem Akademikerverband den Vorwurf, die Frage, wer Deutscher sei, zu rükwärtsgewandt, zu rechts zu beanworten, denn der Akademikerverband stemmte sich gegen Nichtdeutsche in seinen Reihen. Das, was gerade die VS-Behörden der AfD so gerne vorwerfen, oftmals ohne wirkliche Sachkenntnis, nämlich das Festhalten am Ius sanguinis, dem Abstammungsprinzip, das bis Anfang des Jahrtausends immerhin auch für die Bundesrepublik galt, sollte plötzlich extremistisch sein. Der Akademikerverband hat sich von der Rufmordkampagne inzwischen längst erholt, ist finanziell gut aufgestellt und tritt mit so manchen innovativen Aktionen an die Öffentlichkeit. Von der damals prophezeiten gesellschaftlichen Irrelevanz des Verbandes kann keine Rede mehr sein. So stellt sie neben zahlreichen Landtagsabgeordneten seit der vergangenen Bundestagswahl gleich neun Bundestagsabgeordnete (siehe unten) – und zahlreiche Nationalratsabgeordnete. Und auch in zahlreichen Fraktionen und in den Büros vieler Abgeordneter sind Burschenschafter beschäftigt. Der SWR versuchte im vergangenen Jahr sogar ein rechtsextremes Netzwerk herbeizureden, das es nicht gibt. Während man bei der österreichischen Partnerpartei zutreffend und unumstritten feststellen kann, dass Burschenschafter eine tragende Stütze der Freiheitlichen Partei sind, ist die Einsicht in der Bundesrepublik noch nicht bei jeder AfD-Parteiformation gereift, Burschenschaften als wichtiges Vorfeld zu erachten, aus dem man qualifiziertes Personal gewinnen kann.

Überall aktiv
Alice Weidel hat einen, sogar Philipp Amthor von der CDU soll einen haben: Gemeint sind persönliche Referenten und Büroleiter aus den Reihen der Mitgliedsbünde der Deutschen Burschenschaft. Auch in der Bundestagsfraktion sind etliche beschäftigt, ebenso in den mitteldeutschen Fraktionen, oder auch in Bayern. Selbst in der betont antirechten und liberalen Fraktion des Robert Lambrou in Hessen arbeitet ein Burschenschafter. Kein Wunder, sie sind akademisch gebildet, beherrschen in der Regel die notwendigen Kulturtechniken, die man fürs Politische benötigt, sind konservativ. Selbst in Rheinland-Pfalz arbeiten etliche Burschenschafter in der Fraktion, wenngleich der Landesvorsitzende Jan Bollinger in einem internen Schreiben Burschenschafter der Danubia München als extremistisch abstempelte, aufnahmewilligen Burschenschaftern sogar die Mitgliedschaft verwehrte. Und ebenfalls der mit ihm freundschaftlich verbundene NRW-Landesvorsitzende Martin Vincentz verhinderte in der Vergangenheit die Aufnahme von bestimmten Burschenschaftern in die AfD. Und nun gibt es auch in der AfD-Fraktion Niedersachsen einen aktuellen Fall mit „Geschmäckle“.

Was ist los in Hannover?
Ein fragwürdiges Gebaren kann man auch der AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag attestieren. Hier wurde einem jungen Burschenschafter, dem bereits ein vorbereiteter Arbeitsvertrag vorlag, in letzter Sekunde abgesagt. Ein Fehlverhalten oder Gründe, die in seiner Person lagen, gab es nicht. Inoffiziell wurde ihm aber gesagt, dass man Burschenschafter nicht in der Fraktion wolle, denn „man wisse, was auf Burschenschaftshäusern so passiere“. Darauf angesprochen, möchte die Fraktion in Hannover aber nichts zum konkreten Fall sagen, teilt durch ihren Pressesprecher Frank Horns mit: „Zu Personalfragen äußern wir uns grundsätzlich nicht.“ Sie betont aber ergänzend: „Dass die AfD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag den studentischen Verbindungen aber generell kritisch oder negativ gegenüberstünde, weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.“ Damit äußert sie sich aber nicht zu Burschenschaften konkret, sondern zu studentischen Verbindungen allgemein. Und inhaltlich trifft das nicht für alle ihrer jetzigen oder ehemaligen Abgeordneten zu. So ist von einem ehemaligen Abgeordneten der Fraktion bekannt, der nun Bundestagsabgeordneter ist, dass dieser sich regelmäßig abfällig über Burschenschaften äußert. Pikant dabei: Der AfD-Landesgruppe Niedersachsen/Hamburg in der Bundestagsfraktion gehört auch ein Burschenschafter an, mit dem der zitierte Abgeordnete künftig eng zusammenarbeiten muss.

Vor Konkurrenz Angst?
Bei der SPD gibt es zahllose Gewerkschafter, bei den Grünen viele Umweltaktivisten und besonders bei der Linkspartei zahlreiche Mitarbeiter aus autonomen Antifastrukturen. Man bedient sich eben der Vorfeldstrukturen, der eigenen Klientel. Das ist eine „Win-Win“-Situation für beide Seiten. Diese Erkenntnis ist nicht neu, die anderen Parteien machen es vor. Das sollte auch die AfD endlich begreifen. Oder hat man Angst vor den Fähigkeiten der Burschenschafter? Will man sich etwa keine Konkurrenz „ins Haus“ holen? Oder will man sich vielleicht voreilig von anderen Rechten abgrenzen? Die AfD sollte indes nicht vergessen, dass die Burschenschafter die Avantgarde der deutschen Nationalbewegung waren, sich seit über 200 Jahren für die demokratischen Freiheitsrechte einsetzen und das, was heute allgemein als Demokratie im deutschen Sprachraum gilt, mehr oder weniger erfunden haben, Stichwort Paulskirche. Die burschenschaftliche Bewegung ist somit genuines Vorfeld der Partei – ob das allen Parteifunktionären schmeckt oder nicht.

Beitragsbild / Symbolbild und Bild unten: Nitpicker/ Shutterstock.com; Bild oben: Privat; Bild in der Mitte: Screenshot Facebook / Deutsche Burschenschaft

Abonnieren Sie auch unseren Telegram-Channel unter: https://t.me/Freiburger74Standard

Treten Sie dem Freiburger Standard bei

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.