Von Achim Baumann

Alle Welt spricht darüber. Alle Welt? Nein, nur unwichtige Bundestagsabgeordnete und verbotsgeile Mainstreammedien. Gemeint ist natürlich das heißdiskutierte AfD-Verbotsverfahren, das 37 Abgeordnete des Bundestages auf den Weg bringen möchten. Unterstützt werden sie von den üblichen Verdächtigen: Auch die antifaschistische Speerspitze im Seniorensegment, die Omas gegen Rechts fordern ein Verbot. Und so ziemlich jeder, der linksextrem ist und der unter strenger Auslegung der Gesetze – unter anderen politischen Vorzeichen – selbst unter die Verbotsräder kommen könnte. Aber das Verbot wird nicht kommen, nicht einmal ein Verbotsantrag wird es zum Bundesverfassungsgericht schaffen. Warum? Weil das nicht im Sinne der Herrschenden ist.

Die Feinde der Freiheit haben Namen
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wanderwitz hatte und hat es nicht leicht. Schon seit geraumer Zeit tingelt er durch den Bundestag und versucht, andere Abgeordnete von einem AfD-Verbotsverfahren zu überzeugen. Mindestens fünf Prozent der Abgeordneten benötigt er, um das Thema überhaupt auf die Tagesordnung setzen zu können. Mittlerweile hat er diese 37 Abgeordneten zusammen. Es sind nach Medienberichten: Marco Wanderwitz (CDU), Roderich Kiesewetter (CDU), Volker Ullrich (CSU), Anikó Glogowski (FDP), Irene Mihalic (GR), Mishba Khan (GR), Taher Saleh (GR), Jamila Schäfer (GR), Aydan Özogur (SPD), Ralph Stegner (SPD), Reem Alabali-Radovan (SPD), Adis Ahmetovic (SPD), Martina Renner (LP),  Carmen Wegge (SPD), Holger Becker (SPD), Ina Latendorf (LP), Anke Domscheid (LP), Kathrin Henneberger (GR), Tim Klüssendorf (SPD), Nezahat Baradari (SPD), Jan Korte (LP), Helge Lindh (SPD), Canan Bayram (GR), Paula Piechotta (GR), Cornelia Möhring (LP), Hakan Demir (SPD), Gökay Akbulut (LP), Clara Bünger (LP), Sanae Abdi (SPD), Gesine Lötzsch (LP), Maja Wallstein (SPD), Metin Hakverdi (SPD), Anika Klose (SPD), Bruno Hönel (GR), Karamba Diaby (SPD), Erik von Malottki (SPD), Petra Sitte (LP), Karoline Otte (GR), Sebastian Roloff (SPD) und Ana-Maria Trăsnea (SPD).

Wenig von der FDP, CDU und CSU, viel von der Linkspartei, den Grünen und der SPD
Darf man mit der Linkspartei zusammenarbeiten? Das sollte man einmal Marco Wanderwitz fragen, denn dürfte ein gemeinsamer Antrag von CDU- und AfD-Abgeordneten medial sicherlich als „Zusammenarbeit“ gewertet werden. Warum also dieser „fraktionsübergreifende“ Antrag nicht und warum rüffelt die CDU ihren forschen Kollegen nicht? Wie dem auch sei: Von der FDP, immerhin war sie einmal eine selbsternannte Bürgerrechtspartei, findet sich nur eine Abgeordnete für den Antrag. Bei der SPD sind es weitaus mehr und darunter sattsam bekannte Links-Gesichter wie Ralph Stegner und Helge Lindh. Und Mitglied bei der sicherlich aus dem nächsten Bundestag ausscheidenden Linkspartei sind – relativ gesehen – die meisten Antragsbefürworter. Mit der Aussage „Wir sind der festen Überzeugung, dass die AfD nicht eine Partei ist, die einfach nur ein bisschen rechts steht. Sondern es sind Demokratiefeind*innen, es sind Verfassungsfeind*innen. Deshalb wollen wir diesen Antrag stellen“, wird die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge am Donnerstag in einer Video-Botschaft auf ihrem Instagram-Kanal von Mainstreammedien zitiert. Offenbar hat sich niemand mit den hohen Hürden eines Verbotsverfahrens auseinandergesetzt.

Der Einzelkämpfer Wanderwitz
Von seiner Motivation ist nicht viel bekannt, außer der Aussage, Marco Wanderwitz wolle die Demokratie vor Rechtsextremisten schützen. Die wahrscheinlichere Wahrheit ist die, dass er seinen früher sicher geglaubten Wahlkreis an einen AfD-Mitbewerber verloren hat. Aber das ist müßig und reine Spekulation. Wanderwitz ist bereits häufiger durch recht harte Äußerungen gegenüber Mitteldeutschen und auch AfD-Vertretern bekannt geworden. Der NDR nennt das dann positivierend den „Fluch der ehrlichen Worte“.  Wenn ein Vertreter der AfD wieder einmal im Bundestag eine klare Kante zeigt, konsequent formuliert, sollte er sich auch darauf berufen, dass es nur „ehrliche Worte“ gewesen seien. Was aber im Zusammenhang bei der Personalie Wanderwitz weitaus wichtiger ist: Er ist Jurist – sogar Rechtsanwalt – und sollte sich mit früheren Partei-Verbotsverfahren beschäftigt haben. bevor er selbst eines in die Wege leiten will. Nun sind bekanntermaßen nicht alle Juristen auch immer helle Denker, aber was ihm zum Beispiel sein Juristen-Kollegen Rechtsanwalt Christian Conrad von der renommierten Presserechtskanzlei Höcker aus Köln attestiert, ist für Wanderwitz und die weiteren Antragsteller, darunter weitere Juristen, eher ziemlich peinlich. RA Conrad schrieb auf X:

