Ein Meinungsbeitrag von Achim Baumann

Die EU-Wahl ist vorbei. Knapp 16 Prozent für die AfD ist ein kleiner Erfolg, keine Frage. Aber auch alle anderen Parteien fühlen sich wie Sieger. Selbst die Grünen haben  gestern sogar den altbekannten Kalauer ausgepackt, und behaupteten erneut, gute Politik einfach nicht richtig kommuniziert zu haben. Man schlägt sich unweigerlich an den Kopf, wenn man die völlig unkritische Selbstreflektion der Grünen, aber auch der SPD hörte. Und ändert sich etwas? Nein, auf den ersten Blick nicht. Obwohl es angeblich einen Rechtsruck in EU-Europa gab,  es Zuwächse bei widerständigen, opositionellen Parteien rechts der Mitte zu verzeichnen sind, werden die drei maßgeblichen Fraktionen der „etablierten“ Parteien, die christdemokratische EVP, die sozialdemokratische S&D und die liberale Renew, auch im neuen Europaparlament eine eindeutige Mehrheit bilden können. Was war also so speziell an den Ergebnissen in der Bundesrepublik? Wir zählen acht Punkte auf, die bei den sonstigen Kommentierungen eher selten Erwähnung fanden.

1.) Koalitionen sind weit entfernt
Es gibt selbst in der AfD sehr naive Gestalten wie beispielsweise Martin Vincentz, der NRW-Landesvorsitzende, die hoffen, dass man in Bälde irgendwie mitregieren könne. Dabei ist es völlig naiv, zu denken, man würde in absehbarer Zeit tatsächlich  in Regierungsverantwortung gelangen. Selbst in den fünf mitteldeutschen Bundesländern ist man davon sehr, sehr weit entfernt. Das konnte man bei den Stichwahlen in Thüringen, die ebenfalls am Wochenende stattfanden, exemplarisch zur Kenntnis nehmen: Gleichwohl die AfD zum Teil bis zu 40 Prozent einfuhr, kommt sie damit nicht gegen die Volksfront der Altparteien an. Deshalb ist ein devoter Kurs der AfD völlig falsch. Das werden auch die betont liberal-konservativen Landesverbände in Hessen (13,6 Prozent), Nordrhein-Westfalen (12,8 Prozent), Rheinland-Pfalz (14,2 Prozent) und Hamburg (8 Prozent), die unterdurchschnittlich abschlossen, irgendwann einmal einsehen müssen. Nur eine echte Alternative zu den Altparteien wird dauerhaft erfolgreich sein.

2.) Die Rivalin „Heimat“ ist tot
Die als „Heimat“ umfirmierte NPD, immerhin saß sie einst in bis zu sieben Landesparlamenten gleichzeitig, ist tot. Das mag nicht für ihre zum Teil sehr umtriebigen Aktivisten gelten, aber ihre Wähler sind mit der Lupe auszumachen. Lediglich bundesweit 41.006 Wahlberechtigte kreuzten die Heimat an, das sind rechnerisch gerade einmal 0,1 Prozent der Wähler. Bei der vergangenen EU-Wahl erreichte sie immerhin noch 101.011 Stimmen, was aber auch nur 0,3 der Stimmberechtigten ausmachte. Frank Franz, ihr Vorsitzender, brachte es auf den Punkt, als er das magere Ergebnis auf X kommentierte:

Eines der größten Probleme sehe ich darin, dass es momentan kaum möglich ist, neben der AfD eine rechte Partei zu platzieren (mit oder ohne bestehender Parteigeschichte). Es hat sich der Eindruck verstetigt, die AfD sei die einzige und letzte Chance für heimattreue Deutsche. Auch wenn ich das anders sehe, sorgt diese Grundstimmung dafür, dass insbesondere – und paradoxerweise – Überzeugungstäter ihr zähneknirschend die Stange halten und ihr und ihren Funktionären viel verzeihen.

Die Heimat sollte folglich ernsthaft erwägen, ihre Aktivitäten eher so zu kanalisieren, dass das Vorfeld insgesamt gestärkt wird. Dieses Vorfeld könnte dafür sorgen, dass echte Oppositionelle in die AfD gelangen und nicht nur Glücksritter etc.

3.) Die Jugend ist tendenziell rechts
Ob es allein das Ergebnis einer TikTok-Offensive ist, darf bezweifelt werden. Fakt ist jedoch: In der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen haben CDU und AfD bei der Europawahl jeweils 17  Prozent erzielt. Die Jugend kann „Fridays for Future“ und die Indoktrination durch ihre grünen Lehrer offenbar nicht mehr ertragen. Das ist hoffnungsvoll! Medien und Mainstreamparteien versuchen gerne, linke Jugendliche als typisch für ihre Generation darzustellen. Das ist Lug und Trug. Der durchschnittliche Jugendliche indes spürt die Veränderungen, die architektonischen Verschiebungen innerhalb der Gesellschaft, Stichwort Überfremdung, am deutlichsten. Und das gefällt offenbar nicht allen. Interessant ist, dass gerade die linken Parteien sich dafür eingesetzt hatten, dass auch 16-Jährige wählen dürfen. Das haben sie nun davon!

4.) Alle reden über die AfD, kaum jemand mit der AfD
Wer genau hingeschaut hat, hat gestern selten Stimmen aus der AfD gehört. Welch feindliches Klima gegenüber der AfD herrschte, war auch vor dem heimischen Fernseher förmlich zu spüren. Die Journalisten, die permanent unterbrachen, Vorwürfe konstruierten, den Ton veränderten („technische Panne“) waren genauso entsetzt und offen feindlich wie die Vertreter der Altparteien. Allein die Körperhaltung so mancher Politiker zeigte deutlich, was sie von der AfD und deren Vertreter hielten. Die Konsequenz? Die AfD muss noch entschiedener auf Social Media und „befreundete“ alternative Medien setzen. Gerade die liberal-konservativen Landesverbände, siehe oben, haben alternative Medien noch gar nicht „entdeckt“. Wenn, dann mögen sie sie nicht, sind diese doch in der Regel konsequenter, offener und auch ehrlicher – und weniger disziplinierbar. Aber diese alternativen Medien haben Anteil am Erfolg der AfD, ob das in oberen Parteigremien anerkannt wird oder nicht.

