Von Gerhard Vierfuß
Bei der Diskussion um das nun endlich, fast vier Monate nach der mündlichen Verkündung, veröffentlichte schriftliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren um das von der früheren Bundesinnenministerin Nancy Faeser ausgesprochene Verbot des Compact-Magazins – präzise: der Compact-Magazin GmbH – (Urteil vom 24.06.2025 – BVerwG 6 A 4.24) gilt das Interesse bisher ganz überwiegend der Beurteilung der vom Compact-Magazin veröffentlichten frühen Version des Remigrationskonzeptes von Martin Sellner durch das Bundesverwaltungsgericht. Dabei gerät die juristisch und politisch ebenfalls brisante eigentliche Problematik des Urteils in den Hintergrund: die Frage nämlich, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen ein Unternehmen verboten werden kann, dessen Gegenstand die Presse- und Medienarbeit ist.
Zwar war die Compact-Magazin GmbH nicht das erste Medienunternehmen, das Gegenstand einer Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums wurde; es gab in der Vergangenheit bereits ähnliche Fälle, etwa mehrere Verbote von Gesellschaften, die PKK-nahe Medien verbreiteten. Aber mit dem Compact-Magazin wurde erstmals ein, von außen betrachtet, ganz normales deutsches Nachrichtenmagazin mitsamt seinem Internetauftritt Gegenstand eines Verbots. Damit wurde die Frage virulent, wie es um den Schutz der Pressefreiheit in Deutschland bestellt sei.
Juristisch betrachtet, geht es um das Zusammenspiel der Artikel 9 und 5 des Grundgesetzes. Art. 9 Abs. 2 GG ist die Grundlage für Verbote von Vereinigungen, die keine Parteien sind. Er lautet:
„Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten“.
Art. 5 Abs. 1 S. 1 – 2 GG lautet:
„Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt“.
Wie lassen sich diese beiden Regelungen vereinbaren, wenn die Vereinigung, die sich nach Auffassung der zuständigen Verbotsbehörde gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ein Medienunternehmen ist?
Die Kläger in diesem Verfahren – am Ende war es nur noch die Compact-Magazin GmbH – stellten sich auf den Standpunkt, die Verbotsnorm des Art. 9 Abs. 2 GG könne in diesem Fall keine Anwendung finden, da Art. 5 Abs. 1 GG eine Sperrwirkung entfalte. Dem widersprach das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Eilentscheidung vom 14.08.2024, in der es den Sofortvollzug der Verbotsverfügung aufhob: Der Frage nach der Art des Verhältnisses zwischen Freiheitsrecht und Verbotsnorm sei nicht auf der Ebene der Anwendbarkeit der letzteren nachzugehen, sondern im Rahmen der Prüfung der Verbotsgründe. Dem stellte es eine Zusicherung voran:
„Zwar wäre ein Vereinigungsverbot mit den Anforderungen des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, wenn es nur das Mittel wäre, Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießen. Insbesondere darf ein Vereinigungsverbot nicht bewirken, dass auf diesem Wege untersagt wird, was die Freiheitsrechte sonst erlauben“ (Beschluss vom 14.08.2024 – BVerwG 6 VR 1.24, RN 13).
Damit legte sich das Bundesverwaltungsgericht fest: Publikationen, die unter dem Schutz der Pressefreiheit stehen, die also nicht Strafgesetze verletzen oder sonst rechtswidrig sind, können nicht verboten werden, weder direkt noch indirekt durch ein Vereinigungsverbot. Für die rechtliche Prüfung von Publikationen folgt daraus: Sind sie von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, so können sie für eine Begründung eines Verbots nach Art. 9 Abs. 2 GG nicht mehr herangezogen werden. So einfach, so klar. Sollte man meinen. Das Bundesverwaltungsgericht meint es indessen anders. Seinem Urteil vom 24.06.2025 stellte es vier Leitsätze voran. Leitsatz 2 lautet:
„Auch bei einem Presse- und Medienunternehmen dürfen Verbotsbehörde und Gerichte insoweit an Inhalte von Meinungsäußerungen anknüpfen, als diese Ausdruck des Bestrebens sind, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Auch wenn sie weder rechtswidrig noch strafbar sind, können sie als Indizien für ein Vereinsverbot herangezogen werden.“
Also: Ein Vereinsverbot darf nicht verbieten, was andere Grundrechte erlauben – aber was andere Grundrechte erlauben, darf als Begründung für ein Vereinsverbot verwendet, also durch ein Vereinsverbot verboten werden!
Sehen wir uns an, wie das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Widerspruch umgeht. Dazu kommt es erst ganz am Ende seines Urteils, bei seinem letzten Gliederungspunkt. Zuvor prüft es alle anderen Voraussetzungen eines Vereinsverbots durch, insbesondere das Vertreten verfassungsfeindlicher Positionen und die kämpferisch-aggressive Haltung, und bejaht alle. Als letztes geht es schließlich um die Frage, ob die Compact-Magazin GmbH durch diejenigen Eigenschaften geprägt ist, die ihr als verfassungsfeindlich vorgehalten werden, also um ihre „verfassungsfeindliche Prägung“. Und dies nun sei auch „der Ort, an dem den mitbetroffenen grundrechtlichen Freiheiten das vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Gewicht zu verschaffen ist“ (RN 153).
Das Gericht wiederholt an dieser Stelle zunächst fast wörtlich, was es in seinem Eilbeschluss schrieb:
„Ein Vereinigungsverbot wäre mit den Anforderungen des Grundgesetzes allerdings nicht zu vereinbaren, wenn es nur das Mittel wäre, Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießen. (…) Denn der Schutz durch andere Grundrechte darf von einem Vereinigungsverbot nicht unterlaufen werden; grundrechtliche Versprechungen sind auch hierbei ernst zu nehmen“ (RN 155).
Wieder also zieht das Bundesverwaltungsgericht eine klare Grenzlinie, aber wieder überschreitet es sie sofort. Anstatt festzustellen: „Wir haben hier eben einen solchen Fall, in dem ein Vereinsverbot den Schutz durch andere Grundrechte unterlaufen würde, und deswegen endet die Prüfung hier: Die Verbotsverfügung ist rechtswidrig“ – fährt es fort mit einer ausführlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung, also derjenigen Art von Prüfung, die im höchsten Maße subjektiven Erwägungen Raum bietet. Das geht bis zu den folgenden absurden Überlegungen des Gerichts:
„Dazu kommt, dass zumindest den zentralen Anführer des Personenzusammenschlusses, den Kläger zu 3, eine beachtliche Wendigkeit auszeichnet. Nicht nur, dass er mit seiner politischen Überzeugung zunächst dem politisch linken Spektrum verbunden war (…)“ (RN 162).
Am Ende geht es dann gut aus für Compact. Vielleicht, weil Jürgen Elsässer sich durch eine solche Wendigkeit auszeichnet. Vor Gericht und auf hoher See…Rechtsstaat geht anders. Keine gute Nachricht für Antaios, Junge Welt und andere.
Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: dreamansions / Shutterstock.com
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