„Der Antrag ist (trotz einleitender rechtlicher Worte) „politisch“ geschrieben. Mag nun die Frage über die Einleitung noch „politisch“ sein, ist das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht unstreitig juristisch geprägt. Und juristische Subsumtionen, Ableitungen o.ä. sind im Antrag m.E. nicht erkennbar. […] Letztlich dürfte das Bundesverfassungsgericht auf Basis dieses Entwurfs (falls er überhaupt den Bundestag passieren sollte) kurz und schmerzlos nach § 45 BVerfGG vorgehen und das Verfahren ohne mündliche Verhandlung als nicht hinreichend begründet zurückweisen.“

Das ist entlarvend und peinlich – für Wanderwitz und Co. Ist der Antrag also nur eine Show-Aktion, um der AfD maximal zu schaden? Ist alles nur heiße Luft, nutzbar für den  politisch-medialen Komplex, um wieder einmal gegen die AfD zu hetzen? Hat man deshalb auf eine halbwegs rechtssichere Argumentation verzichtet? Ist also ein Verbot überhaupt gar nicht realistisch?

Die Sache mit der Staatsfreiheit
Rechtsanwalt Conrad weist in seinem auch für juristische Laien verständlichen Beitrag auf X auch auf die Problematik der V-Männer hin:

„Große Teile des Entwurfs befassen sich mit dem hier angesprochenen Problem der strikten Staatsfreiheit. Till Holterhus schreibt dazu (a.a.O.): „Nach der Rechtsprechung des BVerfG müssen die Abschaltung von V-Leuten und der Abzug Verdeckter Ermittler nämlich bereits vor der Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens stattfinden, und dabei spätestens bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller die Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, öffentlich bekannt macht.“ Das Problem erkennen auch die Antragsteller (S. 6/7: „Herausforderung“), da sie diese Vorgaben (allein) schlicht nicht erfüllen können. Als „Lösung“ schlagen sie daher ein Vorgehen über den Grundsatz der Organtreue vor. Ob diese Lösung (die bislang ohne jeden Präzedenzfall auskommen muss) den strengen Vorgaben aus Karlsruhe genügen wird, steht in den Sternen.“

RA Conrad und auch der unter Fachleuten anerkannte Verfassungsblog erinnern an den Terminus „Staatsfreiheit“. Das heißt, bereits vor, spätestens mit der Antragstellung müsste gewährleistet sein, dass innerhalb der AfD keine staatlichen Spitzel, keine V-Männer (oder -Frauen) mehr wirken. Man möchte so verhindern, dass Aussagen führender Vertreter der Partei sich im Verfahren nicht als Aussagen von V-Männern entpuppen. Denn dann könnte man dem Staat vorwerfen, er befeuere das, was er hinterher kritisiert. Man spricht hier auch von einem Brandstiftereffekt.

200 bis 300 V-Männer in  der AfD?
Ein Verzicht auf V-Männer ist für das Bundesamt für Verfassungsschutz und die 16 Landesämter für Verfassungsschutz kaum machbar, denn das hieße, man müsste diese sofort abziehen. Während das beim zurückliegenden NPD-Verbotsverfahren der Grund war, weswegen das Verfahren scheiterte, aber die NPD nur wenige Tausend Mitglieder zählte, ist das bei einer Partei wie der AfD zahlenmäßig kaum möglich. Die Verfassungsschutzbehörden müssten auf die Berichte der Zuträger verzichten, die über innere Zusammenhänge aussagen. Die Behörden dürften indes nur noch darauf zurückgreifen, was öffentlich wird, also via sozialen Medien, durch Zeitungen und Artikel etc. bekannt wird. Das kann auch den Geheimdiensten nicht gefallen. Denn die Zahl der Zuträger dürfte sich ständig vergrößern. Bereits im März 2024 sprach beispielsweise der Verfassungsschutz Brandenburg von einer niedrigen zweistelligen Zahl im mitteldeutschen Landesverband. Das mal 16 Landesämter und einem Bundesamt dürfte allein schon 200 bis 300 V-Männer innerhalb der AfD heißen.

Steuern oder nur abschöpfen?
Wenn man den Ämtern Glauben schenkt, schöpfen diese V-Männer nur Informationen ab. Aber der Verdacht, dass sich die Ämter mit V-Männern auch im Rahmen von Personal- und Richtungsentscheidungen steuernd einbringen, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch mancher Streit ist dermaßen abstrus, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Verdächtig ist zumindest, dass der inflationäre Gebrauch von Parteiordnungs- und -ausschlußverfahren, die sich sehr häufig erwiesenermaßen nicht an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientieren, nie von den Ämtern in ihren Gutachten über die AfD  thematisiert werden. Dabei könnten sie damit ganz einfach beweisen, dass die AfD sich bereits innerparteilich nicht an Recht und Ordnung hält. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Dienste ihre V-Männer zurückziehen werden wollen. Das müsste auch Wanderwitz und Co. leicht in Erfahrung bringen können. Dass sie dennoch juristisch nicht sauber argumentieren, lässt nur einen Schluß zu: Das AfD-Verbotsverfahren, das auf den Weg gebracht werden soll, ist eine reine Show-Veranstaltung!

Beitragsbild / Symbolbild: Corinna Haselmayer; Bild oben: Jürgen Nowak / alle Shutterstock.com

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