Ein Debattenbeitrag von Gerhard Mahlberg

Moderne Staaten basieren vor allem auf Gesetzen. Von der Verfassung bis hin zu zur Regelung des Abwassers – es gibt fast keinen Bereich des öffentlichen wie privaten Lebens, der nicht einer gesetzlichen Regelung unterliegt. Juristen sind die entscheidenden Zahnräder dieses normierten Systems: Sie sitzen als Beamte in den Verwaltungen, fällen als Richter Urteile und klagen als Anwälte die eigenen Ansprüche ein. Die Frage des juristischen Nachwuchses ist daher eine oft unbeachtete, aber dennoch entscheidende für die Fundamente eines Systems. Nicht umsonst führen linke Historiker und Juristen ein Scheitern der Weimarer Republik auch darauf zurück, dass es zu wenig republiktreue Juristen gegeben hätte.

Für die Opposition unerlässlich
Juristen sind jedoch nicht nur für die Aufrechterhaltung des bestehenden staatlichen Systems eine Lebensnotwendigkeit, sondern auch für die Opposition innerhalb eines solchen Systems: Ob der Zugang zur kommunalen Stadthalle für einen Landesparteitag, das Erkennen rechtswidrigen Regierungshandelns als parlamentarischer Mitarbeiter, die Durchsetzung des Versammlungsrechts für oppositionelle Demonstrationen oder aber auch die Verteidigung bei repressiven Strafverfahren – Juristen werden von der Opposition wie kaum eine andere Berufsgruppe benötigt. „Eigene“, das heißt entsprechend politisch eingestellte und sympathisierende Juristen, sind dabei nicht nur ein Luxus im Vergleich zu politisch neutralen, sondern aus gleich mehreren Gründen wichtig. Um nur drei zu nennen:

1. Aufgrund der gesellschaftlichen Polarisierung und Repression gegen Patrioten werden sich unpolitische Juristen kaum als Mitarbeiter finden lassen, selbst das Finden eines engagierten Anwalts kann schwierig werden.

2. Patriotische Anwälte werten Mandate in der Regel nicht nur nach finanziellen Aspekten, sondern übernehmen beispielsweise auch unlukrative Mandate, bei denen es jedoch um die Durchsetzung der Rechte der Opposition geht.

3. Eigene Juristen bewegen sich innerhalb des Mosaiks, halten Rechtsschulungen, sind Anlaufpunkte für Fragen von Aktivisten und kennen die besonderen juristischen Fallstricke gegen Patrioten, mit denen ein unpolitischer Anwalt nie in Berührung kommt.

4. Die Weltanschauung bestimmt auch die rechtsphilosophische Betrachtung und die Auslegung einer Norm. Während linke Verfassungsrichter einen ethnokulturellen Volksbegriff als Verstoß gegen die Menschenwürde aus Art. 1 GG werten, könnten rechte Verfassungsrichter gerade die Negierung und Zerstörung eben jener ethnokulturellen Identität als Verstoß gegen die Menschenwürde und damit als verfassungswidrig werten. Die selbe Norm ermöglicht und legalisiert damit genau entgegengesetztes Handeln – je nach weltanschaulicher Auslegung.

Verwaltung gegen Regierung
Es macht daher natürlich auch einen Unterschied, welchen politischen Hintergrund ein Richter hat und welcher Rechtsphilosophie er folgt. Nicht umsonst werden die Richter des Bundesverfassungsgerichts vom Bundestag gewählt und vorher von den Altparteien ausgeklüngelt. Das selbe gilt auch für Staatsanwälte, Staatssekretäre und Professoren. Wer einen umfassenden politischen Wandel will, muss daher nicht nur die Ministersessel einnehmen, sondern die ganze Verwaltung und den Behördenapparat umbesetzen. Verschiedene populistische Wahlerfolge, allen voran Trump, haben gezeigt, vor welche Probleme eine patriotische Regierung mit einem feindlich gesinnten Verwaltungs- und Justizapparat gestellt wird.

Ein langwieriger Weg
Das Fachpersonal dafür kommt jedoch nicht von heute auf morgen, sondern benötigt eine langjährige Ausbildung. Derzeit dauert das durchschnittliche juristische Studium fünfeinhalb Jahre, hinzukommen zwei Jahre Referendariat, das Vorbedingung ist für die Tätigkeit als Richter, Anwalt und Staatsanwalt. Anschließend folgt die Probezeit und das Sammeln von Berufserfahrung. Wer eine Regierungsbeteiligung plant, muss sich daher schon jetzt nach geeigneten Personen für verschiedene Stellen umsehen – und, bei Fehlen solcher Personen, versuchen, die Lücke in den nächsten Jahren zu füllen.

