Von Roderich A.H. Blümel

Es sind noch gute zwei Wochen bis zu den Landtagswahlen im Osten und in Anbetracht der Umfragen setzt allenthalben eine gewisse Nervosität ein. Bei SPD, Linken und Grünen angesichts der Fünf-Prozent-Hürde, bei der CDU wegen des schwankenden Abstands zur AfD und bei der AfD wegen des schwankenden Abstands zur CDU. Bei der FDP nicht so sehr, die kann sich bereits sicher sein, in keinem der zu wählenden Landtage vertreten zu sein. Was ihr im Hinblick auf das Festhalten an der Ampelkoalition auch vollkommen zurecht geschieht.

Nur BSW sieht entspannt Erfolg entgegen
Die Einzigen, die absolut entspannt und zufrieden dem Wahlsonntag entgegen schauen können, sind die Genossen vom BSW, vom Bündnis Sarah Wagenknecht. Manche sagen, BSW bedeute eigentlich Bündnis Sozialistischer Wiedergänger, aber hier spricht sicherlich auch der Neid auf den Rekordstart, den das BSW erleben wird. Und als Sahnetüpfelchen obendrauf wird das BSW auch noch der Königsmacher in Sachsen und Thüringen sein. Denn die CDU hat sich mit ihrer wenig intelligenten Brandmauerstrategie in eine Lage gebracht, in der sie eher mit einer sozialistisch ausgerichteten Partei koalieren muss als mit der inhaltlich weitaus näherstehenden AfD. Man darf nicht vergessen, dass die AfD weitestgehend diejenigen Positionen vertritt, die die CDU prä-Merkel selber im Programm stehen hatte. Das mag für die Europathematik nur bedingt gelten, aber zu der Zeit war es auch noch nicht die mit sozialistischem Altlastpersonal durchsetzte EU, sondern EWG und EG. Diese nervten zwar mit unnötigen Vereinheitlichungsvorschlägen, aber im Großen und Ganzen hatte man als Bürger seine Ruhe davor und Brüssel wurde gemeinhin als Endlager für dumme Politiker angesehen, die man dahin abschob, damit sie zuhause keinen Schaden anrichten konnten. An dieser Stelle gehen Grüße raus an Elmar Brock und Daniel Cohn-Bendit.

BSW spielt mit der Macht – aber dauerhaft geht das nicht
Es wird nun derzeit viel spekuliert über einen Deal des BSW mit der CDU, demzufolge in Sachsen das BSW Kretschmer wieder auf den Schild hebt und dafür als Gegenleistung in Thüringen ihre Spitzenkandidaten von der CDU auf den Schild gehoben bekommt. Rein machttaktisch betrachtet wäre das für eine neu angetretene Partei ein Riesending, aus dem Nichts direkt einen Ministerpräsidenten platziert zu bekommen. Aber wie klug wäre das langfristig betrachtet? Denn die Wähler des BSW wollen ja auch Veränderung und dieser Deal wäre nicht Veränderung, sondern Zementierung des Status Quo. Was höchstwahrscheinlich die BSW-Wähler nicht goutieren würden und so dieser Erfolg auf lange Sicht der Einzige wäre. Denn die Erwartung, in Koalitionen mit der CDU Veränderungen im Sinne der BSW-Wähler bei Ukraine, Migration, Sozialem, Genderfragen, direkter Demokratie etc. zu erreichen, ist irreal.

Ein Gedankenspiel
Tatsächlich verhält es sich doch so, dass die äußere Linke und die äußere Rechte bei der Analyse, welches nun die drängendsten zu lösenden Probleme sind, wesentlich mehr übereinstimmen als mit irgendwem anders im derzeitigen politischen Spektrum. Die Lösungsansätze für diese Probleme gehen sehr weit auseinander, aber dazu sind Koalitionsverhandlungen da. Wenn man einmal das hypothetische Garn spinnt, wo denn in so einer Hufeisenkoalition von AfD und BSW die gemeinsamen Aktionspotentiale auf Landesebene liegen, lassen sich schnell folgende Gebiete identifizieren:

Migrationspolitik: Beide Parteien wünschen eine rigorose Begrenzung der Zuwanderung;
Energiepolitik: Beide Parteien sehen die Zukunft in Bezug von Energie aus Rußland und sauberen Verbrennern;
Ukraine: Beide Parteien sind für einen Stop der Waffenlieferungen
EU: Beide Parteien sind für größeren Abstand zur EU
Souveränität: Beide Parteien wünschen sich stärkere nationale Souveränität
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk: Das BSW hasst den die ÖRR nicht mit der Inbrunst der AfD, aber lieb gewonnen haben sie sie auch nicht.

Differenzen wird es bei Kultuspolitik und Sozialem geben, aber in den Kernpunkten, die beide für am wichtigsten erachten, ist es seltsamerweise tatsächlich so, dass die beiden Enden des Hufeisens näherstehen als jeweils beide zur Mitte. Und hier liegt die große Chance für die notwendigen Veränderungen im Lande. Dazu müssen die einen ihren “Igitt-Faschist”-Reflex überwinden und die anderen ihren “Igitt-Kommischweine”-Reflex. Zuliebe ihrer Wähler und zuliebe des Landes sollten das beide tun!

Beitragsbild / Symbolbild: Tohuwabohu 1976 / Shutterstock.com

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