Von Jan Ackermeier

Am 21. Oktober 1918 treten die deutschsprachigen Mitglieder des Abgeordnetenhauses erstmals als Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich im Niederösterreichischen Landhaus in der Wiener Herrengasse zusammen. Die Provisorische Nationalversammlung war in und nach dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie von 21. Oktober 1918 bis 16. Februar 1919 tätig. Die letzte Sitzung fand am 6. Februar 1919 statt, als die Geschäftsordnung der Konstituierenden Nationalversammlung beschlossen wurde.

208 Abgeordnete
Die Versammlung bestand aus jenen Mitgliedern des im Juni 1911 gewählten Abgeordnetenhauses des ehemaligen Reichsrates, die dort die deutschsprachigen Gebiete der österreichischen Reichshälfte der Doppelmonarchie vertreten hatten. Es wirkten daher auch Abgeordnete mit, deren Gebiete dem Staat Deutschösterreich letztlich nicht angehören durften, weil es die Siegermächte des Ersten Weltkriegs anders bestimmten. Insgesamt gehörten der Versammlung 208 Abgeordnete an.

Übergangsregelung von der Monarchie zum Volksstaat
Am 30. Oktober 1918 fasste die Provisorische Nationalversammlung den Beschluß über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt, den man als Übergangsregelung von der Monarchie zum Volksstaat beziehungsweise als Teil einer provisorischen Verfassung betrachten kann. Mit der Bezeichnung „Beschluss über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt“ signalisierte die Provisorische Nationalversammlung, dass es sich nicht um eine formelle Verfassung handelte. Karl Renner beschrieb den Beschluss als verfassungsrechtliches „Notdach“. Die Versammlung setzte den inklusive ihrer drei Präsidenten 23 Mitglieder umfassenden Staatsrat als ihren Vollzugsausschuss ein, der sofort die Staatsregierung Renner I mit Karl Renner an der Spitze (als Staatskanzler) bestellte. Der Staatsgründungsbeschluß regelte nicht das Verhältnis zu Deutschland, die Beziehung zu den Bundesländern oder die Staatsgrenzen. Auch die formelle Einführung der Republik blieb offen, da die politischen Parteien dazu noch keine Einigkeit erzielt hatten und man offenen Konflikt mit dem Kaiser beziehungsweise mit der bisherigen Verfassungsordnung vermeiden wollte.

Beitragsbild / Symbolbild: Die erste Sitzung der Provisorischen Nationalversammlung am 21. Oktober 1918. Urheber unbekannt.

Abonnieren Sie auch unseren Telegram-Channel unter: https://t.me/Freiburger74Standard

Treten Sie dem Freiburger Standard bei

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.