Von Achim Baumann
Prof. Dr. Ralf Höcker ist einer der profiliertesten Medienrechtler der Republik. Er und seine Kanzleikollegen erstreiten zahlreiche wichtige Urteile, häufig gegen die linkslastige Presse. Und Höcker kritisiert gerne linke Seilschaften, entweder in der Presse oder konkret die Antifa. Nun hat er sich der Forderung, die Antifa zu verbieten, angeschlossen. In einem Artikel, der von der liberalkonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit veröffentlicht wurde, aber auch bei Höcker selbst zu lesen ist, versucht der Medienrechtler zu erklären, warum die Antifa verboten gehört – leider nicht ganz überzeugend. Dabei gibt es genug Ansätze, um gegen „die Antifa“ vorzugehen.
Historischer Exkurs: Die Ursprünge der „Antifaschistischen Aktion“
Der Begriff „Antifa“ geht auf die „Antifaschistische Aktion“ zurück, die 1932 von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet wurde. Sie war kein breites gesellschaftliches Bündnis, sondern ausschließlich ein Projekt der KPD-Führung unter Ernst Thälmann, das als Teil der kommunistischen Strategie im Kampf gegen Nationalsozialismus, aber – und das ist die Ironie der Geschichte – auch gegen Sozialdemokratie verstanden wurde. Die KPD befand sich damals in einer konfrontativen Haltung gegenüber der Weimarer Republik, die sie als „bürgerlich“ und „kapitalistisch“ ablehnte. Ihr antifaschistisches Ziel war nicht die Verteidigung der Demokratie, sondern deren revolutionäre Überwindung. Der bewaffnete Flügel der Partei, der Rotfrontkämpferbund (RFB), war bereits seit den frühen 1920er Jahren eine paramilitärische Organisation, die regelmäßig in Straßenschlachten mit der Polizei und politischen Gegnern verwickelt war. Nach dem Verbot des RFB im Jahr 1929 führte die KPD diese Strukturen teilweise illegal weiter. Als 1932 die „Antifaschistische Aktion“ gegründet wurde, knüpfte sie an diese Tradition an: uniformierte Aufmärsche, militante Symbolik und der Anspruch, Gegner – nicht nur Nationalsozialisten, sondern auch Sozialdemokraten – „zu bekämpfen“. Der Antifaschismus war somit ein ideologischer Kampfbegriff im Rahmen der kommunistischen Machtstrategie, nicht eine überparteiliche Verteidigung demokratischer Prinzipien. Wer sich zu „Antifa“ bekennt, bekennt sich nicht etwa gegen eine totalitäre Strömung wie den Faschismus, sondern ist wissentlich oder unwissentlich Träger einer antibürgerlichen und prokommunistischen Haltung.
Sich an den Zeitgeist anbiedernde Rechte
Dass diese historischen Zusammenhänge auch in der politischen Rechten nicht immer bekannt sind, erkennt man bspw. an ideologisch unzureichend gebildeten AfD-Funktionären, die vom „roten SA-Terror“ oder „rotlackierten Faschisten“ sprechen, wenn sie Linksextreme meinen. Der RFB und die (historische) „Antifaschistische Aktion“ waren Straßenschläger der übelsten Sorte, die für zahlreiche Morde, auch Fememorde, Gewalt gegen sämtliche Vertreter der politischen Gegner verantwortlich waren. Es ist ahistorisch für linksextreme Gewalttaten die SA zu bemühen. Wer historische Parallelen bemühen möchte, muss vom KPD-gleichen, vom RFB-gleichen Terror sprechen, vom Terror, wie ihn die (historische) „Antifaschistische Aktion“ begangen hat.
