Von Jan Ackermeier
Am 29. Dezember 1820 verstarb Pauline Christine Wilhelmine zur Lippe (geborene Prinzessin von Anhalt-Bernburg, seit 1796 Fürstin zur Lippe) in Detmold. Sie war von 1802 bis 1820 Regentin des Fürstentums Lippe und gilt als eine der bedeutendsten Herrscherinnen von Lippe. Sie hob am 1. Jänner 1809 durch fürstliche Verordnung die bis dahin bestehende Eigenbehörigkeit der Bauern auf, bewahrte die Selbstständigkeit Lippes in der Napoleonischen Zeit und bemühte sich um eine Verfassung für ihr Land. Im kollektiven geschichtlichen Bewußtsein der lippischen Bevölkerung rangiert jedoch ihr soziales Engagement an erster Stelle. Sie gründete die erste Kinderbewahranstalt in Deutschland, eine „Erwerbsschule für verwahrloste Kinder“, ein „freiwilliges Arbeitshaus für erwachsene Almosenempfänger“ und eine „Pflegeanstalt mit Krankenstube“.
Unabhängigkeit ihr Ziel
Paulines größter außenpolitischer Erfolg war die Sicherung der Unabhängigkeit ihres Fürstentums. Paulines diplomatisches Geschick und ihr Engagement für die Unabhängigkeit Lippes trugen maßgeblich dazu bei, dass das Fürstentum trotz der turbulenten politischen Landschaft Europas seine Souveränität bewahren konnte. Als Vormund ihres Sohnes fühlte sie sich verpflichtet, dessen Rechte zu wahren. Lippe war damals zwischen den rivalisierenden Mächten Frankreich, Preußen und Hessen eingekeilt und drohte, von einem dieser Nachbarn besetzt zu werden. Anfangs genoß Lippe eine vertraglich garantierte Neutralität, die von allen Kriegsparteien respektiert wurde, unterstützt durch preußische Truppen zur Überwachung. Mit der Gründung des Rheinbundes 1806 durch Napoleon sah Pauline die Unabhängigkeit Lippes gefährdet. Sie entschied sich daher für den Beitritt zum Rheinbund, der am 18. April 1807 von Napoleon bestätigt wurde. Um besondere Regelungen für Lippe auszuhandeln, reiste sie persönlich nach Paris. Pauline bewunderte Napoleon, was ihr später Kritik einbrachte; sie erklärte jedoch, dass sie lieber einem fernen Frankreich als den benachbarten Mächten unterstellt sein wollte.
Preußen besetzt Lippe
Der Beitritt zum Rheinbund verpflichtete Lippe, Truppen für Napoleons Armee zu stellen, was auf Widerstand in der Bevölkerung stieß. Viele junge Männer entzogen sich der Rekrutierung oder desertierten während der Feldzüge. Nach Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 kam es zu Aufständen gegen die französischen Beamten in Lippe. Pauline, die bis zuletzt an Napoleons Sieg geglaubt hatte, war darüber entsetzt. Preußen besetzte daraufhin Lippe als feindliches Territorium, und Pauline wurde als Kollaborateurin angesehen. In der Folge trat Lippe aus dem Rheinbund aus und schloß Bündnisse mit Österreich und Rußland. Ein lippisches Freiwilligenkorps wurde gebildet, finanziert durch Spenden der Bürger, die Pauline in einem Aufruf um Unterstützung bat. Dank der restaurativen Politik Österreichs und Rußlands blieb Lippe nach den politischen Umwälzungen von 1813 unversehrt. Pauline erlitt jedoch einen nervlichen Zusammenbruch und nahm nicht am Wiener Kongreß 1814/15 teil, bei dem Europas Neuordnung beschlossen wurde. Obwohl viele Kleinstaaten ihre Souveränität verloren, wurde Lippes Unabhängigkeit dennoch auf dem Kongreß bestätigt.
Beitragsbild / Symbolbild: Pauline zur Lippe um 1804. Urheber unbekannt.
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Genetisch war die hochgerühmte Fürstin Pauline ein Ausfall, da mit ihr das Haus Anhalt-Bernburg ausstarb.