5.) VS-Keule fruchtet nicht
82 Prozent der AfD-Wähler ist egal, dass die AfD als „verfassungsfeindlich“ oder „rechtsextrem“ geframt wird. Diese Weisheit, gestern hier und da kurz erwähnt, ist essentiell für den künftigen Weg der Alternative für Deutschland. Anstatt sich peinlichst genau an den Vorgaben des umstrittenen Regierungsschutzes zu halten, sich gefügig zeigen zu wollen, sollte die AfD ihren alternativen Charakter konsequent weiterentwickeln. Man braucht eben keine FDP 1.5 oder CDU 2.0. Eine Rechtspartei muss als Rechtspartei auch erkennbar sein – dann ist sie auch erfolgreich.

6.) Medienkampagnen laufen ins Leere
Ab sofort könnte es für die AfD gefährlich werden. Denn der Mainstream muss seit gestern erkennen, dass die Medienkampanen kaum Erfolg hatten. Was wurde auf die AfD eingehauen? Selbst physisch ging es so manchem Wahlhelfer an den Kragen. Aber auch die Stigmatisierung wurde auf ein neues Niveau gehievt. Dass das alles wenig nutzte, dürfte den polit-medialen Komplex dazu bringen, noch entschiedener gegen die AfD vorzugehen. Mit anderen Worten: Die nächsten Schmierenkampagnen stehen schon in den Startlöchern, darauf sollte man sich gefasst machen.

7.) Das Parteienspektrum ändert sich
Sie schlugen mit Beschimpfungen à la „Nazis“, „Faschisten“ etc. um sich. Kein Wunder, die Sozialdemokraten stehen mit dem Rücken zur Wand. Lars Klingbeil beispielsweise, immerhin ein früherer und vielleicht auch heute noch aktiver Antifa-Aktivist, und nun SPD-Parteichef, unkte gegenüber Alice Weidel, die AfD seien „Nazis“, peinlich! Eine weitere Zahl von gestern: Lediglich 12 Prozent der Arbeiter folgen noch der SPD. Die neue Arbeiterpartei ist indes die AfD. Aber auch jenseits der SPD wird klar, dass sich das Parteienspektrum noch weiter auffächert. In Sachsen waren es die Freien Sachsen, bundesweit Volt, die Freien Bürger und andere. Der Balken „Sonstiges“ wird immer stärker. Das ist eine Chance für die AfD, denn damit sinken die Umfrageergebnisse der Altparteien trotzdem, wenngleich die AfD nicht direkt davon profitiert.

8.) Nur bekanntes Personal verfängt
Das vergleichbar gute Abschneiden von BSW (6,2 Prozent) im Vergleich zum Beispiel mit Parteien wie Bündnis Deutschland (0,4 Prozent) zeigt überdeutlich, dass die Leute nicht Parteien, sondern Personen wählen wollen, in diesem Fall Sahra Wagenknecht. Wer mit einer neuen oder auch berstehenden Partei erfolgreich sein will, benötigt in erster Linie ansprechendes, möglichst bekanntes Personal, das selbstsicher auftritt. Das gilt auch für die AfD, denn das Programm ist ja hinlänglich bekannt. Und bei der Partei war eindeutig Dr. Maximilian Krah der überzeugendste Kandidat der EU-Kandidaten. Dass dieser nun sogar aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen wurde, ist ein Menetekel. Denn der Rest der Fraktion setzt sich aus zahlreichen Angehörigen von Beutegemeinschaften zusammen, deren echte Qualifikation häufig in Frage gestellt werden kann. Ein richtiger Lichtblick ist unter den künftigen AfD-Abgeordneten im EU-Parlament nämlich nicht zu finden. Dagegen hat Krah das Zeug, sogar irgendwann den Parteivorsitz zu übernehmen. Es gibt kaum einen Vertreter, der über die gleichen Qualitäten verfügt, sein 6,5 stündiges Interview mit Thilo Jung zeigte einen Vertreter der Partei mit fundiertem und ideologisch festem Weitblick. Und das ist bei Postenjägern, Glücksrittern und Liberal-Konservativen eben nicht zu finden. Dass der Paerteivorstand einen möglichen Rivalen kaltstellen wollte, ist gar nicht so abwegig. Krah jetzt fallen zu lassen, ist ein stiller Sieg für die Gegner Krahs, der allerdings interne Entscheidungen und Personalentscheidungen beeinflussen wird, Stichwort Bundesparteitag Ende Juni in Essen.

Fazit?
Wie schrieb ein X-Account? „Dem 30-Prozent-Erfolg der AfD steht nur die AfD im Wege“. Diese Kurzanalyse trifft des Pudels Kern. Wer allen Ernstes meint, mit der AfD hat man es schon fast geschafft, mit der AfD hat man endlich eine Alternative zum herrschenden System gefunden, irrt gewaltig. Es ist noch viel zu tun – und so mancher, der in der Partei heute noch das Sagen hat, dürfte nur temporär von Bedeutung sein. Es ist viel im Fluß, hoffentlich besinnt sich der Kern der Partei, eine echte Alternative zu werden!

Beitragsbild / Symbolbild und oben: Cranach; Bild unten: rarrarorro; Bild unten: Lightspring / alle Shutterstock.com

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