Rechten wird der Zugang zum Beruf erschwert
Während der Zugang zum juristischen Studium an der Universität und das Ablegen des ersten Staatsexamens (noch) völlig frei sind, ist der Zugang zum Referendariat das Nadelöhr, an dem angesetzt wird, um genau das zu verhindern. In den vergangenen Jahren hat es verschiedene Gesetzesänderungen auf Landesebene, so in Sachsen und Brandenburg, gegeben, um als verfassungsfeindlich eingestuften Personen den Zugang zu verwehren. Mindestens vier öffentlichkeitswirksame Fälle haben sowohl die Medien als auch die Gerichte beschäftigt, wobei zwei Personen die Aufnahme in den Referendariatsdienst auch gerichtlich verweigert wurde. Ein Referendar konnte nur vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof erfolgreich seine Beschäftigung einklagen, scheiterte jedoch in mehreren anderen Bundesländern. Dem Freiburger Standard sind noch mehrere weitere, nicht öffentlichkeitswirksame Fälle bekannt, bei denen patriotische Juristen Probleme bekamen. Für die Betroffenen kommt die Verweigerung der Aufnahme in den Referendariatsdienst dabei einem faktischen Berufsverbot gleich, denn die beruflichen Möglichkeiten als Diplomjurist außerhalb der Verwaltung – zu der Zugang dann meist ebenso gesperrt ist – und der akademischen Lehre, zu der dann in der Regel ebenso kein Zugang besteht, sind beschränkt. Dahingehend fand in den vergangenen Jahren eine merkbare Verschärfung sowohl in Form von Gesetzesänderungen als auch in der Praxis statt. Auch die bereits in den Institutionen sitzenden Personen stehen unter Druck, Disziplinarverfahren und Versetzungen gegen unbequeme beziehungsweise nicht auf Regierungslinie stehende Richter und Staatsanwälte häufen sich in den vergangenen Jahren. Eine akademische Karriere ist bekannten „Rechten“ schon seit Langem kaum möglich. Wenn nun auch noch die Zulassung zum Referendariat gekippt wird, gehen zukünftig die beruflichen Möglichkeiten für bekannte rechte Juristen weiter gegen null.

Das große Schweigen
Nicht nur die Verschärfung dieser Form der Repression ist aber bemerkbar, auch das große Schweigen der patriotischen Öffentlichkeit und insbesondere der AfD sind auffallend. Vermutlich liegt es vor allem daran, dass es bislang hauptsächlich – aber nicht nur! – Personen nationalistischer Organisationen, also der von diesem Spektrum oftmals despektierlich als „alten Rechten“ bezeichneten Gruppen, getroffen hat. Dabei wird aber übersehen, dass auf dem Papier diverse AfD-Landesverbände und -Organisationen der selbsternannten „Neuen Rechten“ dieselbe Extremismuseinstufung haben wie etwa die Partei Der III. Weg. In dem jüngsten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg entschied dieses gegen einen Juristen, der zwar nicht vorbestraft ist, jedoch für die Partei Die Heimat politisch tätig ist. Mit Verweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1977 gab das OVG dem Land Brandenburg recht, das die Einstellung des Mannes in das juristische Referendariat ablehnte: Die Einstellungsbehörde darf Bewerber ablehnen, „die die freiheitlich demokratische Grundordnung bekämpfen“.

Die Alarmglocken sollten bei der AfD klingeln
Künftig kann damit jedem Mitglied der Jungen Alternative, jedem Besucher einer Akademie des Instituts für Staatspolitik oder auch Teilnehmer einer patriotischen Demonstration theoretisch genauo drohen, nicht in das Referendariat aufgenommen zu werden. Verschiedene AfD-Mandatsträger mussten bereits schmerzliche Erfahrungen mit ihrer beruflichen Stellung als Staatsanwalt oder Richter machen, weswegen die Alarmglocken eigentlich auch bei der Partei klingeln sollten. Denn damit droht langfristig ein Abschneiden der Partei von einem Zustrom von Juristen mit allen sich daraus ergebenden Folgen. Ein „unter dem Radar bleiben“ während des Studiums und des Referendariats ist für keinen, der Erfahrung mit der politischen Arbeit hat, eine wirkliche Option. Denn wer in seinen Jugendjahren die eigene patriotische Gesinnung nur im eigenen Studentenzimmer auslebt, wird regelmäßig nicht mit Karrierebeginn sofort den Schritt zur Opposition vollziehen oder aber nicht die Einstellung aufweisen, die notwendig ist. Denn politische Bewegungen, Milieus und eigener Aktivismus sind immer auch Sozialisations- und Prägungsprozesse – und was Hänschen an Idealismus, Einsatz- und Opferbereitschaft innerhalb des politischen Kampfes nicht lernt, lernt Hans nach vielleicht achtzehn Jahren zeitintensivem und nervenaufreibendem Studium und Ausbildung ohne jede politische Einbindung und strukturelle Politisierung erst recht nicht mehr.

Ein Versagen auf real- wie metapolitischer Ebene ist zu vermeiden
Bei einer patriotischen Wende werden jedoch gleich Dutzende verlässliche, politisch gebildete und vor allem mit politischem Willen ausgestattete Juristen benötigt werden. Die fachliche Ausbildung ist dabei eine notwendige Bedingung und die Qualifikationen zu einem höheren Richteramt, zur Leitung einer Behörde oder zur Besetzung eines Professorenstuhls wird man nicht bei Parteiseminaren erwerben. Schafft man es also nicht, in Zukunft genügend fachlich qualifizierten Nachwuchs heranzuziehen, droht im schlimmsten Fall, dass es bei einer patriotischen Regierungsbeteiligung mangels geeignetem und bereitem Personal nicht zu einem Auswechseln zahlreicher Stellen in der Justiz, den Hochschulen und der Verwaltung kommen wird. Eine Blockade durch die eigenen Ministerien und Behörden, politisch gefärbte Urteile feindseliger Richter gegen das eigene Regierungshandeln und eine Prägung der Studenten durch dem politischen Gegner zugehörigen Professoren wird die Folge sein. Ein Versagen auf real- wie metapolitischer Ebene mit Ansage, dass die Altparteien scheinbar besser verstanden haben und vorbereiten, als die patriotische Bewegung.

Beitragsbild / Symbolbild: Brian A Jackson; Bild unten: PanuShot / beide Shutterstock.com

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