„Antifa“ als Kampfbegriff
In der öffentlichen Debatte taucht regelmäßig die Frage auf, ob „die Antifa“ verboten werden könne. Jüngst hat auch die AfD-Bundestagsfraktion gefordert, „die Antifa“ zu verbieten, so schrieb sie in einem Antrag:
„Wir fordern die Bundesregierung auf, den politischen Dialog und die politische Willensbildung zu schützen und politisch motivierte Gewalt entschieden zu verurteilen. Zudem ist es unerlässlich, die restriktiven Maßnahmen gegen gewaltbereite linksextremistische Organisationen, wie die Antifa, zu überprüfen und gegebenenfalls Verbote auszusprechen.“
Da ist der Begriff wieder: „die Antifa“. Nun gibt es „die Antifa“ nicht als reine Organisation, mit Mitgliedern und einer typischen Vereinsstruktur. Das ist hinlänglich bekannt, so ist der Begriff „Antifa“ eben kein geschützter Name, sondern eine Selbstbezeichnung unterschiedlichster Gruppierungen, von zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus bis hin zu knallharten autonomen und linksradikalen Netzwerken. Insbesondere in den radikaleren Strömungen wird „Antifaschismus“ als Legitimationsrahmen für konfrontatives oder gewaltsames Handeln genutzt. Der Begriff fungiert hier als moralische Selbstrechtfertigung – wer „gegen Faschismus“ kämpft, so die implizite Argumentation, dürfe auch Gesetze übertreten, weil der Gegner vermeintlich eine größere Bedrohung darstellt. Insofern wird „Antifa“ in solchen Kontexten zum Kampfbegriff, der Gegner moralisch delegitimiert und Gewalt politisch mindestens verklärt, wenn nicht aktiv ausgelebt wird.
Rechtliche und sicherheitspolitische Bewertung
In Deutschland – wie übrigens auch in Österreich – gibt es somit keine einheitliche Organisation namens „die Antifa“. Stattdessen existieren zahlreiche autonome und sonstige Gruppen, oft lokal organisiert und ohne feste Mitgliedschaft. Diese Struktur erschwert ein pauschales Verbot. Rechtlich kommen Verbote nur dann in Betracht, wenn eine Gruppe nachweislich gegen Strafgesetze oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstößt. Das wäre etwa bei Aufrufen zu Gewalt, gezielten Angriffen auf Personen oder Eigentum sowie bei der Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen (§§ 129, 129a StGB) der Fall. In der Bundesrepublik hat das Bundesamt für Verfassungsschutz wiederholt Teile der „autonomen Antifa“-Szene beobachtet, da diese eine revolutionäre, antikapitalistische und staatsfeindliche Haltung vertritt und teils offen Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzung propagiert. Einzelne Gruppierungen könnten daher – ähnlich wie rechtsextreme Organisationen – auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten werden, wenn sie aktiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung arbeiten, oder – was wichtiger ist – wenn der politische Wille gegeben ist, ein Verbot überhaupt auszusprechen. Aber nicht wenige derjenigen, die ständig von Demokratie faseln, hegen Sympathien selbst für militante Antifa-Gruppen und arbeiten mit diesen mitunter sogar zusammen.
Der Blick nach rechts lohnt sich
Auch Ralf Höcker erwähnt durchaus zutreffend, dass die Bundesrepublik rund 20 rechte Organisationen verboten hat, aber lediglich eine linksextreme (wobei es mindestens zwei linksextreme Organisationen waren: Die KPD und der Trägerverein von Indymedia). Dabei gehen von linksextremer Seite erhebliche Straftaten aus, wie Anschläge auf die Infrastruktur oder jahrzehntelanger RAF-Terrorismus auf führende Persönlichkeiten der Republik. Im sogenannten Phänomenbereich „Rechts“ sind es indes hauptsächlich Propagandadelikte. Natürlich soll nicht verharmlost werden, denn es gab natürlich auch Gewalttaten von rechts. Dennoch: Die Zurückhaltung bei der Bekämpfung der linksextremen Szene entspricht nicht dem „konsequenten“, so würde es ein VS-Chef nennen, Eintreten gegen tatsächliche oder oftmals vermeintliche Rechtsextremisten. Ein Beispiel: Im Jahre 2012 begann ein Verfahren gegen (rechte) Mitglieder des Aktionsbüros Mittelrhein. Ursprünglich gegen bis zu 26 Beschuldigte wurde u. a. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Verwenden verfassungswidriger Zeichen vorgegangen. Der Prozess zog sich über Jahre hin – insgesamt rund 337 Verhandlungstage – und das letzte Verfahren, das dann mittlerweile dritte Hauptverfahren, wurde im September 2019 eingestellt. Das Verfahren galt als Mammut-Verfahren. Dabei begründeten sich die Vorwürfe nicht etwa auf schwere Gewalttaten oder ähnliches. Nein, das Verabreden zum Verkleben von Aufklebern, das nächtliche Hissen von Bannern an Brücken etc. wurde den sehr jungen Angeklagten vorgeworfen.
