Von Dario Herzog

Die Koalitionsfraktionen im Bundestag haben sich auf eine Reform der Geschäftsordnung verständigt, die sowohl die „Debattenkultur beleben“ als auch den Umgang mit möglichen Störungen verschärfen soll. Im Mittelpunkt steht dabei eine deutliche Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten. So soll das Ordnungsgeld, das bei Ordnungsrufen verhängt werden kann, deutlich steigen: Anstelle der bislang möglichen 1.000 Euro sind künftig bis zu 2.000 Euro vorgesehen, für wiederholte Verstöße sogar bis zu 4.000 Euro. Neu ist zudem, dass die Strafe automatisch greifen soll, wenn ein Abgeordneter innerhalb von drei Sitzungswochen drei Ordnungsrufe erhält. Wenn es denn für alle gleich gelten würde…

Es soll vor allem die AfD treffen
Neben den höheren Geldstrafen sind weitere Verschärfungen geplant. In die Geschäftsordnung soll ausdrücklich aufgenommen werden, dass beleidigende oder diskriminierende Äußerungen, insbesondere rassistische oder sexistische, unzulässig sind. Damit ist klar, dass es sich um Verschärfungen handelt, die gegen die AfD gerichtet sind. Außerdem erhalten Ausschussvorsitzende die Möglichkeit, bei groben Störungen mit Mehrheit beschließen zu lassen, ein Mitglied aus der Sitzung auszuschließen. Auch finanzielle Sanktionen für unentschuldigtes Fernbleiben von Sitzungen sollen ausgeweitet werden. Die Begründung liest sich wie ein Witz: Flankierend geht es angeblich nicht nur um Strafen, sondern auch um positive Veränderungen, die die parlamentarische Arbeit „lebendiger“ machen sollen. Dazu zählen etwa Zwischenfragen und spontane Bemerkungen in aktuellen Debatten, die bislang stark eingeschränkt waren. Oppositionsfraktionen sollen zudem das Recht erhalten, Anhörungsanträge innerhalb eines festgelegten Zeitraums behandeln zu lassen, was ihre Mitwirkungsmöglichkeiten stärkt. Das Risiko steigt somit, eventuell das Falsche zu sagen und dann gerügt zu werden.

„Remigration“ und „Kartellparteien“ künftig nicht mehr zulässig?
Es gibt zwar keine Liste der verbotenen Worte, die im Bundestag nicht verwendet werden dürfen. Allerdings gab es in der Vergangenheit schon Rügen wegen einiger Begriffe, die vor allem im Sprachgebrauch der AfD-Abgeordneten Verwendung finden, beispielsweise das Wort „Remigration“. Es soll aber künftig auf den Kontext ankommen, wie etwas gesagt oder aufgefasst werden kann. Dabei kann man Dinge auch in einen falschen Kontext setzen. Begriffe wie „Kartellparteien“ oder „Remigration“ sind an sich somit nicht automatisch untersagt. Besonders interessant: Auch das Verhalten im Plenum wird künftig strenger vom Präsidium aus bewertet.

Die AfD kritisiert das Vorhaben scharf
Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der Alternative für Deutschland, kritisiert die Pläne entschieden:

„Die Kartellparteien arbeiten mit Hochdruck an der weiteren Ausgrenzung und Bekämpfung der Meinungsfreiheit und der AfD. Die Pläne der schrumpfenden Kartellparteien wurden unter Ausschluss der in den Umfragen stärksten Partei und größten Oppositionsfraktion, also der AfD, geschmiedet und sollen die AfD mundtot machen. Man will uns mit horrenden Ordnungsgeldern einschüchtern – zu verhängen durch die Vertreter des Parteienkartells im Präsidium. Sämtliche unserer Vorschläge, die teilweise seit Jahren vorliegen, wurden ignoriert; wir wurden nicht beteiligt. Die Geschäftsordnung des Bundestages droht zu einer Geschäftsordnung der Oppositionsunterdrückung zu werden. Mit dem Schutz des Parlaments hat das nichts zu tun – es droht weitere unparlamentarische Unterdrückung und Ausgrenzung. Die Parteien, die zusehends an Zustimmung verlieren, mauern sich weiter ein und vergraulen die Bürger zusätzlich. Für uns gilt: Sinnvolle Maßnahmen, die die Debatten im Deutschen Bundestag lebendiger machen und Abläufe optimieren, begrüßen wir. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.“

Gibt es kein Kartell der etablierten Parteien?
Da ist das Wort, das man im Bundestag so ungerne hört: „Kartellparteien“. In der Politikwissenschaft bezeichnet der Begriff „Kartellpartei“ einen Typus von Parteien, der durch eine enge Verzahnung mit staatlichen Institutionen, professionelles Politmarketing und gegenseitige Kooperation geprägt ist. Solche Parteien sichern sich staatliche Ressourcen wie Parteienfinanzierung und fördern gemeinsame Strategien, um neue Wettbewerber auszugrenzen. Die etablierten deutschen Parteien – CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke – sind in diesem Sinne einem Kartell vergleichbar – ob sie es hören wollen oder nicht. Wer hier noch von nicht zu beweisender These spricht, wie so manche Mainstreammedien, will politische Realitäten nicht akzeptieren, oder einfach lügen.

Die Brandmauer zur AfD: Strategische Ausgrenzung
Ein zentrales Instrument dieses vermeintlichen Kartells ist die sogenannte „Brandmauer“: eine konsequente Politik der Nicht-Zusammenarbeit auf Bundes- und Landesebene. Damit werden AfD-Anträge ignoriert, Mehrheitsbildungen bewusst ohne deren Zustimmung gebildet und parlamentarische Soft-Beteiligung erschwert – und die AfD eindeutig ausgegrenzt. Diese Ausgrenzung erhält nicht nur symbolische Wirkung – sie zeigt sich konkret, etwa wenn die AfD trotz ihrer Stärke im Bundestag keine Ausschussvorsitze erhält, obwohl nach demokratischen Prinzipien Anspruch bestünde. Ein prominentes Beispiel: Am 22. Mai 2025 wurden sämtliche AfD-Kandidaten für zentrale Ausschüsse trotz ihrer parlamentarischen Stärke blockiert – von allen anderen Parteien. Der Vorwurf, es handle sich um „Kartellparteien“ liegt förmlich auf der Hand. Die Brandmauer birgt zudem die Gefahr, demokratische Prozesse zu verzerren und parlamentarische Gestaltungsspielräume zu reduzieren.

Was bleibt?
Die These eines etablierten Parteienkartells, das die AfD ausgrenzt, lässt sich einfach nachweisen, unter anderem mit den neuen geplanten Regelungen im Bundestag. Die Ausgrenzung wird sich aber nicht dauerhaft durchsetzen lassen. Sie bröckelt bereits auf kommunaler Ebene, wird spieltheoretisch von den Mainstreammedien bereits infrage gestellt und kann die AfD paradoxerweise stärken. Die AfD sollte indes nicht dabei einknicken, ein devotes Verhalten im Bundestag an den Tag legen, oder nun auf bestimmte Begriffe verzichten. Remigration ist wichtig. Das man das ungestraft aussprechen kann, ist ein erster Schrit, andere davon zu überzeugen. Kein Wunder, dass die Kartellparteien bestimmte Begriffe nicht mögen, oder?

Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: DesignRage; Bild darunter: Harald-Schmidt / beide Shutterstock.com

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