Von Gerhard Vierfuß

An diesem Wochenende findet in Riesa der 16. Bundesparteitag (BPT) der Alternative für Deutschland (AfD) statt. Neben der formellen Wahl des Kanzlerkandidaten der Partei für die Bundestagswahl am 23. Februar und der Verabschiedung eines Bundestagswahlprogramms steht ein weiteres überaus wichtiges Thema auf der Tagesordnung: die zukünftige Organisation der Jugendarbeit der AfD. Der Bundesvorstand und mehrere Landesvorstände haben einen Antrag eingereicht, die Junge Alternative (JA) als offizielle Jugendorganisation aus der AfD abzugliedern und durch eine neu zu gründende Organisation zu ersetzen.

Nicht Reform, sondern Austausch
Der irreführend mit „Reform der Jungen Alternative“ überschriebene Antrag enthält keine Begründung; eine solche soll auf dem BPT mündlich erfolgen. Naheliegend sind die beiden in der Partei seit einiger Zeit immer wieder genannten Argumente: Einerseits müsse die Jugendorganisation besser vor einem möglichen Zugriff des Staates geschützt werden; anderseits sei die JA durch ihre Radikalität ihrerseits eine Gefahr für die AfD. Vor der schwerwiegenden Entscheidung, ihre seit fast zwölf Jahren zunehmend erfolgreich agierende Jugendorganisation fallenzulassen, sollten die Delegierten des BPT Klarheit darüber haben, wie tragfähig diese Argumente sind. Dazu soll dieser Artikel einen Beitrag leisten.

Zum ersten Argument
Ist die vollständige Neuorganisation der Jugendarbeit der AfD erforderlich, um ein administratives Verbot zu verhindern? In Deutschland können Vereine sehr viel leichter verboten werden als Parteien. Während diese nur durch das Bundesverfassungsgericht und nur nach einem langen Verfahren verboten werden können, reicht bei Vereinen eine Verbotsverfügung des Innenministers, die sofort wirksam ist und nur nachträglich vor Gericht angefochten werden kann. Die JA ist ein – nicht eingetragener – Verein. Es ist also sinnvoll, über ihren Schutzstatus nachzudenken.

Die derzeitige Lage ist unklar
Einiges spricht dafür, dass die JA bereits jetzt aufgrund ihrer Angliederung an die AfD an deren Stellung als Partei partizipiert. Bekannt ist die Äußerung der für ein Verbot der JA derzeit zuständigen Bundesinnenministerin Faeser in einer nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestages Anfang Dezember vergangenen Jahres, sie könne die JA nicht verbieten, weil diese unter dem Schutz des Parteienprivilegs (Artikel 21 GG) stehe. Auch mehrere Verfassungsrechtler haben sich in diesem Sinne geäußert, so Christoph Möllers im Januar 2024 in einem Interview der Süddeutschen Zeitung und Kathrin Groh, die diesen Standpunkt im Februar 2024 – mit dem Ausdruck des Bedauerns –  im Verfassungsblog vertrat. Es gibt aber auch entgegenstehende Stellungnahmen.

Auf was berufen?
Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage gibt es kaum, verbindliche gar nicht, da es in den von AfD und JA geführten Verfahren um die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht darauf ankommt, ob die JA sich auf Artikel 21 (Parteienfreiheit) oder lediglich auf Artikel 9 GG (Vereinigungsfreiheit) berufen kann. Allerdings hat das Verwaltungsgericht Köln sich dennoch dazu positioniert: In seinem Urteil vom 08. März 2022 (13 K 208/20) begründete es die Klagebefugnis der JA ausdrücklich auch mit Artikel 21 GG. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hingegen ließ in seinem Berufungsurteil vom 13. Mai 2024 (5 A 1217/22) die Frage offen.