Ausreichend Möglichkeiten einer konsequenten Kriminalisierung von Antifa-Gruppen
Die Taten des Aktionsbüros Mittelrhein, die jede lokale Antifa-Gruppe, die etwas auf sich hält, auch macht, waren im niedrigschwelligen Bereich strafbar. Das Verabreden, eine Hausfassade einer Studentenverbindung zu besprühen, eine Demonstration von Rechten zu verhindern, das Sammeln und Ausspähen von Wohn- und Arbeitsanschriften ist aber eben klipp und klar ebenso strafbar. Manche Antifa-Gruppe, früher beispielsweise die in der „Antifaschistischen Aktion (BO)“ organisierten oder die Gruppen des „Bundesweiten Antifa Treffens (BAT)“ waren extrem militant, gewalttätig und eindeutig verfassungsfeindlich und hatten permanente Rechtsverstöße als Prinzip ihrer Arbeit verinnerlicht. Aber Verbote gab es nicht! Die Innenminister waren zögerlich, gegen diese Antifa-Gruppen vorzugehen, obwohl ähnliche Kriminalisierungsmuster wie beim Aktionsbüro Mittelrhein ganz einfach zu begründen gewesen wären.
Genau hinschauen, gegen einzelne Gruppen vorgehen!
Der Begriff „Antifa“ trägt somit eine ambivalente Geschichte: Er entstammt einem kommunistischen Kampfkonzept der 1930er Jahre, wurde später zum Symbol zivilgesellschaftlichen Widerstands gegen Rechtsextremismus, aber auch zum Deckmantel für linksextreme Militanz. Ein Verbot „der Antifa“ als Ganzes ist daher juristisch nicht durchführbar, wohl aber das Vorgehen gegen konkret gewaltbereite und gegen Gesetze verstoßende Gruppierungen, die demokratische Institutionen ablehnen oder bekämpfen. Wenn alle Landesminister die in ihrem Zuständigkeitsbereich wirkemden militanten Antifa-Gruppen konsequent bekämpfen würden, wäre ein erster Schritt gemacht. Die Debatte zeigt aber letzendlich, wie schwierig die Abgrenzung zwischen legitimer politischer Opposition und extremistischer Feindseligkeit gegenüber der Demokratie sein kann – insbesondere dann, wenn ein historisch belasteter Begriff wie „Antifaschismus“ als moralisches Schutzschild für militante Aktionen verwendet wird. Ein generelles Verbot „der Antifa“ wäre jedoch rechtlich eben nicht möglich, weil der Begriff kein klar umrissenes Gebilde bezeichnet. Möglich wäre lediglich das Verbot bestimmter militanter oder extremistischer Gruppen, die unter dem Label „Antifa“ auftreten. Solche Verbote wären einfach zu begründen, nur fehlt offensichtlich der politische Wille wenn selbst CDU-Ministerinnen davon sprechen, antifaschistisch zu sein. In den 1950er- und 1960e-Jahre wäre das noch undenkbar gewesen…
Beitragsbild / Symbolbild und Bild unten: Stacey Lynn Crary; Bild oben: Historische Aufnahme einer KPD-Veranstaltung, Urheber unbekannt.
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