Streit nicht über das Ob, sondern über das Wie
Da diese unklare Situation aus Sicht der AfD und der JA unbefriedigend ist, gibt es inzwischen keinen Streit mehr darüber, ob Anpassungen an die Bedrohungslage erfolgen müssen, sondern nur noch darüber, welche das sein sollen. Während der Vorschlag des Bundesvorstandes der AfD eine Radikallösung vorsieht – Abgliederung der JA und Gründung einer unselbständigen Neuorganisation nach dem Vorbild der Jusos in der SPD –, setzt der Gegenvorschlag des Bundeskonvents der JA auf Reform: deutlich stärkere Einbindung in die Partei bei Fortbestehen der Jungen Alternative. Auch dieser Vorschlag lehnt sich an ein Modell an: das der Jungen Nationalisten, der Jugendorganisation der Partei „Die Heimat“, früher „NPD“.

Das Juso-Modell hat Konkurrenz bekommen – mit dem Gütesiegel des Bundesverfassungsgerichts
Dieses Modell hat den Charme, über das Gütesiegel des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu verfügen: In seinem Urteil vom 17. Januar 2017 (2 BvB 1/13), in dem es die Verfassungsfeindlichkeit der NPD feststellte, ohne sie zu verbieten, behandelt das Gericht die – damals noch so genannten – „Jungen Nationaldemokraten“ wie selbstverständlich als Teilorganisation der Partei, die von dem Parteiverbotsverfahren mitumfasst werden kann. Kein Wort verwendet das BVerfG auf eine Überlegung, ob hier ein Vereinsverbot in Betracht zu ziehen sei. Es ist also sicher, dass dieses Modell der JA den erwünschten Schutz bietet. Der Alternativentwurf der JA lässt Spielraum für eine noch stärkere Annäherung an das Modell, der vom Bundesparteitag genutzt werden kann.

Dilettantische Arbeit des Bundesvorstandes
Der Entwurf des AfD-Bundesvorstandes hingegen ist so, wie er vorliegt, gänzlich untauglich; er erzwingt Nachbesserungen. Denn wenn dieser Entwurf in unveränderter Form verabschiedet würde, dann wäre die Junge Alternative, die ja bis dahin noch die offizielle Jugendorganisation der Partei ist und unmöglich in derselben juristischen Sekunde ihre Selbstauflösung beschließen kann, durch ihre Abgliederung vollständig schutzlos gestellt. Es wäre eine Einladung an Nancy Faeser, jetzt ganz schnell eine Verbotsverfügung aufzusetzen und deutschlandweit Razzien zu veranstalten.  Zudem hätte die AfD bis zu dem Zeitpunkt, in dem die neue Jugendorganisation gegründet ist, überhaupt keinen Jugendverband. Denn die Verfasser des Entwurfs haben es versäumt, das Inkrafttreten der von ihnen gewünschten Satzungsänderung auf diesen Zeitpunkt zu terminieren.

Zerstörung das neue Rechts?
Im Ergebnis kann mit beiden Entwürfen gleichermaßen das Ziel erreicht werden, die organisierte Parteijugend unter den Schutz des Artikels 21 GG zu stellen: entweder auf radikalem revolutionären oder auf maßvollem konservativen Wege. Warum sollte in dieser Lage dem Vorschlag des AfD-Bundesvorstandes der Vorzug gegeben werden? Warum sollte die Junge Alternative zerschlagen werden? Ist Zerstörung das neue Rechts? – Diese Fragen sollten die Delegierten am kommenden Wochenende sich selbst und ihrem Bundesvorstand stellen.

Der Autor ist Rechtsanwalt und äußert sich auf X, vormals Twitter, unter „@derrechteanwalt“ regelmäßig zum politischen Geschehen.

Hinweis: Es handelt sich bei dem Beitrag um den ersten von zwei Artikelteilen. Der zweite Teil findet sich hier!

Beitragsbild / Symbolbild und andere Bilder: nitpicker / alle Shutterstock.com

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